Psychokulinarik oder: Solange ich nix weiß, schmeckt.

vom 26.07.2008, 21:11 Uhr

Ich wühlte gerade im Hunde- und Katzenfutter-probierthread vor mich hin und stieß auf Anmerkungen wie: "Innereien kann ich nicht essen. Allein das Bewusstsein darüber, dass es sich um so etwas handelt, tötet jede Genussfreude in mir ab.".

Das geht mir ganz genauso und es erinnerte mich an eine kuriose Sache aus meiner Jugendzeit, also gar nicht so lange her: Ich kam am einem Mittag aus der Schule zurück, wie man das als Schüler mittags manchmal so tut. Freudig und hungrig war ich, denn meine Mutter hatte mir, bevor sie irgendwohin wegverschwunden war, doch sicher was feines bereitet. Hatte sie auch, ich konnte nur nicht so recht ausmachen, was das sein sollte: Etwas fremdartig, exotisch, irgendwie auch mit Kokos und seltener Gewürzeeinlage. Ein Gericht, das wie eine Suppe aussah, in der lauter kleine Sachen schmorten und schwammen. Ich füllte mir auf, kostete und war völlig begeistert. Uii, was auch immer da Kleines drintrieb, es war neben klein auch sehr fein und auch schmackhaft!

Nachdem ich noch zwei weitere Teller vom dem Teufelszeug leergefegt hatte, beschloss ich, meine Mutter am Abend dafür sehr zu loben und danach den Topf nochmal aufzusuchen, denn ein paar kleine Dinger mit Kokospampe waren da noch... - Das lobgespräch ergab dann schließlich, dass es sich bei den Dingern um Krabben handelte. Mir wurde mulmig: Krabben? Fand ich die gut? Ich hatte sie ja erstmals gegessen, aber ich dachte, dass es was gewesen wäre, das nicht so fürchterlich im Salzwasserschlick herumkrauchelte, als es noch lebte.

Kurz und gut: Ich konnte sie nicht mehr essen. Hab kein einziges von den Tierchen, die mich am mittag zuvor noch so erfreut hatten, runterbekommen. Und ich bin mir nicht sicher, ob das nun so ein Vorteil ist, mit dem Bewusstsein beim Essen? Da bringt das moral-empfinden einen doch um die Genussfähigkeit. Kennt ihr ähnliche Sachverhalte oder habt tipps, wie man so eine Sache auflösen kann? Die Psyche isst wirklich ganz gehörig mit...

» Schnibbeldiwapp » Beiträge: 262 » Talkpoints: 35,07 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo!

Bei uns hat man immer gesagt "Wat der Buur net kennt, dat frit er net". Auf deutsch, "Was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht.

Aber ich muss ehrlich auch sagen, dass ich, was ich nciht kenne auch probiere und was mir dann schmeckt , ich auch imemr wieder essen würde. So hat eine Mutter einer Klassenkameradin (Milchkuhbäuerin) mal einen Braten gemacht und mich mit zum Essen eingeladen. Es war wirklich lecker und ich fragte mich, was es für Fleisch ist, was so zart war und so lecker schmeckte. Es war Kuheuter. Ich würde mich freuen, wenn ich das heute noch mal essen könnte. Aber keine Metzgerei verkauft Kuheuter.

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Und du würdest das Euter auch heute noch so freudig aufessen wie zu der Zeit, als du noch nicht wusstest, dass es eins war? Hmm, spannend! Dann gibt es da Unterschiede von Mensch zu Mensch. Immer, wenn ich heute ein Meertier in den Mund stecke, das noch ziemlich naturbelassen ist, nicht paniert also vor allem, schwingt der Gedanke an schlammiges Wasser und Algenfelder und tote Korallen mit. ;) Natürlich nicht bewusst so gedacht, aber irgendeine Urangst ist das schon, vielleicht ist dieser Krabbenschock da DER entscheidende Einschnitt gewesen.

