Hausbesuche von ErzieherInnen/ LehrerInnen

vom 06.08.2012, 13:26 Uhr

In manchen Fällen weiß man als Betreuungsperson ja nicht so wirklich, wie die Kinder wohnen und wie sie aufwachsen. Manches wird eher verdeckt gehalten und geben nicht so viel preis, während andere Eltern da recht offen und redselig sind. Um ein Kind optimal zu betreuen, habe ich mir schon manches Mal überlegt, ob und inwiefern es nicht Sinn machen würde, wenn man die Eltern oder eben das Elternteil und das Kind nicht einfach mal zu Hause besucht, natürlich nach Absprache.

Dabei geht es eben eher darum, die Erziehung und Betreuung zu optimieren und auch, um das Umfeld kennenzulernen, manche Verhaltensweisen vielleicht nachzuvollziehen und sich unvoreingenommen ein Bild zu machen.

Inwieweit könntet Ihr Euch vorstellen, dass solche Hausbesuche seitens der ErzieherInnen aus einer ganz gewöhnlichen Kindertageseinrichtung oder von LehrerInnen aus der allgemeinbildenden Schule in die Praxis umgesetzt werden? Wäre dies ein zu tiefer Einschnitt in die Privatsphäre, wobei so etwas eher auf freiwilliger Basis stattfinden sollte? Wann würden sich denn solche Hausbesuche am ehesten als sinnvoll betrachten?

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Ich kann mir ehrlich gesagt nicht ganz vorstellen, in welchem Rahmen das geschehen sollte. Wenn du von Erziehern redest, dann ist das ja Kindergarten und wenn du von Lehrern redest, sind wir bei der Grundschule oder einer weiterführenden Schule. Was genau soll denn dadurch nun optimiert werden? Ich meine, so eine Kindergärtnerin, aber auch eine Lehrerin hat eine Klasse oder Gruppe, im Kindergarten hatten wir jetzt so Gruppen um die 15-20 Leute, aber es gibt auch Kindergärten, die haben größere Gruppen und in der Grundschule hat eine Lehrerin meistens eine Klasse, in der weiterführenden Schule gibt es teilweise ja gar keine Klassenlehrer mehr. In einer Klasse sind mitunter doch dann aber auch an die 30 oder sogar mehr Kinder, zumindest an unserer Schule. Und wie genau soll das denn dann mit den Hausbesuchen ablaufen?

Ich meine, teilweise sind die Klassen und Gruppen ja schon so groß, dass es Lehrern kaum gelingt sich zu merken, wer sich gemeldet hat und wer nicht, wie sollen diese dann den Unterricht durch Hausbesuche optimieren? Man kennt sich einfach zu wenig, weil der Unterricht dafür keinen Freiraum lässt, man kann hier nicht individuell auf einzelne Kinder eingehen, dafür ist keine Zeit und kein Freiraum. Auch wäre das für einen Lehrer mitunter belastend, wenn dieser Morgens unterrichten müsste (viele Schulen gehen ja heute bis in den Nachmittag hinein) und sich dann auch noch um das Kind kümmern müsste, in Form eines Hausbesuches. So richtig verstehe ich ehrlich gesagt auch gar nicht, was das bewirken soll, was soll der Lehrer oder Erzieher das machen? Und wieso meint sich gerade der Lehrer oder Erzieher dazu in der Lage, hier helfen zu können und besser zu sein, als die Eltern? Nur weil Eltern nicht offen über familiäre Verhältnisse reden, bedeutet das ja nicht, dass dort etwas schief läuft.

