Wegen sozialer Ängste in mündlicher Prüfung schlechte Note

vom 10.06.2015, 23:05 Uhr

Eine Bekannte von mir macht gerade ihre Ausbildung zur Fachinformatikerin und ist in dem, was sie macht eigentlich sehr gut. Sie hilft auch oft Bekannten und kannte sich schon vor dem Beginn der Ausbildung gut aus. Im Rahmen der Ausbildung muss sie manchmal Klausuren oder Leistungstests schreiben und da hat sie immer eine 1 gehabt.

Allerdings hat sie Angst davor, vor anderen zu sprechen. Leider muss sie aber eine mündliche Prüfung absolvieren und auch einen Vortrag über ihr praktisches Projekt halten. Bzw. musste sie das, denn das ist schon vorbei. Und da war sie gar nicht gut.

In der mündlichen Prüfung ist sie knapp an der 4 vorbeigeschrammt und in dem Vortrag hat sie eine 3 – obwohl sie sonst in allen schriftlichen Tests immer eine 1 hat. Sie meinte zwar das sei schon ok, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es sie schon wurmt.

Ich denke, dass das nicht an mangelndem Wissen oder Lernen liegt, sondern dran, dass sie eben so extrem ungern vor anderen redet und da vermutlich richtig gehemmt war, was in der Prüfung vielleicht nicht so gut ankommt.

Sie hat mir schon vorher gesagt, dass sie sich vor dem Vortrag fürchtet. Ich hatte ihr Tavor angeboten, weil ich manchmal eine nehme, wenn ich an der Uni vor den Professoren einen Vortrag machen muss, damit ich cool wirke. Sie wollte aber nichts haben.

Sollte man das nicht irgendwie berücksichtigen, wenn Leute in der mündlichen Prüfung nur deswegen schlecht sind, weil sie nicht gut vor anderen reden können? Ist das nicht unfair, sie deswegen schlecht zu bewerten, weil sie ja nichts dafür kann? Hat man eine Handhabe dagegen, dass Menschen nur wegen Schüchternheit schlecht bewertet werden?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



In gewisser Weise ist das schon unfair, aber es gleicht sich ja durchaus aus, wenn manche Menschen nicht gut schreiben können. Wobei ich es durchaus auch besser finden würde, wenn man dann die Auswahl hätte eine Ausarbeitung abgeben oder einen Vortrag halten könnte. Zumindest wenn die Note so abweicht, muss da eigentlich etwas gemacht werden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


War deine Bekannte denn deswegen in Behandlung oder hat sich darüber beim Uni-Psychologen beraten lassen? Der kann möglicherweise helfen. Stellt sich eben die Frage, wo hier das Problem liegt, also ob es nur die mangelhafte Routine ist und sie das durch mehr Üben vor dem Spiegel hätte ausbügeln können oder ob die Ursache woanders liegt.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Irgendwo unfair ist es schon, aber ich bin mir auch nicht sicher, wie man dies ausgleichen kann, und vor allem, wo man die Grenze zieht. Viele Leute hassen mündliche Prüfungen und sind vorher nervös, beispielsweise weil sie jung und leicht zu beeindrucken sind, wenn da ein wichtiger Uni-Mensch mit strenger Miene dasitzt, oder einfach aus mangelnder Übung.

Einerseits darf man als Prüfling hier durchaus auf ein gewisses Verständnis hoffen, weil der Mensch auf der anderen Seite auch oft genug in irgendwelchen Prüfungen gesessen ist, andererseits muss man aber dennoch Antworten liefern. Woher soll der Prüfende auch wissen, ob die Person kein Wort herausbringt, weil sie sich nicht vorbereitet hat oder weil ihr ihre Psyche einen Strich durch die Rechnung macht?

Ich könnte mir vorstellen, dass es hilfreich ist, rechtzeitig vorher ein fachärztliches Attest zu liefern und mit den zuständigen Leuten zu sprechen, ob es vielleicht möglich ist, die Prüfungszeit zu verlängern oder als Erstes dranzukommen oder ähnliches. Bei schriftlichen Prüfungen gibt es schließlich auch Sonderregeln für Leute mit Behinderungen oder Krankheiten. Aber wenn die sozialen Ängste auch da im Weg stehen, fällt mir auch nichts mehr ein.

Schließlich tut man niemandem einen Gefallen, wenn man Leute durch Prüfungen schleust, die dann im Berufsleben dennoch versagen, weil in so gut wie jeder Branche kommunikative Fähigkeiten gefragt sind. Was nützt dir ein Abschluss, wenn du dann in jedem Vorstellungsgespräch entweder unter Drogen stehst (super Tipp, direkter Weg in die Abhängigkeit) oder mit hochrotem Kopf Schnappatmung vorführst? Oder kein Kundengespräch führen kannst, weil du dich "fürchtest"?

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde es nicht unfair. Klar könnte man jetzt so argumentieren, dass sie ja eigentlich den Stoff gut beherrscht und ihn nur doof rübergebracht hat, also die schlechte Note theoretisch nicht verdient hat, aber fair wäre es anderen gegenüber nicht. Schließlich liegt es im Ermessen des Lehrers den Schüler und seine Leistungen zu beurteilen.

Ein Lehrer hat ja nicht nur diesen einen Schüler und hat nicht die Zeit zu prüfen, was die Ursache für ein Versagen war oder ob der Schüler es hätte besser machen können. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Kann man in der Schule nicht zum angekündigten Zeitpunkt sein Wissen abrufen und gut vermitteln, wirkt sich das auf die Note aus.

Und außerdem weiß doch das Mädchen, um das es hier gerade geht, dass sie Probleme oder Schwächen im Mündlichen hat. Also hätte sie auch früh genug etwas dagegen tun können. Ob jetzt einfache Übungen reichen oder sie eine Therapie machen muss, ist ganz ihr überlassen. Wenn sie nicht an sich arbeitet, geht sie langfristig in unserer Gesellschaft leider unter.

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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