Wie nutzen Blinde Menschen das Internet?

vom 28.09.2009, 19:14 Uhr

Durch Zufall habe ich im Internet einen alten Bekannten wieder getroffen, der schon von Geburt an ein Augenleiden hat und mittlerweile blind ist. Er leitet ein kleines Internetradio und schreibt mir auch regelmäßig Mails. Ich mag ihn nicht fragen, wie er das alles bewerkstelligt, weil ich es doch etwas zu persönlich finde und ich will ihn nicht kränken.

Vielleicht könnt ihr mir ja weiterhelfen. Wie können blinde Menschen sich so gut im Internet auskennen und Mails lesen und schreiben? Kann es sein, dass sie eine Tastatur mit Blindenschrift haben? Er schreibt auch Zeichen der Chattersprache, die ja für blinde Menschen auch nicht so geläufig sind. Er fügt Smilies ein und er antwortet auf meine Mails immer sehr ausführlich.

Ich bewunder es, wenn blinde Menschen so gut mit ihrem Handicap zurecht kommen. Würde aber auch gerne wissen, wie man so damit zurecht kommen kann.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was an der Frage persönlich oder gar kränkend sein soll. Ich weiß von Leuten, die in der gleichen Situation wie dein Bekannter sind, dass sie es eher kränkend finden, wenn sie so eine Sonderbehandlung bekommen, also wenn Themen, die offensichtlich sind nicht angesprochen werden.

Aber zurück zu deiner Frage - viele Menschen, auch Sehende, sind in der Lage blind zu schreiben. Ich schaue auch nur noch sehr selten auf meine Tastatur wenn ich etwas schreibe und ich habe das nicht mal gelernt. Wenn man einen Maschinenschreibkurs belegt ist man mit Sicherheit noch wesentlich schneller und sicherer als ich es bin. Zur Orientierung, wo die Finger aufgesetzt werden müssen haben viele Tastaturen auf dem F und dem J eine Erhebung. Etwas Vergleichbares gibt es übrigens auf den Tastaturen der Handys, dort ist die Erhebung auf der 5.

Zum Lesen von Texten im Internet gibt es ein Programm, das diese in Sprache umwandelt. Vielleicht hast du schon mal gesehen, dass es von manchen Behördenseiten eine "barrierefreie" Version gibt, die dann komplett auf Text basiert, denn Flash Elemente und Text auf Bilddateien, kann das Programm natürlich nicht einlesen. Und dieses Programm kann man sicher auch benutzen um sich seine E-mail die man gerade geschrieben hat vorlesen zu lassen, falls sich doch mal ein Fehler eingeschlichen hat.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Zusätzlich zu der bereits erläuterten Sprachausgabe, durch die blinde Menschen die Texte durch eine synthetische Stimme vorgelesen bekommen, verfügen die meisten Rechner für Blinde noch über eine so genannte Braille-Zeile. Das ist ein Gerät, in dessen Inneren sich viele kleine Stifte befinden, die normalerweise im Gerät verborgen sind, dann aber hervorkommen, wenn ein bestimmter Buchstabe gefragt ist und selbstverständlich auch wieder verschwinden, wenn etwas Anderes angezeigt werden soll. Diese Stiftchen sehen aus wie die normalen Punkte der Blindenschrift. Vereinfacht könnte man also sagen, dass der blinde Benutzer den Bildschirminhalt auf dieser Zeile, die in der Regel 40 bis 80 Zeichen darstellen kann, in Blindenschrift liest.

Mit dieser Zeile lässt sich überdies auch der auf dem Bildschirm sichtbare Cursor steuern. Über jedem Blindenschrift-Zeichen auf der Braille-Zeile befindet sich eine kleine Taste, die man drücken kann, um den Cursor an die gewünschte Stelle zu befördern. Viele Zeilen verfügen auch über zusätzliche Funktionen, ermöglichen es dem Nutzer beispielsweise, durch Tastendruck den nächsten Absatz oder die nächste Seite eines Texts anzusteuern.

