Persönlichkeitsrecht bei Fotos von Leichen

vom 27.02.2013, 20:54 Uhr

Aus beruflichen Gründen hatte ich neulich Otto Prokops "Atlas der Gerichtsmedizin" und einige weitere Werke aus diesem Themengebiet vor mir liegen. Trotz medizinischem Interesse und relativ unempfindlichem Magen kann es einem auf Dauer ganz schön anders werden, wenn man sich diese ganzen Bebilderungen zu den Fachtexten so ansieht. Mit "normalen" Fotos von Toten habe ich kein sonderliches Problem, aber verkohlte und halbverweste Leichname sind dann doch noch ein anderes Kaliber. Daher habe ich auch nicht so viel in dem Buch herumgestöbert, sondern bloß schnell abgearbeitet, was ich nachsehen sollte.

Allerdings fiel mir auch schon dabei eine Sache auf. Und zwar sind die Fotos ja im Normalfall nicht zensiert. Bei einigen Toten kann man das Gesicht deutlich erkennen. Es ist beispielsweise auch eine Abbildung einer Person darin, von der ich auch Fotos im lebendigen Zustand kenne. Anhand des Leichenfotos hätte ich die Person eindeutig wiedererkennen können. Die Leichen, die sich in diesem Buch als Abbildungen befinden, nicht unbedingt in einer sonderlich pietätvollen oder schmeichelhaften Lage, sind also keineswegs anonym. Natürlich steht ihr Name nicht unter dem Bild und es steht auch nicht unbedingt dabei, welche Umstände zum Tod führten, aber wenn man die Person kennt, erkennt man sie auf den Bildern meist auch wieder.

Ich frage mich nun, wie das rechtlich aussieht. Können in derartigen Fachbüchern einfach so Fotos von Leichnamen gezeigt werden? Oder wird eine Erlaubnis durch Verwandte benötigt? Oder gibt es vielleicht eine bestimmte Zeitspanne, die seit dem Tod der gezeigten Person vergangen sein muss, wodurch die Fotos seines Leichnams frei für derartige Zwecke nutzbar werden?

Natürlich könnte man sagen, dass es einem nach dem Tod sowieso egal sein dürfte, was mit dem eigenen Körper oder Fotos davon geschieht, denn man bekommt es nicht mehr unbedingt mit. Aber dennoch fände ich den Gedanken unschön, möglicherweise einmal einem grausamen Mord zum Opfer zu fallen und dann danach auch noch als Abbildung eines nackten, zerstückelten Körpers in irgendeinem Buch zu landen. Abgesehen davon, dass die Wahrscheinlichkeit, dass einem so etwas passiert, doch eher gering ist: Gäbe es Möglichkeiten, sich selbst oder Angehörige dagegen abzusichern?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich vermute mal, dass bei solchen Fotos die Angehörigen zustimmen müssen. Dabei könnte ich mir vorstellen, dass es ähnlich läuft, wie bei den Leichen in Ausstellungen. Oder es handelt sich um Körperspender, die sich zu Forschungszwecken zu Verfügung gestellt haben. Denn soweit ich weiß, dürfen Fotos nach dem Tod auch nicht einfach so ohne Grund und Zustimmung gemacht werden. Wobei sicherlich auch Rechte der jeweiligen Länder gelten, könnte ich mir vorstellen.

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» Trisa » Beiträge: 3169 » Talkpoints: 61,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Bei der Herstellung der Fotos selbst haben die Angehörigen sicher nicht zugestimmt und ich denke auch nicht, dass sie das müssen. Das war ja ein Buch über Gerichtsmedizin und viele der vorhandenen Fotos stammten nicht nur aus dem Leichenschauhaus, sondern es waren auch Fotos von der Leiche direkt in der Fundsituation am Tatort vorhanden. Ich denke, es ist Standard, dass die Polizei am Tatort auch Fotos vom Toten macht. Da kann man nicht einmal als Angehöriger widersprechen, vermute ich. Zumal ja viele Leichen beim Auffinden durch die Polizei noch nicht einmal identizifiert sind. Man macht das Bild also, ohne dass man überhaupt weiß, wen man fotografiert. Also kann man die Angehörigen ja gar nich fragen, logisch gesehen.

Die Frage ist nur eben, wie es dann mit der Publikation dieser Fotos in einem medizinischen Fachbuch aussieht. Das ist ja sowieso so eine Sache, wenn man bedenkt, dass da Polizeifotos verwendet werden. Mich würden wirklich die Umstände interessieren, wie die Polizei solche Fotos für Bücher freigeben kann, also, welche Vorraussetzungen es gibt und wie das rechtlich aussieht. Es waren übrigens durchaus auch Fotos aus den 1950er Jahren vorhanden, also solche, die zum Erscheinen des Buches noch keine dreißig Jahre alt waren. Man kann also durchaus sagen, dass es noch fast aktuelle Bilder waren, nicht nur uralte von Personen, deren Angehörige sowieso nicht mehr leben und die sowieso schon lange niemand mehr kennt.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Auch Leichenbilder unterliegen einem Schutz. Niemand darf diese einfach verwenden, ohne Erlaubnis der Angehörigen. Zumindest in Deutschland. Dies kann man natürlich leicht umgehen, indem man Notfalls das Buch einfach im Ausland drucken lässt. Es ist auch richtig, immerhin haben auch tote ein Recht auf Privatsphäre (ja ich weiß das klingt seltsam). Leider können diese Leute ihre Privatsphäre nicht mehr selber schützen, sondern müssen sich darauf verlassen, dass es ihre Angehörigen machen.

