Abiturwissen: Sozialkunde & Recht - Notwehr

vom 20.04.2008, 21:44 Uhr

Notwehr gemäß § 32 - Einführung und allgemeine Kennzeichnung
- naturrechtlicher Charakter
- §§ 227 II BGB, 15 I OWiG, 32 II StGB
- Angreifer hat eine Duldungspflicht
- Nicht das Ergreifen jeder Abwendungsmöglichkeit
- Nur Eingriffe in die Rechtsgüter des Angreifers
- Nicht nur der Angegriffene, sondern auch Dritte dürfen helfen → Nothilfe

Grundgedanken der Notwehr

Dualistische Notwehrlehre
- individualrechtliches Rechtsgüterschutzprinzip
- sozialrechtliches Rechtsbewährungsprinzip

Schutzprinzip
- Selbstschutzgedanke

Rechtsbewährungsprinzip
- Verteidigung der Rechtsordnung
- Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen

Verhältnis der beiden Grundgedanken
- Fundament ist der Individualschutzgedanke
- Nur die Abwehr rechtswidriger Angriffe
- Dualistische Notwehrlehre
- Verzicht aus Güterproportionalität

Monistische Notwehrlehren
- Kritik an dem Rechtsbewährungsprinzips aufgrund der Ungebundenheit des Täters an das Verhältnismäßigkeitsprinzip
- Der Angreifer hat keinen Schutz verdient, da er auf seinen Angriff hätte verzichten können

Ergänzung der dualistischen Notwehrlehre durch das Prinzip der Verantwortung
- Verantwortung des Angreifers für sein Angriffsverhalten und die Gefahrenlage

Gesetzliche Notwehrregelung des § 32 II StGB

- Erforderlichkeit des Angriffs
- Verteidigungswillen des Angegriffenen
- Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff muss vorliegen

Notwehrlage
- Tatsächlichkeit der Voraussetzungen der Notwehrlage
- Irrtum kann durch die Irrtumsregeln zu Straflosigkeit führen

Angriff
- auf Rechtsgüter
- von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen
- unmittelbare Bedrohung
- Tier-Angriffe scheiden aus; die sind nach § 228 BGB Defensivnotstand
- Willkürlichkeit als Mindestvoraussetzung der strafrechtlich relevanten Handlung
- Final-aggressives Vorgehen des Angreifers
- Angriff durch Unterlassen; § 323 c StGB Solidaritätspflicht
- Individualrechtsgüter sind grundsätzlich ohne Einschränkung notwehrfähig
- Angriff muss die Schwelle der Nötigung einschließlich des § 240 StGB überschritten haben
- Notwehrausschließende Regelung § 859 BGB bei Besitzschutz; § 229 BGB
- Verteidigung von Allgemeininteressen ist allein den staatlichen Organen anvertraut

Gegenwärtigkeit des Angriffs
- Angriff ist schon vor seiner Ausführung gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht; keine weiteren Zwischenschritte
- Analogie mit § 22 StGB bei vorsätzlichen Taten
- Theorie der wirksamsten Abwehr
o Dem Versuch vorgelagerte Stadium gehört schon zum gegenwärtigen Angriff, da hier die Verteidigungschancen des Angegriffenen günstiger sind
- Antizipierte Notwehr
o Fehlende Erforderlichkeit
- Erpresserische Drohung als Angriff auf die freie Willensentscheidung ist umstritten
o Gegenwärtige Dauergefahr
- Dauerdelikte
o Fortdauernde Angriffe §§ 239, 123 StGB
- Unmittelbarer Zusammenhang mit der ursächliche Angriffssituation
- Angriff ist abgeschlossen, wenn die durch ihn ausgelöste Gefährdung der Rechtsgüter des Angegriffenen bereits in einen Schaden umgeschlagen ist
- Fehlgeschlagener Angriff ist nicht mehr gegenwärtig
- Putativnotwehr
o Der die Sachlage falsch beurteilende Täter wird aber nach Irrtumsregeln entlastet

