Nur als alleinstehender Kranker ins Hospiz gehen?

vom 06.07.2017, 13:04 Uhr

Von einer Bekannten der Bruder ist schwer krank und wird auch daran sterben. Er lebt in einem Hospiz und nur einer seiner Geschwister darf ihn dort besuchen, da er ansonsten keinen Besuch empfangen möchte. Er hat so keine Familie mehr, es kümmert sich wohl eine Ex-Freundin um seine Haustiere und die Wohnung.

Ich war selbst noch nie in einem Hospiz und weiß gar nicht, wie es dort ist und wie man sich das genau vorstellen muss. Aber ich denke, dass man dort ein eigenes Zimmer hat und eben seine restliche Zeit dort unter Betreuung verbringen kann. Es ist für die Angehörigen sicher auch eine Erleichterung, wenn der Kranke dann dort die Pflege bekommt die er braucht und sie selbst entlastet werden können.

Allerdings stelle ich es mir auch schwierig vor, in solch ein Hospiz zu gehen, wenn man todkrank ist. Man möchte dann doch sicher so viel Zeit wie möglich mit seiner Familie verbringen. Aber diesen sicherlich auch nicht zur Last fallen.

Ist es eher so, dass häufig alleinstehende Kranke in ein Hospiz gehen? Ist es ansonsten eher so, dass die Patienten lieber die restliche Zeit mit ihrer Familie zu Hause verbringen möchten? Ist ein Hospiz nicht auch sehr teuer?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Nein, es gehen natürlich nicht fast nur alleinstehende Menschen in ein Hospiz. Warum sollte das so sein? Man verliert doch nicht den Kontakt zur Familie, nur weil man im Hospiz ist. Besuch ist normalerweise jederzeit und ohne zeitliche Begrenzung möglich. Es gibt Gästezimmer zur Übernachtung und Besuchsräume für Familienfeiern und große Besuchsrunden.

Unser Hospiz bietet zum Beispiel gut 20 Quadratmeter pro Zimmer, mit eigener Terrasse und behindertengerecht konzipiertem Badezimmer. Dazu kommt die Palliativpflege und die ständige Betreuung sowie die Versorgung mit dem Wunschessen.

Das sind doch ideale Bedingungen, die Zeit mit Familie und Freunden unbelastet von der nötigen Pflege zu verbringen. Gleichzeitig ist eine ideale Versorgung gesichert, wenn jemand arbeiten oder selbst zum Arzt muss. Die Pflege wird einfacher und ohne Barrieren sind Ausflüge oder einfach in der Sonne sitzen oder liegen möglich.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Mit erschließt sich ehrlich gesagt nicht, was das damit zu tun haben soll wie groß das persönliche Umfeld ist oder ob man alleine ist oder nicht. Das hat doch damit gar nichts zu tun. Es sprechen doch auch genug andere Gründe für ein Hospiz als die Einsamkeit. Nur weil man selbst nur alleine ins Hospiz gehen würde, heißt das doch nicht, dass man selbst der Maßstab ist und dass alle anderen unnormal sind, die anders entscheiden würden.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Mein Vater ist auch im Hospiz gestorben. Es war die beste Lösung. Denn er war in der Endphase seiner Krebserkrankung quasi rund um die Uhr auf Pflege angewiesen, was auch die Familie zusammen mit dem Pflegedienst einfach nicht mehr bewältigen konnte.

Dort hingegen hatte er rund um die Uhr professionelle Betreuung, außerdem lebte er von Grundsicherung und hatte daher in seinen Rentnerjahren nicht viel vom Leben. In dem Hospiz allerdings hatte er Vollversorgung rund um die Uhr, bestes Essen, wann immer er wollte; da kriegt man auch nachts Kuchen und auch Bier, wenn man will; er durfte sogar kiffen in seinem Zimmer.

Und wirklich engagierte und liebevolle Betreuung, die Pflegekräfte haben dort immer Zeit für die Leute. Ich war anfangs auch skeptisch, aber es war doch die beste Lösung, er konnte so seine letzten Wochen wie in einem 3-Sterne-Hotel verbringen, auf Kosten der Krankenkasse. Da wir alle nicht viel Geld haben, hätten wir ihm daheim nie so etwas bieten können.