An sich bin ich eher der Meinung, dass man das trennen sollte, die Erziehung zu Hause sollte Sache der Eltern sein und andere Erzieher oder Eltern müssen sich meiner Ansicht nach hier nicht einmischen. Als sinnvoll halte ich sowas nur dann, wenn es sich offensichtlich um Problemkinder handelt, dass bedeutet, dass Lehrern und Erziehern Kinder mit bestimmten Verhaltensstörungen auffallen, sie sehen dass das Kind irgendwie vernachlässigt wirkt, weil es dreckige oder zu kleine Kleidung trägt und ungepflegt erscheint, weiterhin könnte es ja sein, dass das Kind zu Hause geschlagen wird. Auch Problemschüler, die sehr schlechte Noten haben, könnten familiäre Probleme haben, wobei ich mich hier dann aber auch ernsthaft frage, was denn die Lehrer und Erzieher hier direkt tun können?

Der Eindruck, den man bei einem solchen Besuch bekommt, ist nicht zwingend der, der wirklich vorherrscht, man präsentiert sich gerne von der guten Seite und ich bin mir sicher, dass offensichtliche Probleme dann auch gerne unter den Teppich gekehrt werden. Soll nun ein Gespräch mit Eltern und Kind helfen? Sollen die Lehrer und Erzieher die Ursache für das Problem suchen? An sich würde ich sagen, dass sowas auch gar nicht mehr in das Aufgabenfeld der Lehrer und Erzieher fällt, gegebenenfalls kann sowas eine Schultherapeutin machen, aber wieso sollten die Lehrer zu den Schülern nach Hause kommen? Sie können keine Super Nanny spielen und ein einzelner Besuch würde am Verhalten von Kind und Eltern meiner Meinung nach auch nichts ändert, weswegen ich das einfach für keine sonderlich gute Idee halte und auch nicht wollen würde.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


@Crispin: Anlupa meint bestimmt nicht, dass jedes Kind aus der Kindergartengruppe zu Hause besucht werden soll, sondern vielleicht nur die mit eher sozial schwierigem Hintergrund, um heraus zu finden, wie man dann das Kind im Kindergarten fördern kann und wie man mit ihm umgehen sollte. Sicherlich betrifft das nur wenige Kinder und nicht die komplette Gruppe.

Wäre ich Erzieherin, könnte ich mir so etwas durchaus auch vorstellen, weil ich meinen Job so gut wie möglich machen wollen würde. Und da man wirklich nicht in die Eltern oder Kinder hinein sehen kann, könnte ein Hausbesuch schon recht sinnvoll sein im Einzelfall.

Als Elternteil allerdings würde ich da vielleicht etwas weniger tolerant reagieren und würde eher bestimmt sagen, dass ich keinen Hausbesuch haben möchte, denn alles, was man von mir wissen möchte, könnte ich auch so den Erzieherinnen in einem Einzelgespräch im Kindergarten mitteilen. Die Erzieherinnen müssten sich dann natürlich darauf verlassen können, dass das Gesagte auch der Wahrheit entspricht und das Kind wirklich so lebt und aufwächst, wie es die Eltern erzählt haben. Für mich würde das ein wenig zu weit in die Privatsphäre gehen.

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Die Idee an sich finde ich eigentlich ziemlich gut und löblich, allerdings glaube ich, dass sich das im Alltag nur schwer umsetzen lassen dürfte. Wenn man das für alle Kinder durchführen möchte, lässt sich das sicherlich zeitlich nur schwer umsetzen denke ich. Oder? Schließlich geht man als Lehrerin oder auch als Erzieherin nicht einfach aus der Einrichtung und hat den Rest des Tages Zeit für sich oder aber für Hausbesuche in anderen Familien.

Begrenzt man es jedoch auf eher "schwierige" Elternhäuser oder aber Kinder, bei denen es gilt, diese gezielt zu fördern, sehe ich die Problematik eher an anderer Stelle. Ich glaube nämlich schlichtweg nicht, dass sich alle Eltern gerne über die Schulter schauen lassen. Und ob sie sich in ihre Erziehungsmethoden oder aber in ihren gesamten Lebensstil "pfuschen" lassen wollen, wage ich auch stark zu bezweifeln. Ich denke keiner lässt sich gerne zuhause besuchen und die eigenen möglichen Fehler vor Augen führen, oder? Daher glaube ich, dass sich eher wenige Eltern freiwillig zu solchen Hausbesuchen bereiterklären würden. Und die, die es tun, werden vermutlich eher weniger Hilfe benötigen.