Wäre mal ein Thema für eine Umfrage: Ich glaube, es gibt beispielsweise mehr Fischhasser, als Fischmöger. Und ich denke auch, dass viele die Fisch-esserei deshalb ablehnen, weil alles so meerig riecht. Ich hör mich mal um! Vielleicht hat noch jemand was Spannendes zum Thema. Bin ja sowieso schonmal ganz erfreut, dass mein erstes eigenes Thema nach der Registrierung schon so schnell eine Antwort hat!

» Schnibbeldiwapp » Beiträge: 262 » Talkpoints: 35,07 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo zusammen,
ich bin ein Wat der Buur net kennt, dat frit er net Typ, ich muss immer wissen, was ich gerade esse. Also nicht so genau, das man mir alle Konservierungsstoffe aufzählen muss oder so. Ich war drei Jahre lang Vegetarierin und da gewöhnt man sich einfach an, immer nach zu fragen was genau es ist.

Das Phänomen, das einem Dinge schmecken so lange man nicht weis was es ist kenne ich gut. Ein Beispiel ich hatte in der Schule ein Wurstbrötchen dabei, natürlich keine echte Wurst, Soja und so weiter. Ließ meine Freundin abbeißen und fragte wie es schmeckt, lecker war die Antwort. Doch wenn ich dann sagte, das es keine echte Wurst ist, war es dann doch nicht mehr so lecker sondern bäh.

Was die Meerestiere angeht, so habe ich als kleines Kind sehr gerne Shrimps, die im Glas. Mir haben die echt gut geschmeckt, bis mir meine Mutter mal sagte, was das genau ist. Zeit dem hab ich nie wieder welche gegessen. Und das Calamari Ringe, Tintenfischarme ( mir fällt gerade der Richtige Ausdruck dafür nicht ein) sind, war damals auch ein Schock für mich. Als kleines Kind macht man sich da ja nicht so Gedanken, wenn es schmeckt dann schmeckt es. Doch wenn man es dann weis ist es nicht mehr so lecker. Schon komisch wie unser Bewusstsein den Geschmackssinn beeinflusst. Eine reine Kopfsache.

Benutzeravatar

» Weinlachgummi » Beiträge: 879 » Talkpoints: -0,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Hmm, eigentlich ist das nicht nur komisch, sondern auch etwas bedenklich und vielleicht gefährlich. Was man da gegenüber Innereien, Krabben oder Pflanzenwurst im Kopf sitzen hat, sind ja im Grunde nichts anderes, als hartnäckige Vorurteile. Und am eingeschränkten Genuss oder der totalen Ablehnung sieht man dann ja, was solche Vorbehalte für eine Macht aufs Handeln und Empfinden haben, wenn sie erstmal in Kraft sind. Vielleicht war es im übertragenen Sinn wie Rassismus von mir, die Krabben zuerst lecker zu finden und danach nicht mehr anrühren zu können, weil ich wusste, was sie waren? So ein bisschen ja schon.

Auch wenn das Essen nunmal eine vergleichsweise harmlose Sache ist. Und man kann ja nun auch nicht verlangen, dass jedem einfach alles schmeckt, das wäre zwar unheimlich li liberal und so weiter, aber Subjektivität wird ja wohl noch sein dürfen. In diesem Fall sagte mir ja die Subjektivität aber, dass die Tierchen gut schmeckten, aber als sie Krabben waren, sprach noch wer anders mit in der Denkzentrale...

