Westerwelle hat doch mit seiner Kritik Recht!

vom 24.02.2010, 11:54 Uhr

Hallo Delfin, auch ich kann Dir leider absolut nicht zustimmen - kann es vielleicht sein, dass Du zu den Leuten gehörst, die im Niedriglohnsektor arbeiten aus irgendeinem Grund aber keine zusätzliche Hilfe beantragen oder bisher noch nicht bekommen? Denn der ganze Eingangsbeitrag kommt mir wie das Gequengele eines unzufriedenen Kindes vor, das es nicht besser weiß!

Schon allein der Quatsch, dass man alle Hartz-IV Empfänger zur Arbeit verpflichten sollte! Woher sollen denn bitte die Arbeitsplätze kommen? In unserer Region gibt es schon eine Freiwilligenagentur für Arbeitssuchende, die nicht nur rumhängen wollen. Freiwillige sind schon genug da, aber nicht genug Aufgaben. Auch auf einen Ein-Euro-Job wartet man in der Regel zwei Jahre und das bei freiwilliger Bewerbung. Selbst wenn es genug Jobs gäbe: Das Ganze noch als Zwangsmaßnahme für die es im Gegenzug staatliche Hilfe gibt?! Sorry, sollen Löhne und Gehälter ins Bodenlose fallen?

Auch die These alle Hartz-IV-Empfänger könnten ihr Leben nicht managen. Klar - staatliche Hilfe bekommt man hinterher geworfen. Hast Du schon mal einen Antrag durchgeboxt? Ich habe vor langer Zeit mal Wohngeld bekommen, hat auch nur 4 Monate gedauert bis ich alle Unterlagen zur Zufriedenheit beisammen hatte. Und das auch nur, weil man nach Einreichen eines Dokumentes im Amt feststellte, das bei einem bestimmten Eintrag in Dokument A auch Dokument B von Institution X zu bestätigen sei. Besser ist es wohl bei einem Antrag auf Hartz IV auch nicht, da muss man schon ganz gut organisiert sein.

Und zu guter Letzt: wer theoretisch Anspruch auf staatliche Leistungen hätte, diesen Anspruch aus welchen Gründen auch immer nicht wahrnehmen möchte, der kann das ja gern tun. Sich aber als heroisch hinzustellen und anderen vorzuwerfen dies eben doch zu tun, der ist in meinen genauso unmöglich wie Westerwelle und Co.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ja JotJot woher sollen die Arbeitsplätze denn kommen vor allem die versicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Denn anders macht die ganze Sache wohl keinen Sinn, nur man am Beispiel ein Euro Job gesehen. Diese Jobber beziehen weiterhin Hartz 4. Aber darüber hat Westerwelle kein Wort verloren, weil er die konkrete Situation in Deutschland nicht begreift oder nicht begreifen will. Deswegen war und ist seine Rede nur geistiger Müll gewesen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Einige wichtige Infos:

1. Das Leben ist keine Doku Soap. Nicht einmal ansatzweise.
2. Westerwelle stiftet Brände, seitdem seine Partei in den Umfragewerten gesunken ist.
3. s. hier zum Thema "Arbeit muss sich wieder lohnen: Klick

Die große Masse der Hartz IV Empfänger leben nicht mit sechs Kindern von sieben Vätern und einem Riesenfernseher in Berlin Neukölln und fördern die Bierindustrie und die Statistik zur Kleinkriminalität. Die meisten Leute die ALGII bekommen wohnen nebenan. Sie hatten eine vernünftige Schulbildung, haben eine Ausbildung oder sogar zwei gemacht, haben jahrelange gearbeitet und Beiträge gezahlt und dann geschah etwas, woran sie nicht einmal ansatzweise Schuld hatten, woran sie keinen Einfluss hatten: Sie verloren ihren Job.

