Abiturwissen: Sozialkunde&Recht - Irrtumslehre

vom 20.04.2008, 17:10 Uhr

Irrtumslehre - Gesetzliche Vorgaben
- § 16
- § 17
- § 35 II
- Tatumstandsirrtum liegt vor, wenn der Täter bei der Tatbegehung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört § 16 I → vorsatzausschließend
- Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Täter eine fehlende Unrechtseinsicht oder Unrechtbewusstsein hat § 17

Tatumstandsirrtum gemäß § 16

Erscheinungsformen und rechtliche Behandlung

- Nichtkenntnis von Tatumständen
- Keine Gründe der Unkenntnis sind verlangt
- Fehlvorstellung
- Fehlt das erforderliche Wissen ( einschließlich der Bedeutungskenntnis), so ist der Vorsatz ausgeschlossen
- Es wird nicht nach der Vermeidbarkeit der Unkenntnis gefragt
- Strafbarkeit aus einem Fahrlässigkeitsdelikt kommt in Betracht
- Appell- und Warnungsfunktion der Tatbestände
- Rechtswidrigkeit eines normativen Tatbestandsmerkmal
- Irrtum bei einem privilegierenden oder qualifizierenden Umstand einer Abwandlung vom Grunddelikt mit Tatbestandscharakter
o Irrtum über straferhöhende Merkmale → Verwirklichung des Grunddelikts
o Irrtum über Umstände, die den Tatbestand eines milderen Gesetzes ergeben würden → Bestrafung nach dem milderen Gesetz
o ∑ Täter wird entsprechend seiner Fehlvorstellung bestraft
- Irrtum über Tatbestandsalternativen
o Doppelter Tatbestandsirrtum
o Irrtum ist unbeachtlich
o Bei qualitativer Unterscheidung der Tatobjekte ist Vorsatz auszuschließen
- Qualitativ mildere Variante will verwirklicht werden, die härtere wird aber verwirklicht → Versuchsstrafbarkeit wegen leichterer Variante, Fahrlässigkeit wegen härterer Variante

Sonderkonstellationen

Error in Persona vel in Obiecto: Irrtum über das Handlungsobjekt
- Vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum gemäß § 16 liegt nach allgemeiner Ansicht nicht vor
- Identitätsirrtum
o Identität ist kein zu kennender Tatumstand
- Motivirrtum
o Schließt den Vorsatz nicht aus
o Bezugspunkt sind nach § 16 nur äußere Tatumstände

Aberratio ictus: Fehlgehen der Tat
- nicht das anvisierte Opfer wird getroffen, sondern ein anderer
- Tatobjekt von anderer Qualität
- Vollendungslösung
o Vollendete vorsätzliche Tötung der getroffenen Person liegt vor
o Gleichwertigkeitslösung der anvisierten und getroffenen Person
- Versuchslösung
o Versuchte Tötung der anvisierten Person
o Fahrlässige Tötung der getroffenen Person
o Von der Rechtssprechung benutzt
o ABER keine Konkretisierung des Vorsatzes auf einen bestimmten Menschen verlangt in § 16 I
o Bei nicht höchstpersönlichen Rechtsgütern ist die Konkretisierung nicht so wichtig
- Tatplanverwirklichung
o Tatplan-Theorie
o Objektiv gleichgültig, welches konkrete Opfer getroffen worden ist
- ∑ Es bleibt bei der Versuchslösung der Konkretisierungstheorie → Versuch

Irrtum über Kausalverlauf
- wesentliche Abweichung
- Abweichungen müssen sich noch innerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen
- Verneinung der objektiven Zurechnung

Dolus generalis: Abweichung bei mehraktigem Geschehen ?
- Fälle, in denen der Täter mit einer ersten Handlung in Tötungsabsicht das Opfer nach seiner falschen Vorstellung getötet hat, in Wirklichkeit ist das Opfer an dieser Handlung aber nicht gestorben, sondern erst an der zweiten Handlung des Täters, die dieser, weil er das Opfer für tot hielt, nur als Beseitigung der Leiche verstanden
- Mittelbar ursächlich für den Tod
- Im Vorbereitungsstadium findet noch kein vorsatzrelevanter Kausalverlauf statt

Verbots- und Erlaubnisirrtum gemäß § 17

Erscheinungsformen des § 17-Irrtums

- Fehlen der Einsicht Unrecht zu tun
- Erkennen der Situation
- Andere Wertung des Verhaltens als der Gesetzgeber
- Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums
- Unkenntnis
- Fehlvorstellung
- Direkter Verbotsirrtum
o Täter kennt die Verbotsnorm nicht
- Indirekter Verbotsirrtum
o Erlaubnisirrtum
o Täter glaubt sein Verhalten sei ausnahmsweise erlaubt
o Rechtfertigungsgrund kennt die Rechtsordnung nicht
o Rechtfertigungsgrund wird in seinem Anwendungsbereich ausgedehnt
o Subsumtionsirrtum ist hinsichtlich des Vorsatzes unbeachtlich
- Verbotsirrtum ist zu verneinen, wenn nur ein bloßer Strafbarkeitsirrtum vorliegt; Rechtsgutsverletzung muss als Unrecht vom Täter erkannt sein
- Gültigkeitsirrtum
- Bedingtes Unrechtsbewusstsein reicht aus; teilbar
- Irrtum über gesamtbewertende Merkmale

Rechtsfolgen des Verbots- und Erlaubnisirrtums

- Vermeidbarkeit des Irrtums ist zu prüfen
- Nur bei Unvermeidbarkeit entfällt die Strafbarkeit
- Anspannung des Gewissens
- Einsatz aller Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen
- Anlass zum Nachdenken bzw. zur Erkundigung
- Unterlassen der Erkundigung muss für den Irrtum ursächlich sein

Erlaubnistatumstandsirrtum

Methodische Vorbemerkung

- Hat sich der Täter auf der Basis seiner Fehlvorstellung so verhalten, wie es der jeweilige Rechtfertigungsgrund verlangt ?

Typischer Fall

- Täter irrt sich über tatsächliche Umstände, die den abstrakten Merkmalen eines Rechtfertigungsgrundes entsprechen
- Erlaubnissachverhaltsirrtum
- Putativnotwehr

Rechtliche Behandlung
- keine ausdrückliche Regelung
- Ausschluss der Strafbarkeit wegen eines Vorsatzdeliktes
- Täter handelt an sich rechtstreu
- Erfolgsunwert wird nicht verwirklicht
- Wille auf die Einhaltung des Rechts ist vorhanden
- Strenge Schuldtheorie Irrtum immer über § 17

Entschuldigungsirrtum

- Existenz und Reichweite
- Tatsächliche Umstände eines anerkannten Entschuldigungsgrundes
- Unvermeidbarkeit des Irrtums
- Entschuldigungstatumstandsirrtum


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