» Paulie » Beiträge: 554 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich halte es für reichlich naiv zu glauben, dass, nur weil ein todkranker Mensch nicht "alleinstehend" ist, sich automatisch genügend Leute finden, die körperlich, psychisch und auch von den Fachkenntnissen her in der Lage sind, jemanden in der letzten Lebensphase so zu begleiten, dass die Person ein möglichst gutes, würdevolles und schmerzfreies Sterben hat.

Das Problem ist nur, dass schwerste Krankheiten und Sterben nur selten so ablaufen wie in Rosamunde-Pilcher-Filmen, wo der/die Betroffene zwar ein bisschen bleich und angegriffen wirkt, aber bis zuletzt tiefe und sinnvolle Gespräche mit der Familie führen kann und einfach eines Morgens friedlich eingeschlafen im eigenen Bett gefunden wird. Es muss auch nie jemand gewickelt werden, niemand bekommt Wahnvorstellungen und Ängste, braucht schwerste Schmerzmedikamente, erkennt niemanden mehr und haucht über Tage hinweg langsam sein Leben aus.

Ich finde es schon ziemlich viel verlangt, dass einerseits die Freunde und Familienmitglieder wunderbar damit klar kommen sollen, dass jemand schlimmstenfalls über Tage und Wochen hinweg Blut spuckt und versucht, sich den Zugang herauszureißen und dass auch die Betroffenen es automatisch vorziehen, dass ihnen ihr Bruder die Windeln wechselt oder dass die vielleicht schon selber alten und gebrechlichen Eltern live und in Farbe jede Phase des Sterbeprozesses, die wahrhaftig nicht immer ästhetisch schön anzusehen ist, mitbekommen. Da stellt ein Hospiz schon eine sinnvollere Alternative dar.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Es sind nicht nur alleinstehende, die in ein Hospiz gehen. Es sterben ja auch nicht nur alleinstehende Menschen und Menschen in einer Beziehung und mit Familie möchten auch in Würde sterben und dies kann man im Hospiz. Dort kann man ja auch jederzeit besucht werden, die Familie bei sich haben und diese wird dennoch deutlich entlastet.

In einem Krankenhaus zu liegen oder zu Hause in einem Zimmer, finde ich da auch nicht besser. Vor allem wird man dort aber umsorgt und gepflegt und die Familie kann auch mal für sich sein und muss sich nicht den ganzen Tag nur kümmern, denn für Angehörige ist das eine extreme Belastung.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Dieser Logik folgend würden auch nur alleinstehende Menschen in Altenheime oder Pflegeheime gehen. Und eine Familie zu haben würde dann wohl automatisch bedeuten, dass diese Familie auch die nötigen Qualifikationen, die nötige Zeit und nicht zuletzt auch die nötige Motivation hat um sich rund um die Uhr um einen schwer kranken Menschen zu kümmern.

In der Realität sind viele Menschen eben keine Hausfrauen, die den ganzen Tag zu Hause sind. Viele Menschen gehen einer beruflichen Tätigkeit nach und habe ein eigenes Leben und eigene Verpflichtungen und können das nicht alles einfach so für die Pflege eines Angehörigen ausgeben. Und ganz davon abgesehen stellt sich auch die Frage, ob man das als Kranker überhaupt möchte?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Natürlich gehen auch Menschen, die nicht alleinstehend sind in ein Hospiz, wenn sie das möchten und die Zeit gekommen ist. Das ist für die Angehörigen oft nicht leicht und auch für einen Ehepartner. Denn man hat sich ja irgendwie versprochen, dass man in guten und schlechten Zeiten zueinander steht. Aber ich kenne eine Frau, die in ein Hospiz gegangen ist und der Mann tagtäglich bei ihr war. Nur hat sie die fachmännische Betreuung im Hospiz gehabt und der Ehemann wurde da entlastet, weil er zuvor alle Pflege übernommen hat.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


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