Nicht weil sie keinen Bock zu arbeiten hatten, weil sie lieber saufen und glotzen wollten, weil sie faul gewesen wären, ja nicht einmal einen eigenen Fehler haben sie gemacht. Die Typen die den Fehler gemacht haben hockten in einer ganz anderen Etage, bekamen wenn es ganz dumm lief ne dicke Abfindung und meisten bald wieder einen neuen Job, weil es aus irgendeinem perverseren Grund als beruflicher Erfolg gilt die eine oder andere Firma ruiniert zu haben. Die Leute die nun ALG II bekommen haben einfach nur das Pech gehabt bei einer Firma zu arbeiten, die aus was für Gründen auch immer Entlassungen vornahm.

Wenn man will bekommt man immer Arbeit? Schön wäre es. Viele Niedriglohnjobs werden bevorzugt an Leute vergeben, die sehr jung und sehr belastbar sind, solange bis sie dabei verschlissen sind und dann auch wieder keinen Job haben. Nebenbei, ein guter Nuklearphysiker muss nicht automatisch auch einen guten Pommesschwenker abgeben, für beide Jobs gibt es aus guten Grund recht unterschiedliche Voraussetzungen und nicht die muss der Nuklearphysiker nicht unbedingt erfüllen können. Menschen sind ähnlich wie Windows: Auch nicht immer abwärts kompatibel. Abgesehen davon findet man dennoch erstaunlich viele Pommesschwenker, die einem die theoretischen Aspekten der Quantenmechanik fachlich nahe bringen können. Weil nämlich viele schon aus lauter Verzweifelung beiseite schieben das sie jahrelange Ausbildungen und Qualifikationen hinter sich haben und bereit sind jeden Job anzunehmen.

Denn eines bleibt oft unerwähnt: Wenn du ALGII beziehst behandelt dich der Staat als wärst du ein Kind. Du musst dein Leben offen legen, bis hin in Bereiche die theoretisch niemanden etwas angehen. Du musst deine Bankbewegungen offen legen in einer Form die sich kaum von einem Offenbarungseid unterscheidet. Wenn du während der Bezugszeit umziehen willst muss dir das jemand genehmigen. Wenn deine Kinder etwas geschenkt bekommen wird dir das auf deine Bezüge angerechnet. Wenn du ehrenamtlich tätig bist, kannst du Ärger bekommen, weil dich das ja von der Arbeitssuche abhalten kann. Wenn du versuchst wenigstens über einen 400 Eurojob dich teilweise aus der Misere zu befreien, dann bleiben dir ca. 125 Euro von dem ganzen Spaß. Und du kannst dir ziemlich sicher sein, das der Sachbearbeiter dich von da an unter "schwierig" abgeheftet hat, weil ihm das Arbeit macht.

ALGII ist kein Spaß. Es ist in der heutigen Form ein Schlag und zwar nicht ins Gesicht. Etwas weiter unterhalb, mittig. Und alle die arbeiten sind nur eine Umstrukturierung ihrer Firma und ein Jahr von entfernt. Davon alle Pläne, alle Zukunftssicherungen bis auf einen lächerlichen Rest, den größten Teil der Eigenständigkeit zu verlieren. Damit polemische Politik zu machen ist widerlich, diese Politik zu glauben dumm.

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» Nephele » Beiträge: 1047 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Guido Westerwelle versucht durch seine populistischen, ja fast schon demagogischen Stammtischparolen seine Klientel für die NRW Wahl zu mobilisieren. Er macht quasi das, was er vor jeder Wahl gemacht hat. Diesmal ist er nur einen deutlichen Schritt zu weit gegangen, da er diesmal aus der Regierung herausspricht und nicht mehr als Guido, der die oppositionelle Spaßpartei FDP vertritt. Das traurige und vielleicht auch dramatische ist, dass er von der medialen Macht des Springer Verlages unterstützt wird.

Der Eingangsthese des Gudio Westerwelle, das derjenige, der arbeitet auch mehr haben soll als derjenige, der nicht arbeitet, kann man ja ohne weiteres zustimmen. Auch dann, wenn man nicht zum neoliberalen Wahlvolk gehört. Die Ausgangsfrage die sich aber dadurch stellt ist folgende: Sind die Einkommen zu niedrig oder Hartz IV zu hoch?