» milknhoney » Beiträge: 370 » Talkpoints: 2,98 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich würde so etwas nicht tolerieren und finde es auch irgendwie ein bisschen komisch. Aber zu einer Seite kann ich es verstehen, muss aber trotzdem sagen, dass ich finde, dass es ein bisschen zu sehr in die Privatsphäre eingreift. Ich weiß, ich schreibe sehr in Gegensätzen, aber ich versuche das jetzt mal zu erläutern.

Wenn ein Lehrer oder Erzieher merkt, dass sich das Kind komisch benimmt oder immer mit schmutzigen Klamotten in die Schule kommt, dann kann man schon sagen, dass ein Besuch bei dem Kind zu Hause angebracht sei, da es dem Kind anscheinend nicht gut geht in seiner momentanen Situation. Wenn das Kind allerdings sich gut benimmt und einen guten Eindruck hinterlässt, dann sollte man sich solche Hausbesuche sparen.

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» petertreter » Beiträge: 1437 » Talkpoints: -2,03 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Natürlich ist eine Umsetzung in die Realität nicht so einfach, ich habe allerdings mitbekommen, dass Einrichtungen ja auch teilweise eine enge Elternarbeit erfordern und wenn man eben das Zuhause sieht, kann man eben auch den Kontakt optimieren. Vermutlich ist so etwas auch in eher kleineren Einrichtungen möglich, so kenne ich ja zum Beispiel eine Einrichtung, die Elternabende bei den Eltern veranstaltet. Hierbei handelt es sich jedoch um eine alternative Kindertagesstätte, die nicht so viele Kinder betreut und daher ist dort so etwas wohl machbar.

Dass es ein Eingriff in die Privatsphäre ist, habe ich ja oben schon erwähnt, daher wäre es ja etwas, was auf freiwilliger Basis stattfinden könnte und kann, und nicht zwangsläufig alle Eltern zu Hause besucht. Natürlich müsste man einen solchen Besuch auch absprechen und es akzeptieren, wenn Eltern dies nicht möchten.

Bei Kindeswohlgefährdung oder Verdacht auf diese muss es sowieso an die nächste Stelle weitergeleitet werden, da kann der Kindergarten oder die Schule beziehungsweise deren Angestellte auch nichts mehr machen.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Ich bin sowohl Mutter als auch Lehrerin. Somit kann ich die Fragestellung aus beiden Sichten betrachten. Ich für mich muss aber sagen, dass ich sowohl als Lehrer und schon gar nicht als Mutter viel von der Idee halte, auch wenn ich die Grundgedanken schon durchaus nachvollziehen kann. Als Mutter würde ich mich jedoch in keinster Weise wohl fühlen. Es wäre für mich ein zu großer Eingriff in die Privatsphäre, obwohl ich nichts zu verheimlichen habe. Dennoch würde ich mich bei so einem Besuch nicht wohl fühlen und wenn es dann sowieso nur jene Familien betreffen soll, wo es eben Probleme gibt, dann fördert das nur das schlechte Gefühl.

Vor meiner Karenz habe ich in einem privaten Bildungsinstitut als Trainerin für verhaltensauffällige Jugendliche gearbeitet. Von daher kenne ich genügen Familiensituationen, wo es wirklich sehr problematisch zugegangen ist. Ein Besuch zu Hause hätte allerdings nur wenig gebracht, finde ich zumindest. Ich weiß von einigen Jugendlichen heftige Familiensituationen, die auch dem Jugendamt bekannt waren, aber gerade wenn es ordentlich heftig zugeht, können Eltern gute Schauspieler sein. Hätte ich sie zu Hause besucht, hätten sie mir auch ein schönes Schauspiel vorspielen können. Gebracht hätte es also wohl nur wenig.

