Was war eurer Meinung in der DDR besser als in der BRD?

vom 03.10.2013, 21:08 Uhr

Gerade heute hört man im Radio und im Fernsehen ja viel von der damaligen DDR. Ich selber habe es ja nicht erlebt und bin ein Kind des vereinten Deutschlands. Aber oft wird auch davon geredet, dass die DDR ja gar nicht so schlimm war, wie viele "Wessis" denken. In den Filmen wird oft das Klischee soweit heraus geholt, dass man denkt, die DDR war am Ende der Welt.

Hier im Forum gibt es ja einige, die die DDR mit erlebt haben, in der DDR gelebt haben und den Mauerfall mit erlebt haben. Was war eurer Meinung nach besser in der DDR als in der BRD? Wurde aus der DDR auch viel in das vereinte Deutschland getragen oder ist dass, was in der DDR gut war Vergangenheit? War die DDR wirklich so schlimm, wie in den Medien oft erzählt wird? Wie habt ihr die DDR erlebt?

Benutzeravatar

» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Aus den Erzählungen heraus war die DDR auf jeden Fall so schlimm wie sie in den Medien dargestellt wird. Ich meine, man wurde immer überwacht, hatte keine Auswahl bei Lebensmitteln, sondern musste in langen Schlangen anstehen und das nehmen was da war und es wurden immer alle durchgeschleift. So gab es Arbeiter, die immer nur betrunken zur Arbeit kamen und die trotzdem dort bleiben durften und für die man dann mitarbeiten musste. Ich weiß nicht, wie es auf der anderen Seite der Mauer war, aber aus den Erzählungen heraus kann ich der DDR nichts abgewinnen.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Es kam darauf an, wo man wohnte, welchen Beruf man hatte und wie man sich politisch engagierte. Meine Oma war in der DDR sehr zufrieden. Sie wohnte in einem kleinen Dorf und war Friseurin. Mein Onkel arbeitete in einer Uhrenfabrik und war wohl auch zufrieden. Beide waren aber schon älter und hatten keine großen Reisepläne. Auch zu essen gab es reichlich. Es gab im Dorf einen Konsum mit den Grundnahrungsmitteln. Früchte wuchsen im Wald und im Garten und sie hatten Hühner und Kaninchen, von denen immer eines geschlachtet wurde, wenn wir zu Besuch kamen.

Wir sind im Sommer oft dort gewesen. Ein Ausflug zur Wartburg in Eisenach gehörte zum Pflichtprogramm und ich kann mich an die besten Bratwürste erinnern, die ich je gegessen habe. Das war meine Sicht als Kind. Die DDR habe ich mit Paradies gleichgesetzt, weil das Haus meiner Oma mit all ihren Haustieren und dem großen Garten so schön war. Ich verstand gar nicht, warum meine Eltern immer so schimpften.

Die Kehrseite gab es aber auch. Mein Vetter, jung und voller Sehnsucht auf die weite Welt und materielle Dingen, die er nicht hatte, wagte einen Fluchtversuch und saß dafür zwei Jahre im Gefängnis. Die DDR war eine Diktatur und das politische System ist natürlich nicht wieder wünschenswert. Auch wirtschaftlich ging es ja immer weiter bergab.

Wenn die Wiedervereinigung nicht gekommen wäre, wäre der wirtschaftliche Kollaps unausweichlich geworden. Das heißt aber nicht, dass manche Dinge wie beispielsweise die Kinderbetreuung oder die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen technische Berufe ausgeübt hatte, nicht besser gewesen wäre als bei uns. Es hatte auch jeder Arbeit, auch wenn sie teilweise nicht besonders produktiv war.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Talkmaster am 19.04.2016, 18:14, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich habe mich heute erst mit meinem Mann darüber unterhalten. Klar, war nicht alles schlecht und es brauchte sich auch niemand darüber Gedanken machen, wie es nach einem Kind beruflich weiter geht. Finanziell war niemand an der Armutsgrenze und man wurde auch nicht ständig überwacht. Gerade diese vermeintliche permanente Überwachung gab es so nicht. So wie es sie eben auch heute nicht gibt und trotzdem einige Menschen ständig unter Beobachtung stehen.