Rechtswidrigkeit des Angriffs
- Angriffsverhalten ist das Bezugsobjekt der Bewertung
- Evtl. Duldungspflichten des Angegriffenen sind zu prüfen
- Verhaltensunwert muss verwirklicht sein; objektiver Widerspruch zur Rechtsordnung
- Kein schuldhaftes Verhalten wird für den rechtswidrigen Angriff gefordert
- Es muss kein Straftatbestand erfüllt werden
- Keine Notwehr gegen Notwehr
- Notwehrausschließend ist das Festnahmerecht nach § 127 StPO; Selbsthilferecht §229 BGB
- Objektive Rechtfertigungslage reicht aus
- Ist das Verhalten nur entschuldigt, dann ist es trotzdem rechtswidrig
- Notwehr gegen rechtswidrige Diensthandlungen ist eingeschränkt
- Irrtumsprivileg des Staates

Verteidigungshandlung

Abwehr des Angriffs
- Abwendung des Angriffs
- Ausweichen ist keine Verteidigungspflicht, kann aber sozialethisch geboten sein
- Defensive Schutzwehr
- Offensive Trutzwehr
- Relativ mildestes Gegenmittel
- Entbehrlich machen
- Antizipierte Notwehr ist als Verteidigung anerkannt
- Tatbestandsmäßige Verletzung des Angreifers und seiner Rechtsgüter

Erforderlichkeit der Verteidigung
- nur das Erforderliche
- Angegriffene hat weitreichende Eingriffsbefugnisse in die Rechtsgüter des Angreifers
- Sofortige Beendigung des Angriffs
- Endgültige Beseitigung der Gefahr
- Abwehr des Angriffs und das relativ mildeste Gegenmittel
- Eignung
o Abschwächung des Angriffs
o Irgendeine nennenswerte Behinderung ist erforderlich, zugunsten des Verteidigers ist die Mindestanforderung möglichst niedrig anzusetzen
- Relativ mildestes Gegenmittel
o Schon ausreichende Verteidigungshandlung
o Konkrete Kampflage ist entscheidend
o Möglichst schonender Einsatz
o Risiko der Selbstgefährdung durch unzureichende Gegenmittel muss nicht eingenommen werden
o Nach einem objektiven Urteil ex ante ist zu beurteilen
o Ungewollte Auswirkungen der erforderlichen Verteidigungshandlungen sind durch Notwehr gedeckt
o Art 2 II a EMRK Tötung ist nur zulässig, um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicher zu stellen
o Private Selbst- oder Fremdhilfe ist gegenüber der Notwehr subsidiär

Verteidigungswille
- subjektives Rechtfertigungselement
- Kenntnis des Täters über die Notwehrlage
- Zielgerichteter Wille zur Angriffsabwehr
- Irrtumsproblem; error in obiecto
- Putativnotwehr

Verteidigung eines anderen; Nothilfe
- keine grundsätzlichen Besonderheiten
- Berechtigung jedermanns
- An der Erforderlichkeitsschranke zu messen
- Nothelfer muss mit Verteidigungswillen zugunsten der Rechtsgüter des Angegriffenen handeln
- Sozialethische Notwehreinschränkungen
- Der Angegriffene muss auch verteidigt werden wollen; Grundsatz der mutmaßlichen Einwilligung mit dem rechtlich Vernünftigen
- § 229 Exzess der Nothelfers darf dem Angegriffenen nicht zugerechnet werden

Notwehr und Nothilfe durch Polizeibeamte
- öffentlich-rechtliche Theorie
o Polizeirechtswidrigkeit führt auch zu strafrechtlicher Rechtswidrigkeit
- Strafrechtliche Theorie
o Auch der Polizist darf sich auf die Notwehr berufen
o Art 2 II a EMRK
- Differenzierende Theorie
o Wirkung des § 32 muss sich auf das straftatbestandsmäßige Verhalten beschränken