» Schnibbeldiwapp » Beiträge: 262 » Talkpoints: 35,07 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Dieses Phänomen hat ein Bio-Lehrer mal ausgenutzt, als wir in der Fünften Klasse waren. Viele meiner Mitschüler (ich sicher auch), waren auch von der Vorurteilsfraktion. Als Hausaufgabe durften wir zur nächsten Stunde einen Teelöffel mitbringen. In der nächsten Stunde dann durften wir aus einer großen Schüssel etwas uns Unbekanntes in weißem Dressing probieren, wer mochte sogar ein zweites Mal. Erst dann erklärte unser Lehrer, was wir da gerade gegessen hatten und was fast allen sehr gut geschmeckt hatte: Calamaris - für uns Kinder etwas bis dahin Unbekanntes. Die Gespräche dazu, dass man eben bestimmte Lebensmittel nicht ablehnen sollte, nur weil man sie aus irgendeinem Grund nicht positiv in Erinnerung hat, haben mir auf jeden Fall sehr geholfen. So bin ich auch heute noch sehr experimentierfreudig. Als ob da wirklich eine klitzekleine Verschaltung bei mir etwas anders ist - erst mal probieren und dann erst urteilen.

Auch was ich nicht sehr mag, probiere ich zumindest in neuen Kombinationen. Manchmal bin ich sogar erstaunt, wie gut das schmeckt. So hatte ich auch mal von Tofu nicht viel Gutes gehört, meine Erfahrung in der Schule lockte mich aber doch mal ein Gericht zu kosten. Und es war lecker, bei anderen, die erst kosteten und dann erfuhren, dass die Bolognese nicht mit Hackfleisch sondern mit Tofu zubereitet war, habe ich dann bemerkt, dass dann im Kopf tatsächlich noch etwas zugeschaltet wurde und sie keinen Bissen mehr hinunter bekamen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich gehöre dann wohl eher der Kategorie "Allesfresser" an, ich probiere so gut wie alles, auch wenn ich weiss, was es ist. Mein Ekelempfinden tritt eigentlich erst da in Kraft, wo es um Insekten, Maden und ähnliches geht. Es mag ja in manchen Kulturen normal sein, so etwas zu essen und selbst in Deutschland gibt es Lokale, wo so etwas angeboten wird, aber das für mich dann bitte nicht.

Ich habe nahezu alles schon gegessen, wo manch einer angeekelt das Gesicht verziehen würde, Schnecken, Muscheln, Aal, Froschschenkel usw., die hier erwähnten Krabben liebe ich geradezu, am liebsten pur auf einem Brötchen.

Angeschmiert hat man mich mal als Kind, mit einem Sauerbraten, den ich sehr gern mochte. Ich hätte damals im Leben kein Pferdefleisch gegessen, ich fand das einfach ekelhaft und war noch dazu eine Pferdenärrin. Eines Sonntags gab es dann Sauerbraten, ich habe gegessen wie immer, bis dann die Frage von meiner Mutter kam "und schmeckts? Das ist Pferdefleisch". Mir ist nicht nur sprichwörtlich alles aus dem Gesicht gefallen, sondern ich bin zur Toilette gerannt und habe alles wieder erbrochen.

Inzwischen habe ich schon öfter Wurst oder Fleisch vom Pferd gegessen, geschmeckt hat mir das nicht besonders, aber ich war zu Gast und habe es dann eben gegessen.

Benutzeravatar

» Zwieback » Beiträge: 722 » Talkpoints: 20,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Schnibbeldiwapp hat geschrieben:Und du würdest das Euter auch heute noch so freudig aufessen wie zu der Zeit, als du noch nicht wusstest, dass es eins war? !

Hallo!

Ja, das würde ich, weil es wirklich lecker geschmeckt hat. Und ich bin da auch nicht vorurteilsfrei. Ich probiere alles, was essbar ist und wenn es mir schmeckt, würde ich es auch weiterhin essen. Einzige Ausnahme wären wohl lebende Insekten . Denn das ist nicht so, weil es mir evt. nicht schmecken würde, sondern, weil ich mich einfach davor ekel.

Kulinarische Sachen allerdings würde ich immer probieren und ggf auch weiter essen oder eben sagen, dass es mir einfach nicht schmeckt.

Ich habe zum Beispiel auch schon mal Biberratte gegessen. Und als man mir sagte, was es ist, habe ich nicht aufgehört zu essen, sondern auch aufgegessen. Es ist ein sehr zartes Fleisch, was auch ein wenig "wild" schmeckt.