Aber es kann niemand sagen, dass es einem Menschen in der DDR wirklich schlecht ging, der ganz normal einen Job hatte und eben sein Leben gelebt hat. Man musste sich nicht politisch engagieren, um auch ins Ausland reisen zu dürfen. Das alles nicht einfach nur Märchen, dass dies eben nur Parteigänger durften.

Allerdings weiß ich auch, dass ich heute beruflich anders eingespannt wäre, wenn es die Wende nicht gegeben hätte. Mir ist klar, dass ich in der DDR nie ein eigenes Buch auf den Markt gebracht hätte und mein Geld eben in einem Büro verdienen würde mit gelegentlichen Ausflügen zu Baustellen.

Auch die Versorgung mit Lebensmitteln war nicht so schlecht, wie es heute oftmals beschrieben wird. Sicherlich war die Auswahl in Berlin und Leipzig wesentlich umfangreicher, als in anderen Städten. Das hatte den Grund, weil eben diese beiden Städte auch viele Leute aus Westdeutschland zu Gast hatten. Aber das man wegen jeder Ware ständig anstehen musste, ist einfach nur gelogen. So was gab es eigentlich nur, wenn eben Südfrüchte geliefert worden. Andere Lebensmittel gab es immer, wenn auch nicht in 20 verschiedenen Sorten.

Und wer ehrlich ist, der wird auch zugeben müssen, dass man heute auch nicht alle möglichen Varianten der gleichen Ware ausprobiert. Jeder hat seine bevorzugten Hersteller und geht selten beim Einkauf fremd. Und wer Schokolade mit Haselnüssen liebt, der wird auch nicht sämtliche anderen Sorten probieren, die verfügbar sind. Mehr verfügbare Produkte bedeutet schließlich nicht zwangsläufig auch höheren Konsum der Dinge.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich bin zwar nicht in der DDR aufgewachsen, aber dafür meine Frau. Und sie sagt mir immer wieder, dass die Schulausbildung in der DDR deutlich besser war als im Westen. Hier wurden die Schüler gezielt auf das spätere Berufsleben vorbereitet und die Praxis stand hier im Vordergrund. So etwas kann man in den heutigen Schulen leider nicht erkennen und die Schüler werden doch meist auf sich alleine gestellt. Die richtige Berufswahl ist deutlich schwieriger und hier sollten sich die Länder auf jeden Fall etwas einfallen lassen.

» kowalski6 » Beiträge: 3399 » Talkpoints: 154,43 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Insgesamt war unsere Schulbildung nicht besser. Vergleiche kurz nach der Wende hat da schon einige Unterschiede gezeigt. Allerdings gab es die Unterschiede in einzelnen Fächern. Waren die Schüler aus der ehemaligen DDR in Geschichte besser geschult, so konnten sie aber in Fremdsprachen nicht mit den westdeutschen Schülern mithalten.

Allerdings war das Schulsystem insgesamt besser. Die Kinder waren im allgemeinen zehn Jahre zusammen in einer Klasse und erst in der neunten Klasse musste man sich entscheiden welchen Weg man einschlagen wollte. Und dass dieses System nicht schlecht war, zeigt doch Schweden, die es übernommen haben, heute noch nutzen und im internationalen Vergleich sehr gut abschneiden.

Wobei die berufliche Orientierung nicht direkt im Unterricht statt fand. Aber es gab wesentlich mehr Möglichkeiten sich zu informieren. Doch auch das nicht überall schlecht in der heutigen Zeit. In Sachsen sind diese Dinge schon ab der Klasse sieben mit im Unterrichtsplan vorhanden. Soweit es möglich ist, hat man da eben Dinge aus dem DDR-Schulalltag mit einfließen lassen, die eben erhaltenswert waren.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


MissMarple hat geschrieben:Wurde aus der DDR auch viel in das vereinte Deutschland getragen

Das ist schon eine seltsame Frage. Man muss sich nur anschauen, wie nach der "Vereinigung" (es heißt ja letztlich nicht "Übernahme") mit den politisch verantwortlichen umgegangen wurde. So spielte es bei allen Überlegungen nie eine Rolle, dass ein Mielke oder Honecker in der BRD nie die Chance auf politische Betätigung hatten, weil sie im Spanienkrieg schon gegen Faschisten gekämpft hatten und Deutschland in Richtung Moskau verlassen mussten, nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren.