Sozialethische Einschränkungen der Notwehr

Allgemeine Fragen zu den sozialethischen Einschränkungen der Notwehr

Wann ist eine Notwehreinschränkung soziaethisch ?
- Solidarität

Gesetzliche Regelung der sozialethischen Einschränkungen
- Gebotenheit in § 32 I

Einzelne Fallgruppen

Krasses Missverhältnis, unerheblicher Angriff und Unfugabwehr
- grobes Missverhältnis zwischen Zweck und Mittel
o volles Notwehrrecht wird nicht gewährt
o Prinzip der Güterabwägung wird doch angewandt
o Rechtsmissbrauch und Rechtsbewährungsprinzip
- Unerheblicher Angriff
o Opportunitätsprinzipals gesetzgeberische Entscheidung für eine möglichen Rechtsbewährungsverzicht auf den privaten Verteidiger übertragen
o Verzicht auf Selbstschutz scheint zumutbar
o Gesamtabwägung
□ Abwägungsmaßstab ist § 228 BGB Defensivnotstand
o Art 2 II a EMRK Abwehr von Sachgütern durch vorsätzliche Tötung nicht erlaubt
- Unfugabwehr
o Bagatellangriffe, die an der Grenze zu den noch sozialüblichen Belästigungen liegen
o Nur schonende Verteidigung

Angriffe schuldlos Handelnder und Irrender
- beim Angreifer vorliegenden Defizite ausschließlich in §§ 16, 17, 19, 20, 21, 35 StGB, § 3 JGG
- Rechtsbewährungsprinzip
- Verhältnismäßigkeitsmaßstab ist § 228 BGB
- Ausgeschieden sind gelegentlich Betrunkene, wenn sie sich nach § 323 a schuldhaft in ihren Zustand versetzt haben

Enge persönliche Beziehungen
- Berechtigung sozial-ethischer Einschränkungen ist umstritten
- Rechtsbewährungsinteresse kommt nicht voll zur Geltung
- Minderung des Selbstschutzinteresses
- Generalpräventives ( Verteidigungs-) Bedürfnis wegen der zwischen Ehegatten bestehenden Schutzgarantenpflicht entfällt
- Spannungsverhältnis von § 32 und § 13
- Solidaritätsgedanke

Notwehrprovokation
- Allgemeine Fragen
o Verteidiger hat den Angriff selbst verursacht durch Provokation
o Provokation ist selbst ein Angriff im Sinne des § 32 II
o Objektive Qualität des provozierenden Verhaltens
o Sozialethisch wertwidriges Verhalten
□ Störende Verhaltensweisen
o Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Vorverhalten und dem Angriff
- Einzelne Fallgruppen der Notwehrprovokation
o ABSICHTSPROVOKATION
□ Mit der Absicht verbunden, den anderen zu einem rechtswidrigen Angriff zu veranlassen
□ Bewusste Manipulation der Situation durch den Täter
□ Solidarität mit dem Angreifer
□ Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Täters
• Angreifer soll dem Angriff widerstehen
□ Actio illicita in causa
• Strafbarkeit gemäß §§ 223, 212, wenn der Angreifer verletzt oder getötet wurde
• Veranlassung des Angriffs eines unfrei handelnden Angreifers
• Strafmilderung bei der Strafbemessung für den Angreifer
• Ausweichpflicht könnte auferlegt werden, ansonsten Versagung der Rechtfertigung nach § 32
o Sonst schuldhafte Herbeiführung einer Notwehrlage
□ Rechtswidriges Vorverhalten verlangt
□ Auslösung eines Angriffs durch den anderen muss erkennbar sein
□ Vorsatzprovokation
□ Fahrlässige Provokation
• Leichtfertigkeit
□ AIIC wird von der Rechtssprechung abgelehnt
□ Mit-Verantwortung des Provokarteurs
□ Rechtsbewährungsinteresse
□ Soziale Rücksichtsnahme gegenüber dem Angreifer
□ Drei-Stufen-Theorie
• Ausweichen
• Schutzwehr
• Trutzwehr
□ Maßvolle Verteidigung
□ Je schwerer die Provokation wiegt, desto höher sind die Anforderungen zur Mäßigung
o Sonderkonstellationen
□ Abwehrprovokation
□ Provokation der Provokation
□ Provozierte Nothilfe
□ Irrtümlich angenommene (provozierte) Notwehrlage


LG,H

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