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Moral Empfinden beim Essen kann ich nicht wirklich verstehen. Ich meine, entweder man akzeptiert, dass Lebewesen getötet werden und auf seinem Teller landen oder man akzeptiert es nicht und wird Vegetarier.
Aber das Leute genüsslich ihr Schnitzel essen und erzählen dass sie dieses und jenes Tier ja nie essen würden und das das ja soooo eklig ist, das kann ich nicht nachvollziehen. Schnitzel wachsen auch nicht auf den Bäumen.
Und ich verstehe auch Leute nicht, die behaupten etwas nicht zu mögen ohne es ja probiert zu haben. Das macht nicht wirklich Sinn.

Ich esse trotzdem längst nicht alles, aber ich bin bereit fast alles zu probieren und mir erst danach ein Urteil zu bilden. Quallen schmecken übrigens genauso wie man sie sich vorstellt. Meerwasser in fest. :lol:

PS: Ich bin Fischmöger und Fischstäbchenhasser. Ich mag es gar nicht wenn Fisch in Panade und Fett schwimmt. Fish and Chips gehen auch gar nicht.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Schnibbeldiwapp hat geschrieben:Wäre mal ein Thema für eine Umfrage: Ich glaube, es gibt beispielsweise mehr Fischhasser, als Fischmöger. Und ich denke auch, dass viele die Fisch-esserei deshalb ablehnen, weil alles so meerig riecht. Ich hör mich mal um! Vielleicht hat noch jemand was Spannendes zum Thema. Bin ja sowieso schonmal ganz erfreut, dass mein erstes eigenes Thema nach der Registrierung schon so schnell eine Antwort hat!


Ich liebe Meerestiere, Krabben mag ich besonders gern. Am liebsten eine Tuete Krabben fangfrisch vom Kutter und dann selbst pulen, unvergleichlich lecker!

Ich kann verstehen, dass Leute Fisch oder Meeresfruechte nicht moegen, weil sie so fischig und nach Meer riechen und/oder schmecken. Das muss aber nicht so sein und teilweise ist es ein Zeichen von mangelnder Qualitaet. Es gibt riesige Unterschiede, was Sorten und Geschmack angeht. Und guter Fisch schmeckt eben ueberhaupt nicht fischig oder nach Meerwasser! Bei Austern muss ich allerdings zugeben, dass ich sie selbst meerig finde und ohne ordentlich Sosse drauf nicht runterkriegen wuerde.

So ein Erlebnis, etwas unbekanntes zu essen und hinterher zu erfahren, dass es etwas "sonderbares" war, hatte ich bisher nur einmal mit einem Kaninchenbraten. Allerdings war der schon so in Stuecke zerlegt, dass man nicht sehen konnte welches Tier es einmal gewesen ist. Das hat die Tante wohl extra so gemacht, damit ich unvoreingenommen probiere. Hat ja auch funktioniert.

Natuerlich war ich erstmal ein wenig geschockt, als ich erfuhr dass es sich um so ein niedliches Tier handelte. Aber dann hab ich mir gedacht, dass das ziemlich heuchlerisch waere, ein Kaninchen nicht essen zu wollen, weil es so ein schoenes Tier ist, waehrend es mir bei Kuh, Schwein oder gar Lamm doch auch nichts ausmacht. Seither esse ich jedenfalls auch Kaninchen, wenn es das gibt.

Ich bemuehe mich jedenfalls aufgeschlossen zu sein und alles wenigstens einmal auszuprobieren. Na ja abgesehen von ganz krassen Dingen wie halb ausgebruetete Kueken oder aehnliches.

Daran stoert mich aber vor allem der Gedanke, dass die Konsistenz teilweise weich und teilweise hart sein muss. Diese Kombination mag ich einfach ueberhaupt nicht, selbst wenn es nur harmlose Mandelblaettchen im leckeren Schokopudding sind, wird mir davon ganz anders...

Benutzeravatar

» misspider » Beiträge: 1964 » Talkpoints: 6,69 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^