Will man also dem Hartz IV Empfänger der eh schon wenig hat noch mehr wegnehmen damit derjenige, der wenig verdient zwar immernoch wenig verdient aber mehr hat als der Hartz IV Empfänger oder will man die Löhne auf so ein Niveau heben das sich Arbeit im Vergleich zu Hart IV wieder lohnt? Genau dieser Antwort bleibt uns Guido Westerwelle schuldig oder er will sie uns vor der NRW Wahl nicht geben. Es ist eben bemerkenswert einfach zusammen mit der Bildzeitung Stimmung gegen die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu machen. Auch ist es einfach Arno Dübel in den Talk Shows zu präsentieren, der partout nicht arbeiten will.

Irgendwann glaubt der ehrlich arbeitenden und leicht naive Bürger der Mittelschicht das alle Hart IV Empfänger arbeitsfaul sind. Irgendwann glaubt er, nachdem er den zehnten Bildzeitungsvergleich zwischen Hartz IV Empfänger und Angestellten gelesen hat, dass die Welt so furchtbar ungerecht ist. Genau dann steigt die Wut und der einfache und schlichte Populismus des Guido Westerwelle war erfolgreich.

Doch irgendwann kommt der hart arbeitende Mittelschichtler in die Situation das seine Firma auf Grund der Finanzmarktkrise schließen muss. Dann merkt er, dass er 25 Jahre in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat und nach einem Jahr findet er sich in Hartz IV wieder, weil man ihn in seinem Alter nicht mehr braucht. Wird er dann weiterschimpfen? Wird er dann für die Hälfte seines alten Lohnes arbeiten? Vielleicht wird er dann merken das die Situation viel komplexer und viel schwieriger ist als er angenommen hat.

Ich persönlich erwarte von einem regierenden Politiker das er nicht polemisiert sondern Lösungsvorschläge anbietet. Was will Guido Westerwelle nun machen? Seine Steuergeschenke sind bei Geringverdienern unwirksam, da diese quasi keine Steuern zahlen. Wie will er erreichen das sich Arbeit wieder lohnt? Will er Hartz IV gnadenlos Streichen und die Menschen zu jedem menschenunwürdigem Lohn arbeiten lassen?

Nein, ich finde Guido Westerwelle hat nicht Recht! Aber ich verstehe ihn, er mobilisiert seine Wähler. Er versucht zu kämpfen, er will den Klassenkampf. Er hat noch dieses platte Links - Rechts Denken in seinem Kopf. Ich sehe es schon vor mir, der Klassenkampf beginnt. Bei der nächsten Bundestagswahl werden die roten Socken wieder rausgeholt. Oh nein, ich dachte diese Zeiten sind vorbei.

» DerRaucher » Beiträge: 161 » Talkpoints: 9,79 » Auszeichnung für 100 Beiträge



urilemmi hat geschrieben:Auch wenn viele der Meinung sind, die Aussagen von Westerwelle wären „Stammtischgerede“ so halte ich vieles davon für richtig. Auf jeden Fall wird endlich mal wieder über die Richtigkeit von Hartz IV diskutiert und endlich wird auch mal verglichen, wie viel Geld Hartz IV Empfänger haben und diejenigen, die zwar arbeiten, aber nicht viel verdienen.

Das ist in meinen Augen eine seltsame Sicht auf die Situation. Wenn man nun den Hartz 4 Empfängern noch weniger Geld gibt, dann fühlen sich die, die eine Arbeit haben, besser oder wie? Dadurch haben sie auch nicht mehr Geld zum Leben. Das ist ja wohl kaum der richtige Weg. Sinnvoller wäre es, den Niedrig-Lohn Sektor so zu reformieren, dass die Leute von ihrem erarbeitetem Geld auch leben können. Was Guido Westerwelle da macht, ist nur ein Aufhetzen zweier Gruppen, um von seiner eigenen Inkompetenz abzulenken (Man erinnere sich an seine Großzügigkeit gegenüber den Hoteliers kurz vor dieser Diskussion).

urilemmi hat geschrieben:Es ist unbestritten, das man mit dem Geld, das ein Hartz IV bekommt, keine großen Sprünge machen kann und das ist auch richtig so. Man kann sicher nicht in den Urlaub fahren, man hat kein Geld für Kino oder Schwimmbad, aber das haben andere, die acht Stunden arbeiten gehen, auch nicht immer.

