Hassfach als Studienfach gewählt, kann das gutgehen?

vom 28.07.2013, 09:02 Uhr

Mein Neffe hat in der Schule das Fach Geografie gehasst. Den Atlas hat er nur widerwillig aufgeschlagen und Diagramme fand er nach seinen Aussagen nur langweilig. Er hat sich auch ansonsten nicht für ferne Länder oder geologische Besonderheiten interessiert.

Nun fängt er zu meinem Erstaunen an, Geografie zu studieren. Er meint, dass das ein Fach sei, wo er mit seinem Notendurchschnitt einen Platz bekomme und dass er Geografie dann doch mittlerweile interessant finde, nachdem er sich ein bisschen über die Studieninhalte informiert hat.

Kann das gutgehen? Kann man so plötzlich Interesse an einem Hassfach entwickeln? Ich kenne jemanden, der auch Geografie studiert hat. Aber es war schon als kleines Kind sein Hobby, Landkarten aus dem Atlas abzuzeichnen und schön bunt auszuschmücken. Außerdem interessiert er sich für andere Länder und dafür, wo bestimmte Dinge herkommen. Kennt ihr auch jemanden, der ein Fach erfolgreich studiert hat, wo vorher überhaupt kein Interesse vorhanden war? Seid ihr vielleicht selbst so eine Person, die ihr Interesse erst nach dem Schulabschluss entdeckt hat und das Fach plötzlich mit anderen Augen seht als vorher?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Meistens ist es so, dass das Schulfach sehr wenig mit dem Studienfach an der Uni gemeinsam hat. Auch wenn die Inhalte auf den ersten Blick ähnlich klingen, ist die Art der Wissensvermittlung eine ganz andere. Jedenfalls hat das Studienfach Geographie recht wenig mit Atlas und Landkarten zu tun. Sicherlich wird man das auch einmal machen, aber es geht doch weit darüber hinaus.

Schließlich gehört beispielsweise die Meteorologie zu dem Fachgebiet und dort kann man sich zum Beispiel mit der Modellbildung und Simulation vom Wetter und Klima beschäftigen. Das hat dann mehr mit Mathematik und Informatik zu tun als mit der eigentlichen Geographie. Oder man wählt einen Studiengang mit dem Schwerpunkt Geologie aus, dann beschäftigt man sich viel mit Gesteinsarten, Gesteinsschichten, Erdbeben, Erosion und so weiter.

Problematisch ist es aber, wenn man einen Studiengang wählt, nur weil man dort einen Platz bekommt. Es muss schon das Interesse da sein. Es stellt sich da also eher die Frage, ob das jetzt plötzlich auftauchende Interesse tatsächlich vorhanden ist, oder ob es wirklich nur darum geht, dass er dort einen Studienplatz sicher glaubt. Andererseits ist es auch nicht unbedingt schlimm, wenn er nach ein oder zwei Semestern merkt, dass ihm das Studienfach nicht liegt und sich danach noch einmal umorientiert.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Weasel hat das schon sehr schön ausgeführt. Schul- und Studienfach unterscheiden sich sehr. Und vor allem in der Schule finde ich es sehr Lehrerabhängig, ob einem ein Fach gefällt oder nicht. Vielleicht war er gar nicht mal in dem Maße uninteressiert, sondern unmotiviert, weil der Lehrer schlecht war. Außerdem kann ein junger Mensch ja auch neue Interessen entwickeln.

Aber es stimmt schon. Die Wahl des Studienfachs sollte auf echtem Interessen beruhen. Immerhin muss man sich dann mehrere Jahre damit beschäftigen und dies auch freiwillig und selbständig zuhause tun. Um sich derart mit etwas zu beschäftigen, das man nicht mag, gehört sehr viel Disziplin dazu. Und Druck. Den haben Studierende nicht mehr. Die Eltern sind heutzutage verständnisvoller, ein Fachwechsel ist nicht problematisch und akzeptabel.

Ich finde einen Wechsel auch nicht schlimm. Aber in dem Fall würde man sich doch nur denken, dass es klar war und man dieses Jahr verschwendet hat. Dann sollte man diesen ersten Versuch lieber für etwas aufbrauchen, bei dem es wahrscheinlicher ist, dass es einem liegt. Aber das muss dein Neffe selber entscheiden. Wenn es noch nicht zu spät ist, könntest du ihm höchstens Kontakt zu einem Geografie-Studenten verschaffen oder ihm das Standard-Fachbuch für das Grundstudium kaufen. Mal sehen, ob es ihm gefällt.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Geografie war mein Lieblingsfach. Wenn dein Neffe bisher keinerlei Interesse an diesem Fach hatte, dann ist es sehr gewagt von ihm, Geografie als Studienfach zu wählen. Nur, weil er mit seinem Notendurchschnitt einen Studienplatz in diesem Fach bekommt, kann es doch nicht plötzlich etwas sein, was er gerne studieren will. Er kann doch etwas warten, bis er seinen gewünschten Studienplatz bekommt. Leider kenne ich niemanden, der dieses Fach studiert hat. Aber eine weitläufige Bekannte hatte auch erst etwas ganz anderes studiert und hat nach zwei Semestern das Studienfach gewechselt. Also glücklich wird man mit einer Notlösung niemals.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Gerade bei Geographie hat das Unterrichtsfach fast nichts mehr mit dem Studienfach zu tun. Ich kenne einige Geographiestudenten und manche hatten im Laufe ihres Studiums nicht ein einziges Mal einen Atlas in der Hand. Vielleicht mochte er in der Schule die ganze physische Geographie nicht, hat dafür mittlerweile ein wirkliches Interesse an Wirtschaftsgeographie entwickelt? Gerade Geographie ist so viel mehr als nur auf einer Landkarte Flüsse und Gebirge einzeichnen.

