Aufbackbrötchen von Lidl

vom 09.05.2008, 10:37 Uhr

Ich habe gerade im Internet einen Interessanten Artikel der Zeit Online gefunden, bei dem der Reporter Günter Wallraff sich undercover in eine Fabrik als Niedriglöhner eingeschleust hat. Diese Firma stellt die Brötchen für die Supermarktkette Lidl her. Dabei zeigten sich bei ihm Brandblasen an den Extremitäten, Schimmel in der Backstube und ein Chef der seine Angestellten und Arbeiter wie ein Sklavenhändler behandelt.

In der Fabrik in der er recherchiert hat, liegt in Rheinland-Pfalz in einem kleineren Ort mit nur 3200 Einwohnern. Nach der Homepage der Seite, wird dort seit über 600 Jahren Brot gebacken, aber wie der Artikel zeigt, sind es ausschließlich Aufbackbrötchen die die Firma verlassen. Die Supermarktkette, an den diese Brötchen dann vertrieben werden, sind dafür bekannt aus ihren Zulieferern das beste herauszuholen und diese im Preis zu drücken und dadurch Ersparnisse im Einkauf von mehr als 10 Milliarden Euro erreicht hat.

Das Einstellungsverfahren scheint sehr einfach gewesen zu sein, denn der Reporter hat nur angerufen und bereits einen Termin für den nächsten Tag bekommen. Vor Ort hat er sich dann bei der Sekretärin, welche sich als Ehefrau des Unternehmers der Fabrik herausstellte, noch mit ein paar Lügen (Alter, Name etc.) eingeschleust und bereits am nächsten Morgen begann seine Arbeit in der Frühschicht. Dort wurde er dann vom Chef per Handschlag begrüsst, jedoch ohne Arbeitsvertrag. Der Stundenlohn der ihm bezahlt wurde, lag bei 7,66 Euro Brutto die Stunde, was im Endeffekt weniger als sechs Euro Netto für den Arbeitnehmer bedeutet.

Anfangs wurde er in der Halle stehen gelassen und auch seine Kollegen nahmen nur wenig Notiz von ihm, folglich wurde er auch nicht eingearbeitet. Nach einer Stunde Bandarbeit, musste er dann heiße Bleche die sich ineinander verkantet hatten und das Fließband blockierten vom Band runterziehen. Ein solches Blech ist 80 x 60 cm groß und das ganze wurde musste mit nur zerfetzten Handschuhen gemacht wurde und sich die Arbeiter somit Verbrennungen an den Händen und Unterarmen zuzogen. Auch die Kette die ab und zu einmal vom Fließband gesprungen ist, musste wieder aufgezogen werden und das ganze unter dem Betrieb!

Denn der Not-Ausschalter darf nur im äußersten Notfall betätigt werden, denn wenn dieser gedrückt wird, dann geht ein Teil der Ware im Backofen kaputt, dass diese nicht mehr verkauft werden können. Auch dabei ist es schon mehrfach zu Verletzungen gekommen die z.T. richtig schwer waren. Auch hatte der Reporter durch eines der Bleche eine Schnittwunde am Kopf erlitten, und der Schichtführer wies ihn mit der bitte um Hilfe ab, er solle sich den Verbandskasten selbst suchen und sich verarzten. Allerdings war auch der Erste-Hilfe Kasten leer, und ihm wurde es erst nach dem Schichtende gestattet einen Arzt aufzusuchen.

Diese Störfälle sind dort an der Tagesordnung, und was in dem Artikel auch noch stand, dass die Backfirma an Lidl pro Palette Brötchen die zu spät geliefert wird 150 Euro Strafe zahlen muss. Auch das Thema Schimmel steht dort an der Tagesordnung, denn die Anlage ist nicht die neuste und überall hängen oxidierte Eisenteile von der Decke herunter oder entstehen in den Ecken des Gebäudes, welches sich auf die Brötchen überträgt. Entfernung ist sinnlos, denn es ist eine unendliche Arbeit und bereits eine Woche später wäre der wieder da, deswegen wird es inzwischen schon sein gelassen und nur noch im gröbsten gereinigt.

Vorschläge um eine bessere Hygiene in der Produktion von seiten der Mitarbeiter, wurden von der Geschäftsführung abgewiesen mit den Worten "Sie sind zum arbeiten hier, und nicht zum Denken". Allerdings wird bei den Mitarbeitern wenigstens auf Hygiene geachtet, und sie Fragen Haarnetze und Mundschutz damit auch keine Barthaare auf die Brötchen gelangen. Ansonsten waschen und desinfizieren sich die Arbeiter vor jeder Schicht die Hände, und ziehen sterile Handschuhe an bevor es in die Produktion geht.