Hier sehe ich den gleichen Denkfehler. Schlimm genug, dass Leute, die Hartz 4 beziehen kaum am gesellschaftlichen Leben teilhaben können (soviel zu seiner spätrömischer Dekadenz), dann aber noch sagen, dass das auch richtig so sei, finde ich schon ziemlich herablassend diesen Menschen gegenüber. Dass Leute, die Arbeit haben, auch auch nicht viel leisten können, liegt ja nicht daran, dass es Hartz 4 Empfänger gibt, sondern daran, dass unser politisches System es zulässt, dass diese Dumping-Löhne überhaupt erlaubt sind.

urilemmi hat geschrieben:So lange immer wieder laut darüber nachgedacht wird, wie man die Hartz IV Empfänger besser stellen könnte oder ob man ihnen zu ihren Heizkosten etwas zusätzlich wegen den gestiegenen Preisen oder dem schlechten Wetter zahlen müsste, so lange wird das nicht besser werden.

Solange es nicht genug Jobs gibt und solange, die vorhanden Jobs nicht ausreichend entlohnt werden, so lange werden diese Probleme nicht verschwinden, so einfach ist das. Deswegen ist es doch aber nicht richtig, wenn man nun denen, die am Wenigsten haben, nun beispielsweise nicht ermöglicht eine warme Wohnung zu haben. Man muss sogar weiter laut darüber nachdenken weil diese arroganten weltfremden Politiker total den Sinn verloren haben, was richtig und was falsch ist in unserer Gesellschaft.

Wenn man dann auch noch in die lachenden Gesichter der „Faulenzer“ schauen muss, die uns im Fernsehen sagen, das diejenigen, die arbeiten gehen, selbst schuld sind, braucht es niemanden zu wundern, wenn alle Harz IV Empfänger über einen Kamm geschert werden.

Ich schere sie nicht über einen Kamm und wundere mich schon, warum viele das tun. Denn man sollte doch in der Lage sein, Dinge und Zustände auch zu hinterfragen und nicht alles, was in gewissen Medien verbreitet wird, als die pure Wahrheit einfach so hinzunehmen.

urilemmi hat geschrieben:Ich finde, es muss Politiker wie Westerwelle geben, die sich auch mal trauen, etwas zu sagen, was unbequem ist und nicht gerade wahlkampffähig ist. Unbequeme Worte tun zwar ab und zu weh, es heißt aber nicht, dass sie nicht stimmen müssen.

Ich finde solche Politiker sind völlig überflüssig und nutzen unserem Land kein bisschen. Sie stiften nur Unruhe, hetzen Menschen gegeneinander auf und sorgen dafür, dass unser Land noch unsozialer wird. Gerade Westerwelle ist das Paradebeispel für einen Politiker, der mehr Schaden als Nutzen bringt. Sein Kommentar zu den Hartz 4 Empfängern ist so dermaßen unqualifiziert und dämlich, dass es schon eine Schande ist, dass diesem peinlichen (und, wenn man mal genau hinschaut, sehr unsicherem) Mann überhaupt jemand zuhört, denn er hat überhaupt kein bisschen Recht.

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» Yazz » Beiträge: 1325 » Talkpoints: 10,38 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Solche Diskussionen hat es früher bei Hartz IV gegeben. Kann sich jemand vorstellen, dass man heute so über Flüchtlinge reden würde? Dann hätten wir gleich eine Rassismusdebatte und Nazi-Vorwürfe eine Masse. Bis zur Flüchtlingskrise gab es keine Hasskommentare!

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 02.02.2019, 00:06, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

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