Ich denke da spontan zum Beispiel an ein Mädchen, wo ich weiß, dass es ein sehr unschönes und ungemütliches Zimmer im Keller hatte. Es war nun nicht wirklich wie ein Gefängnis, aber ein würdiger Wohnraum war es jedenfalls auch nicht. Gesehen habe ich das Zimmer nicht persönlich, aber die Schilderungen von dem Mädchen und auch die Bestätigungen von ihren Freunden haben mir ein Bild gegeben. Was hätte es gebracht, wenn ich dieses Zimmer selber gesehen hätte und mit den Eltern gesprochen hätte? Ich fürchte nichts. Schade, ist aber so. Der Fall war dem Jugendamt bekannt und dennoch hat es nicht viel gebracht.

Einblick in den Erziehungsstil bekommt man durch so einen Wohnungsbesuch, vor allem wenn er einmalig sein sollte, auch nicht. Wie auch? Eventuell kommt es sogar zu einem falschen Trugbild. Ich kenne Familien, wo ich mich frage, wie man so nur hausen kann. Die Wohnung einer Freundin von mir ist regelrecht verwüstet und vom Zusammenräumen hält sie genau nichts. Ich kann persönlich nicht nachvollziehen, wie man seine Kinder so hausen lassen kann. Da ich besagte Freundin aber gut kenne und auch viel Kontakt zu ihr habe, weiß ich, dass sie zu ihren beiden Kindern äußerst liebevoll ist und ihre Kinder auch eine sehr gute Erziehung genießen. Den Kindern fehlt es eigentlich an nichts, nur wohnen sie halt leider in einer nicht gerade zusammengeräumten Umgebung. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Bild der Wohnung viele auf falsche Gedanken bringen könnte.

Auf der anderen Seite kenne ich auch Wohnungen, die blitzeblank sind, alles scheint perfekt zu sein. Mami, Papi, Kind und treuer Hund in einer funkelnden Vorzeigewohnung. Papi ist auf den ersten Blick auch ein Vorzeigekandidat und man könnte ihn für ein Bilderbuch verwenden. Aber eben nur auf den ersten Blick. Ich weiß von diesem Papi, dass er alles andere als einen harmonischen und liebevollen Erziehungsstil hat. Die Kinder dieser Familie sind bereits erwachsen. In der Familie gibt es zwei Kinder. Das eine Kind hat in der Pubertät eine heftige Magersucht entwickelt, das andere Kind ist von zu Hause sehr früh geflüchtet.

So eine Wohnung verrät also nicht wirklich viel. Zugegeben, ich habe gerade zwei extremere Beispiele genannt, aber so selten kommen beide Extreme glaube ich gar nicht vor. Und selbst wenn man nun mehr an die "normalen" Familien denkt, frage ich mich, was so ein Familien-Wohnungsbesuch bringen soll? Stellst du dir da einen regelmäßigen Besuch vor? Selbst wenn diese Elternabende eben bei einer Familie zu Hause sind, dann kann das für die Organisation der Räumlichkeiten praktisch und nett sein, aber viel mehr Einblick in das Familienleben bekommt man dadurch denke ich nun auch nicht.

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» tournesol » Beiträge: 7749 » Talkpoints: 66,19 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich unrealistisch. Es wird jetzt schon kritisiert, dass zu wenig Kinderbetreuung existiert und Erzieher sind Mangelware und man braucht deutlich mehr davon. Wenn die Erzieher jetzt noch regelmäßig Hausbesuche veranstalten würden, dann würde das doch deutlich mehr Zeit fressen und die Überlastung würde zunehmen. Daher halte ich das für wenig praktikabel und bin der Ansicht, dass man sich da eher auf andere Dinge konzentrieren und die Prioritäten anders legen sollte.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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