Ich konnte in der Schule nie etwas mit Wirtschaft anfangen und war immer eher an Naturwissenschaften interessiert. Ich habe angefangen Naturwissenschaften zu studieren und habe mich noch nie in meinem Leben mehr gelangweilt, als in diesen zwei Semestern. Es waren so andere Inhalte und stundenlang im Labor stehen, war deutlich uninteressanter, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Ich bin dann auf einen VWL-Studiengang umgestiegen, weil es mich einfach fasziniert hat, was man damit alles machen kann, nachdem ich mich genauer mit den Studieninhalten beschäftigt habe. Wie ich schon erwähnte, ich habe Wirtschaft in der Schule nicht wirklich gemocht und dann doch studiert. Jetzt muss ich nur noch meine Diplomarbeit schreiben und dann bin ich fertig.

Es kann also gut gehen, wenn man ein Studienfach studiert, das man in der Schule nicht mochte. Genauso kann man sein liebstes Schulfach im Studium extrem langweilig finden. Ein Studienfach hat meist nicht mehr wirklich etwas mit dem Schulfach zu tun.

» danty » Beiträge: 540 » Talkpoints: 4,79 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Zunächst - ist ja auch schon hier im Thread beschrieben - ist es oftmals so, dass die Studieninhalte recht wenig mit den Inhalten des Faches während der Schulzeit zu tun haben. Dann werden u.U. auch andere/bessere Schwerpunkte gesetzt. Außerdem können sich Interessen ändern. Und nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass manches "Hassfach" nur zu einem "Hassfach" geworden ist, weil der Lehrer oder die Lehrerin bei der Methodik der Wissensvermittlung gescheitert ist.

Was eher bedenklich stimmen sollte, wäre die Aussage, dass das Fach eben mit dem Schnitt studierbar ist. Das klinkt ein wenig so, wie wenn eben dies der "traurige Rest der Resterampe" wäre und man eben was anderes nicht bekommen hat. Dann kann es schon vorkommen, dass man sich selbst (aber eben auch die Umwelt) anlügt und versucht, sich das Fach "schön zu reden". Und so ein Vorgehen dürfte sich schon im Laufe der Orientierungsphase rächen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Also ich bin eigentlich der Meinung, dass wenn man etwas studiert, nur um etwas zu studieren, man diesen Studiengang irgendwann abbricht. Das heißt, dass man Spaß an dem Fach finden muss, welches man studiert.

Wenn dein Neffe also kein Spaß an dem Fach findet, würde ich mal dazu tendieren, dass er das Studium irgendwann abbricht. Aber natürlich können sich auch Interessen mit der Zeit ändern. Wenn er jetzt Spaß dabei hat, warum sollte er es dann nicht studieren? Zudem ja ein Studium nicht mit der Schule vergleichbar ist. Vielleicht hat ihm einfach Geografie, wie es in der Schule unterrichtet, wird nicht gefallen.

Ich denke aber, dass er sich das schon gut überlegt hat. Denn normal würde ich nichts studieren, was ich normalerweise hasse.

» Verdion1337 » Beiträge: 763 » Talkpoints: 7,05 » Auszeichnung für 500 Beiträge



anlupa hat geschrieben:Mein Neffe hat in der Schule das Fach Geografie gehasst. Den Atlas hat er nur widerwillig aufgeschlagen und Diagramme fand er nach seinen Aussagen nur langweilig. Er hat sich auch ansonsten nicht für ferne Länder oder geologische Besonderheiten interessiert.

Geographie ist doch deutlich mehr als das Studieren von Atlanten oder die Behandlung ferner Länder. Ich habe diverse Bekannte, die Geographie studiert haben und da wurde nie ein Atlas in die Hand genommen während dem Studium und und Diagramme waren auch eher untergeordnet. Geologische Besonderheiten sind auch eher nebensächlich, weil man Geologie höchstens als Nebenfach wählen kann, aber im Studium selbst ist das nicht so wichtig.

Wie schon angemerkt worden ist, hat ein Studienfach oftmals nicht viel mit dem Schulfach gemeinsam und die Studienschwerpunkte sind oft anders. Das ist doch nichts ungewöhnliches. Solange dein Neffe eben Spaß an seinem Studienfach hat und es eben nicht bereut, gibt es doch gar keine Probleme.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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