Nach wenigen Tagen kam dann ein Anruf, dass man erstmal nicht weiter Arbeiten kann da die Auftragslage nicht entsprechend sei und die Schicht ist ausgefallen. Die Zeit in der die Arbeiter nicht Produzieren gehen, wurden nicht erstattet vom Arbeitgeber und somit haben sie nichts verdient. Dies ist rechtlich zwar nicht in Ordnung, aber wer eine Klage eingereicht hatte, der hat seinen Arbeitsplatz riskiert und wurde nicht selten entlassen. Auch die Löhne wurden angeblich immer später und willkürlich gezahlt, das Geld für die Novemberabrechnung kam erst am 19. Dezember. Auch Krankheitstage wurden nicht bezahlt, deswegen haben die Arbeiter dort Angst sich Krankzumelden und gehen auch damit zur Schicht, da sie danach entweder aus dem Betrieb gemobbt werden vom Geschäftsführer oder Abmahnungen deswegen erhalten.

Dazu wurden auch schon einige Mitarbeiter dazu gezwungen, einen anderen Vertrag zu unterschreiben der ihnen weniger Lohn im Monat gebracht hätte und als sie sich weigerten, wurden sie entlassen. Nachdem einige dann vor Gerichten geklagt hatten, und wieder eingestellt werden hätten müssen, wurden sie dazu "überredet" darauf zu verzichten und es wurden andere gesucht die die Arbeit für weniger Geld machen. Auch Mitarbeiter mit schweren Krankheiten, die ärztlich Bescheinigt nicht im Schichtsystem arbeiten können, wurden zum Schichtsystem gezwungen, statt ihnen immer die Frühschicht zu lassen. Und wenn der Schichtleiter seine Leistung nicht bringt, wird er schnell abgemahnt und wieder nur zum einfachen Arbeiter degradiert.

Mitarbeiter die einen Betriebsrat geplant hatten, wurden ganz schnell entlassen damit es von dieser Seite keinen Widerstand gibt, und alle anderen Arbeiter dort machen was man ihnen sagt, denn sie fürchten um ihren Arbeitsplatz. Als die Geschäftsleitung von dem Plan erfuhr, dass ein Betriebsrat gegründet werden sollte, wurde mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht, und deswegen der Plan wieder verworfen. Bis heute ist es nicht zu Entlassungen wegen den Gründen der "Teilautomatisierung" gekommen, wie es dort angedroht wurde. Auch die bitte nach Stundenzetteln mit den genauen Stunden die ein Arbeiter geleistet hatte, wurden abgelehnt und es war auch der Verdacht von einigen Arbeitern da, dass diese manipuliert wurden. Ein Mitarbeiter, hatte sich seine Stunden selbst noch aufgeschrieben und hat seiner Meinung nach weniger Lohn erhalten, als er eigentlich gearbeitet hat.

Da die Brötchen nicht mit Luft, sondern mit Co2 gefüllt sind, haben die meisten Arbeiter schon nach kurzer Zeit Kopfschmerzen und brennende Augen. Auch die Schleimhäute trocknen davon schnell aus, und gerade in der Verbindung, dass es dort auch sehr warm ist, fällt das Atmen wesentlich schwerer und auch der Kreislauf ist stark belastet. Auch wurden die Mitarbeiter im dünnen Hemd (wohlgemerkt die sterile Kleidung aus der Produktion !) nach draußen geschickt, um dort Arbeiten zu verrichten. Die Bitte des Reporters nach einem Überkittel wurde abgewiesen und sogar mit einer Abmahnung wurde ihm gedroht. Mehrere Berichte liegen vor, zum Beispiel mussten dort zwei Angestellte mit Glaswolle einen Ofen isolieren.

Jeder weiß, dass gerade die alte Glaswolle mit ihren Fasern als Krebserregend gekennzeichnet sind und nur mit Atemschutz und entsprechender Schutzkleidung angebracht werden sollen. Ein gelernter Schweißer sollte in einem Silo aus Metall etwas schweißen. Auch das ist sehr gefährlich, denn durch die Funken beim schweißen könnte eine Verpuffung oder Explosion ausgelöst werden. Darauf wurde anscheinend keine Rücksicht genommen. Wer den Bericht einmal selbst nachlesen möchte, kann das gerne hier tun. Allerdings umfasst dieser 5 Seiten und ist schon sehr detailliert beschrieben was dort alles zugegangen sein soll.