Die Sprachausgabe liest außerdem nicht nur stur den Bildschirm-Text herunter, sondern verrät dem Nutzer weit mehr über den Aufbau der Seite. Sie sagt genau an, wo sich ein Link befindet, den man anklicken kann, dasselbe geschieht auch mit den Eingabefeldern. Auf Wunsch kann man zudem zumindest in Textverarbeitungsprogrammen auch die Farbe, Größe und Art der verwendeten Schrift erfahren. Selbstverständlich beschreibt dieses Programm keine Graphiken, sehr wohl teilt es aber mit, an welcher Stelle einer Internetseite sich eine Graphik befindet, vorausgesetzt, die Graphik ist benannt oder trägt eine Überschrift. So kann der blinde Nutzer zwar mit der Graphik selbst erst einmal nichts anfangen, aber er weiß um ihre Existenz und kann somit auch einen sehenden Helfer dazu befragen.

Was die Chat-Zeichen, vor allem die Smilies, betrifft, so kann man diese Sprachausgabe diesbezüglich individuell einstellen, wobei manche Smilies bereits automatisch erkannt werden. Die Abfolge aus einem Strichpunkt, einem Bindestrich und einer geschlossenen Klammer wird von vielen Programmen somit bereits als „zwinkerndes Smilie“ vorgelesen. Ist die Erkennung weiterer Zeichen gewünscht, so kann dies in einer Art Aussprache-Wörterbuch festgehalten werden. In ein Feld trägt man dabei den Smilie ein, sowie er auf dem Bildschirm steht, in das andere Feld wird geschrieben, wie das Programm diese Zeichenabfolge aussprechen soll. Trage ich beispielsweise in das Feld für die eigentliche Zeichenabfolge den Smilie ":?" ein und schreibe in das Feld für den Aussprache-Wunsch „verwirrtes Smilie“, dann liest die Software, jedes Mal wenn sie den Smilie auf dem Bildschirm erkennt, die Worte „verwirrtes Smilie“ vor.

Man sieht schon, die Möglichkeiten sind sehr vielfältig, wobei ich hier nur einiges angerissen habe. Es ist Blinden durch diese spezielle Software beinahe alles möglich, das beginnt bei der Nutzung von Chat-Räumen und endet bei der Bedienung des Flash-Players, wobei durchaus noch zu erwähnen ist, dass ständig daran gearbeitet wird, die Technologie weiterhin zu verbessern.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



@Anemone! Ich habe in diesem Thread gelesen Praktikum im sozialen Bereich gesucht dass du selber blind bist und ich bewundere es, wie du hier schreibst. Gibst du den Text dann per Blindenschrift ein oder durch eine Sprachsoftware? Ich selber hatte mal vor ein paar Jahren eine Sprachsoftware. Da musste man aber erst mal etliche Texte in den PC lesen, damit er die Stimme überhaupt versteht. Ist das mittlerweile anders oder ist diese Software für Blinde Menschen einfach besser?

Ich finde es toll, dass blinde Menschen so "sprechen" können und dass sie sich der ganzen Welt mitteilen können. So wie du das beschreibst ist das ja gar nicht so schwer zu handhaben. Aber meine Bewunderung hast du.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ein früherer Kollege von mir ist auch blind, und er hat fast auschliesslich am Computer gearbeitet. Was das Tippen an sich angeht, wurde ja schon gesagt, dass viele sehende Menschen auch blind tippen können, ohne auf die Tastatur schauen zu müssen, das ist also kein Problem. Mein Kollege hatte dann noch ein Programm bzw eine Art Gerät, was mit an dem Computer angeschlossen ist und ihm vorgelesen hat. Er konnte dann mit einem Regler in die verschiedenen Zeilen einer Internetseite gehen und die wurden ihm dann von dem Programm vorgelesen. Dazu kennt er auch alle Kurzbefehle (weiss grad nicht genau, wie man das nennt), also konnte er damit diverse Sachen aufmachen oder anklicken, die sehende Menschen mit der Maus erreichen können (neues Fenster öffnen, Tabs wechseln, Programme öffnen usw).

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» Nana_2011 » Beiträge: 2250 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


@Diamante: Grundsätzlich ist es schon richtig, was hier gesagt wurde: Die meisten Blinden, darunter auch ich, geben ihren Text über die normale Tastatur des Computers ein. Viele Menschen, die heute am Computer arbeiten, sind auch in der Lage, blind zu tippen, das kann jemand, der wirklich blind ist, somit auch. An vielen Blindenschulen wird heute das Zehnfingersystem schon in jungen Jahren unterrichtet, weil die meisten blinden Jugendlichen bereits am Computer arbeiten müssen.