Ebenso muss man sich anschauen, wie mit Richtern aus der DDR umgegangen wurde - und wie die BRD mit Richtern aus der Nazizeit umgegangen ist. So ist ein Filbinger heute in weiten Teilen noch ein geachteter Mann. Richter hingegen in der DDR, welche Nazi-Richter verurteilt hatten (in der BRD ist das nie passiert - kein NS-Richter musste sich hier für seine Urteile verantworten, auch wenn sie oftmals den Tod des Verurteilten bedeutet haben!), sind genau für diese Verurteilungen schuldig gesprochen worden.

"Übernommen" hat man nichts. Die DDR wurde übernommen und das eigene System wurde implementiert, was fatale Folgen für die Wirtschaft hatte. Aber das lässt sich auch an den "blühenden Landschaften" ablesen. Wobei ich kein "Gegner" der Vereinigung bin. Die Frage nach dem "Wie" ist aber entscheidend und hier sind massive Fehler begangen worden - auch weil "der Westen" hier als "revisionistische Siegermacht" aufgetreten ist.

Und natürlich kann in einem Staat nicht alles falsch für die Menschen gewesen sein, wenn eben nicht ausschließlich Profitinteressen alles tun und handeln bestimmt haben. Die soziale Sicherheit war gegeben, die Bildung war ein hohes Gut und - auch wenn nicht im fortschrittlichen Sinn - in Sachen Gleichberechtigung war die DDR der BRD deutlich voraus. Wenn man dann noch überlegt, dass die DDR nur einen Bruchteil dessen von dem in den sog. Innlandsgeheimdienst gesteckt hat, was die BRD macht, kann die Überwachung nicht das Gewicht gehabt haben, was uns die Filme zeigen wollten.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Spontan fallen mir da wirklich drei Sachen ein. Die Witze waren damals eindeutig besser, besonders wenn sie die greise DDR-Führung betrafen oder die Mangelwirtschaft. Politische Witze wurden überall und ständig erzählt, auch unter den Genossen. Heute dagegen habe ich den Eindruck dass man sich überhaupt keine Witze mehr erzählt beziehungsweise dass es keine neuen Witze mehr gibt.

Dann muss ich das Steuersystem loben. Es war nicht gerade wenig was da jeden Monat automatisch prozentual vom Verdienst abgezogen wurde, aber es gab keinerlei Schlupflöcher und jeder wurde gleich behandelt. Damit erübrigten sich natürlich auch eine Steuererklärung am Jahresende und das Sammeln von Belegen.

Der größte Knaller war natürlich die Krankenversicherung. Wenn ich mich richtig erinnere zahlte man nicht mehr als 60 Mark. Gut, ich verdiente nur 500 Mark und da waren es dann auch zehn Prozent die abgezogen wurden, aber es war überschaubar. Natürlich war das Gesundheitssystem marode wie überall, aber ich hatte nicht den Eindruck schlecht versorgt zu sein. Mir fehlten aber natürlich die Vergleichsmöglichkeiten. Das war zur Wendezeit auch die große Frage die mich beschäftigte.

Wozu benötigt der Westen ungefähr einhundert Krankenkassen und wieso gab es dazu noch unzählige Betriebskrankenkassen? Das hätte man sich doch alles sparen können. Eine Krankenversicherung, ein Vorstand, eine Niederlassung in jeder größeren Stadt. Die Chance wurde vertan. Letztendlich wurde nur der grüne Pfeil übernommen.