Als ich den Artikel gelesen habe, hab ich festgestellt ich hab es bei meinem Arbeitgeber sehr gut. Dort habe ich zwar auch nicht so den super Stundenlohn, und zähle ebenfalls zu den "Niedriglöhnern" aber ich hab nicht solche Arbeitsbedingungen. Alleine, was es dort an Anweisungen gibt, dass man den Not Schalter nicht betätigen darf und in die laufenden Maschinen reingreifen muss, haben mich erschreckt. Denn ich habe schon einige Unfälle gesehen, die aus solchen Ideen heraus resultiert haben, weil sich dort auch jemand für so schlau und bequem gehalten hatte.

Auch die Gleichgültigkeit bei den Verletzungen von den Kollegen, dass man sich selbst helfen sollte und es einem nicht gestattet wird zum Arzt zu gehen, hat mich nachdenklich gemacht. Konnte mir nicht vorstellen, dass es noch einen solchen Arbeitgeber geben soll, der auf diese Art und Weise mit seinen Mitarbeitern verfahren kann ohne das es jemanden auffällt oder die Öffentlichkeit davon Wind bekommt. Für meinen Teil finde ich es nun auch ekelig die Aufbackbrötchen, denn nach der Beschreibung mit dem Schimmel und den fettigen Böden und Maschinen ist mir der Hunger darauf vergangen. Ich denke auch nicht, dass ich diese in Zukunft noch kaufen werde, weder bei Lidl noch bei einem anderen Supermarkt.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Tja, das ist der Preis des "Wohlstandes" in unserer Gesellschaft. Verwundern tut mich das nicht im geringsten. Kleidung tragen wir asu China und aus dem ahso weit entferntem "Osten" der Welt, wo unser Augenlicht nicht hinreicht oder nicht hinreichen mag, damit wir die Umstände der dortigen Arbeit nicht sehen müssen. Aber wie es sso schön in diesem Artikel steht, muss man gar nicht so weit weg schauen, auch in Deutschland gibt es eben sparten, wo der normale Bürger lieber nicht hinschaut, sonst schmeckt das geliebte Brötchen oder das Frühstücksei nicht mehr ganz so gut wie früher.

Ich muss aber zugeben, dass der Artikel mich nicht überzeugen würde, die Lidlaufbackprodukte zu kaufen, aber die sind sogar geschmacklich schon an der Grenze des annehmbaren, deshalb kauf ich die Sachen von dort nicht. Trotzdem gehört es zu einer aufgeklärten Gesellscahft, dass man Hintergrundinformationen zu solchen Produkten besitzt, auch wenn der menschliche Verdrängungsapparat dich die nicht so feine Herstellungsweise vergessen lässt, wenn solch ein Brötchen doch mal irgendwo auf irgendeinem Frühstückstisch landet. Wenn jeder sich beim einkaufen Gedanken machen würde, wie das Essen hergestellt worden ist, würde ich meinen, dass es bald sehr viel mehr reine Reisesser geben würde.

» tombman1 » Beiträge: 18 » Talkpoints: 0,08 »


Mein Entschluss steht schon lange feste, das ich nur das Notwendigste kaufe, so etwas wie Aufback-Brötchen gibt es bei mir schon lange nicht mehr, und seitdem, muss ich sagen (liegt nicht nur an den Brötchen) geht es mir gesundheitlich etwas besser.

Aber das ist nun mal der Preis unserer heutigen Zeit und Wirtschaft. Es gibt ein paar die das Geld machen und die einfachen Arbeiter zahlen oft den Preis dafür. Und welcher von den kleinen Arbeitern kann es sich schon leisten teure Brötchen beim Bäcker zu kaufen, fast keiner. Deshalb werden solche Lebensmittel gekauft und die "paar" werden immer reicher.

» kommissar » Beiträge: 120 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Es ist doch klar das die Brötchen bei diesem Preis keine gute Qualität mehr haben können. Qualität kostet nun mal ihren Preis und Qualität bekommt man nunmal nich bei Discountern sondern beim Bäcker. Unsere Gesellschaft will alles möglichst billig haben ohne auf die Qualität der Waren zu achten

Eine Alternative zum Kaufen ist auch das Selberbacken, was ich persönlich bevorzuge.

» 1337 » Beiträge: 692 » Talkpoints: 7,29 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Es stimmt zwar, dass die Brötchen welche man bei einem Bäcker kaufen kann zwar besser schmecken, Preis-/Leistungsmaessig jedoch nicht mit den Brötchen von Lidl/Aldi mithalten können.

Ich esse die Aufbackbroetchen bereits seit längerem und muss sagen, dass diese nicht so schlecht schmecken wie manche behaupten. Bei einer richtigen Temperatur und mit Milch eingestrichen schmecken diese teilweise besser, als die von z.B. Backfabrik, welche man nach einem Tag dann wieder in die Tonne schmeißen kann, weil sie schmecken wie Watte.

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» loolek » Beiträge: 391 » Talkpoints: 2,23 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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