Das Prinzip dieses Unterrichts ist eigentlich sehr einfach: man zeigt den Blinden zuerst, woran sie sich orientieren können, an den meisten Computertastaturen sind zum Beispiel die Buchstaben „F“ und „j“ mit einem kleinen Strich markiert, sodass man dadurch in der Lage ist, die Finger richtig zu platzieren. Anschließend erklärt man ihnen von dieser Ausgangsposition aus, wo welcher Buchstabe auf der Tastatur zu finden ist. Die meisten Blinden lernen das tippen auch noch auf elektrischen Schreibmaschinen, anstatt auf dem PC, weil die Anschläge besser zu hören sind und man somit eher ein Gefühl dafür bekommt, wie fest man tippen muss. Mit der Sprachsoftware, die ich in meinem ersten beitrag ja schon erwähnte, kann man sich natürlich auch den selbst getippten Text vorlesen lassen und somit auch die eigenen Fehler finden. Zusätzlich unterstütz diese Software auch Rechtschreibprüfungen, wie z.B. diejenige von Word und sagt an, wo das Rechtschreibprogramm einen Fehler markiert hat.

Die Programme, die Sprache in Text umwandeln können, gibt es natürlich auch. Ich habe eines davon vor einiger Zeit einmal ausprobiert, war aber mit dem Ergebnis weniger zufrieden, weil ich mich teilweise sehr oft wiederholen musste, bis ich richtig verstanden wurde. Auch musste ich den eingesprochenen Text danach immer noch einmal durchsehen, weil ich mich beispielsweise nicht auf die Groß- und Kleinschreibung verlassen konnte. In der Zeit, die ich brauchte, um den Text einzusprechen und Korrektur zu lesen, hätte ich ihn dreimal tippen können.

Es gibt neben der Computertastatur aber auch noch so genannte Braille-Tastaturen, die entweder zusätzlich an den Computer angeschlossen werden oder schon in der Braille-Zeile, die ich in meinem vorigen Beitrag erwähnte, integriert sind. Die aus sechs Punkten bestehende Blindenschrift ist ja sicherlich jedem ein Begriff und mit dieser Schrift schreiben die meisten Blinden auch zu Anfang noch, wobei dazu meist Maschinen verwendet werden, die für jeden Punkt eine Taste, also sechs Tasten, besitzen. Die Braille-Tastaturen funktionieren nach dem Prinzip dieser Blindenschriftmaschine, das heißt, der Nutzer kann durch diese spezielle Tastatur Blindenschrift eingeben, die von einem Programm so umgewandelt wird, dass sie auf dem Bildschirm als normale Schrift dargestellt werden kann.

Jemandem, der das Zehnfingertippen bereits gelernt hat, werden diese Braille-Tastaturen aber in der Regel nicht empfohlen, weil man damit ein wenig langsamer ist, als auf der normalen Tastatur. Zusätzlich besteht das Problem, dass nicht alles optimal umgewandelt werden kann. Die Blindenschriftbuchstaben und -zahlen erkennt der Computer natürlich und kann sie entsprechend übertragen, schwierig wird es aber beispielsweise bei mathematischen Sonderzeichen; hier kommt es oft zu Übertragungsfehlern. Deshalb ist der konventionelle Weg des Tippens immer noch der, der von den meisten Hilfsmittelberatern empfohlen wird.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich finde, dass Anemone das schon sehr gut erklärt hat, wie Blinde sich im Internet oder am Computer orientieren können. Meine Kollegin ist ebenfalls blind von Geburt an und da beobachte ich auch, dass sie so eine spezielle Tastatur mit Braille-Zeile hat und auch Kopfhörer auf Arbeit benutzt, damit sie die Sprachausgabe verwenden kann und so eben "sieht", wo sich was befindet. Sie schreibt auch regelmäßig Emails an alle und sie findet sich da sehr gut zurecht. Ich wüsste auch nicht, was so schlimm daran sein soll, eine blinde Person direkt anzusprechen. Meine Kollegin ist da total aufgeschlossen und beantwortet geduldig alle Fragen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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