Benutzeravatar

» hooker » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 50,84 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


@Punktedieb (sorry wegen dem Doppelposting), also das Bildungssystem fand ich dagegen nicht besonders erhaltenswert. Wenn ich mich richtig erinnere wurde wirklich jeder bis zur 10. Klasse durchgeschleift, auch wenn er nur rudimentär rechnen und lesen konnte. Es war die absolute Ausnahme wenn jemand schon in der 8. Klasse abgehen konnte, dazu musste man mehrfach sitzen geblieben sein und die Prognose auch sehr schlecht ausfallen. In der Regel war es so dass die wirklich schlechten Schüler auch die größten Unruhestifter waren oder irgendwann einfach nicht mehr zum Unterricht kamen. In meiner Klasse war deren Anteil aus irgendeinem Grunde besonders hoch und sie waren nicht gerade förderlich für das Lernklima oder die Einhaltung des Bildungsplanes.

Es war auch völliger Unsinn solchen schwachen Schülern die 10. Klasse zu verschaffen. Keine Lehrstelle bekam niemand. Sie und die Lehrer wussten auch ganz genau dass sie nur Berufe erlernen würden wo man keinerlei Bildung braucht. Sie gingen dann auch meistens in die Landwirtschaft oder Helfer auf den Bau oder in die Lagerwirtschaft.

Besonders ärgerlich war dass es nicht so einfach war das Abitur abzulegen. Aus meiner Klasse gelang es nur einer Schülerin die einen Durchschnitt von 1,0 hatte. Sie wechselte glaube ich nach der 8. Klasse. Wer etwas schlechtere Zensuren hatte musste darauf verzichten oder als Junge sich in diesem Alter als Berufsoffizier verpflichten. Es gab später nach Abschluss etwas mehr an Möglichkeiten, zum Beispiel einen Beruf mit Abiturabschluss zu erlernen. Das dauerte dann ein Jahr länger und war für die meisten verlorene Zeit. So wurden dann sinnlose Berufe wie Schlosser mit Abitur erlernt um später studieren zu können. Aber so richtiges Abiturwissen wurde dort in diesem Zeitraum auch nicht so richtig vermittelt so dass man es sehr schwer hatte an der Uni später zu bestehen.

Benutzeravatar

» hooker » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 50,84 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


@Hooker: Das mit dem Bildungssystem sehe ich da schon etwas anders und bin sehr wohl der Meinung, dass es sinnvoll ist, auch "schwache" Schüler bis zur 10ten Klasse zu schleifen. Zumal es tatsächlich "Spätzünder" gibt, welche evtl. auch erst in der 8ten oder 9ten "aufwachen" und begreifen, wofür sie eigentlich lernen. Das (eigentliche) Schulsystem in der BRD ist so, dass schon ab der 4ten Klasse das Aussieben beginnt.

Wenn die Kinder aber vielleicht 9 Jahre alt sind, ist stark anzunehmen, dass die Einschätzung der Lehrer nicht allein auf Grund der Kindesleistungen geschieht, sondern sich die Prognose tatsächlich auf die "Herkunft" stützt. Einem "schwachen" Viertklässler wir viel eher der Weg zum Abitur zugetraut, wenn z.B. der Vater Arzt ist - ein mittelmäßiger Viertklässler aus einer Arbeiterfamilie ist hingegen auch von Seiten der Schule "gezeichnet". Hier gibt es kein Zutrauen der Familie gegenüber, dass man dem Kind das Abitur ermöglicht - und man unterstellt auch, dass das gar nicht das Ziel wäre.

Was natütlich Quatsch ist, ist das "durchschleifen" von Schülern in großen Klassen! Denn dann bringt es dem schwächeren Schüler nichts - der wird sich wirklich "verstecken" und nur durchgeschliffen. Die Idee der Schulbildung in der DDR war gut und sollte übernommen werden. Zusätzlich sollte auch die alte Forderung der Lehrergewerkschaften und Elternvertreter umgesetzt werden, und die Klassenstärken drastisch reduziert werden! Nur in der Kombination macht es eben Sinn, allen Kindern Chancen zu geben.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^