» milli23 » Beiträge: 1214 » Talkpoints: 2,62 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Irgendwie kann ich mir schwer vorstellen, dass die Angehörigen all dieser toten Personen direkt danach gefragt worden sind, ob das Foto benutzt werden darf. Aber es macht schon Sinn, dass es rechtlich eigentlich so sein müsste. Übrigens waren diese Bücher definitiv in Deutschland gedruckt und auch von deutschen Verlagen. Sie sind wohl auch in rechtsmedizinischen Studiengängen Standard. Ich glaube kaum, dass man dort Bücher mit illegalen Inhalten offiziell benutzen würde.

Da fällt mir aber noch ein anderes Thema ein. Ich habe schon Publikationen über Konzentrationslager gesehen, bei denen die aufgestapelten Leichname der Ermordeten gezeigt worden sind. Wie steht es mit diesen Bildern? Da sind Unmengen an Personen auf einem Foto und viele wurden sicher nie identifiziert. Da kann man doch gar nicht die Angehörigen gefragt haben. Und doch gibt es diese Bilder in Deutschland in deutschen geschichtlichen Büchern zu sehen. Irgendwie finde ich das merkwürdig.

Vielleicht macht man bei Fotos von Kriegsopfern und Opfern der Konzentrationslager Ausnahmen? Wenn ja, wieso? Ich fand das jedenfalls immer irgendwie schwierig, wenn ich solche Bilder in Büchern gesehen habe. Nicht nur wegen der schlimmen dargestellten Situation, sondern auch, weil ich mich immer fragte, ob der Tote es gutheißen würde, wenn seine Leiche so gezeigt wird. Denn ich finde ja auch, dass die Menschenwürde nicht mit dem Tod aufhört und dass man daher auch Tote davor schützen sollte, dass sie nicht auf eine entwürdigende Weise auf Bildern zu sehen sind, selbst, wenn die Fotos für wissenschaftliche Veröffentlichungen genutzt werden.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich habe neulich zufällig einen Artikel auf einer Website gelesen, durch den ich den Eindruck bekommen habe, dass man in Deutschland eben nicht die Angehörigen eines Verstorbenen kontaktieren und um Erlaubnis bitten muss, wenn man Fotografien von der Leiche erstellen und veröffentlichen möchte. Vielleicht irre ich mich auch, aber ich habe den Artikel auf jeden Fall so verstanden und möchte ihn daher, da ich dabei gleich an diesen Thread hier zurückdenken musste, auch mit Euch teilen: Artikel "Blut, Mord, Tote – 20 Regeln für einen angemessenen Umgang mit Gewaltfotos" auf www.journalist.de.

Es geht in dem Artikel, wie man sieht, nicht hauptsächlich um die rechtliche Frage, ob man nun eine Angehörigen-Erlaubnis für das Abdrucken des Fotos eines Leichnams benötigt, aber Punkt Nummer 13 ist in dieser Hinsicht interessant:

Der Journalist sollte besonders vorsichtig im Umgang mit älteren Gewaltfotos sein. Je länger ein Ereignis zurückliegt, desto weniger vertretbar ist die Veröffentlichung von schockierenden Aufnahmen. Abgebildete Personen oder ihre Angehörige können durch die erneute unkontrollierte Konfrontation psychischen Schaden erleiden.


Müsste zuvor bei Angehörigen um die Erlaubnis, die Abbildung des Leichnams zu zeigen, gefragt werden, so wäre es ja nicht möglich, dass es zu einer, Zitat, "unkontrollierte[n] Konfrontation" der Angehörigen mit der Abbildung des Leichnams eines Familienangehörigen kommt. Jedenfalls wäre das meine logische Schlussfolgerung aus dem Zitat. Oder irre ich mich?

Besonders toll fände ich das jedenfalls nicht, wenn tatsächlich keinerlei schriftliche Erlaubnis durch Angehörige notwendig wäre. Sicher mag das der Presse einiges an Arbeit abnehmen, denn das Klären von Rechten frisst eine Menge Zeit. Andererseits wiegt das Recht des Toten oder auch der Angehörigen meiner Meinung nach weitaus mehr, als das Recht irgendeines Journalisten auf irgendeine Bildveröffentlichung, die einen ihm persönlich unbekannten Leichnam zeigt.

Irgendwie fehlt mir auch die Verhältnismäßigkeit bei der ganzen Sache. Bei dem Fotografieren irgendwelcher Gebäude müssen sonstwas für Rechte vorher geklärt werden, weil es möglicherweise sonst Zoff mit dem Architekten gibt, aber bei Fotos von entstellten Leichen, gewöhnlich Opfern von Verbrechen oder Naturkatastrophen, muss man im Vorfeld nichts mit persönlich Betroffenen klären? Dabei könnten Angehörige ja wirklich sehr verletzt werden, wenn man Fotos von ihrem toten Familienmitglied macht und abdruckt. Wieso gibt es da keine vorgeschriebenen Maßnahmen zum Schutz, wenn man sich bei Gebäudefotos, die ja nun wirklich niemandem schaden, rechtlich teilweise extrem pingelig zeigt?

Übrigens habe ich heute in der Online-Berichterstattung über die Bombenanschläge in Boston schon wieder ein fragwürdiges Bild gesehen. Es war auf der Website einer großen, eigentlich als seriös geltenden, deutschen Zeitung zu sehen, und zeigte ein noch lebendes, aber schwer verletztes Opfer der Anschläge, dem der Unterschenkel abgetrennt ist. Er sitzt in einem Rollstuhl und wird von zwei Helfern abtransportiert. Von seinem einen Unterschenkel sind nur ein blutiger Knochenrest und ein paar Hautlappen übrig, was man auf dem Foto deutlich sieht. Ich glaube kaum, dass man diesen Mann um Erlaubnis gebeten hat, dieses Foto zu veröffentlichen! Sicher hatte er in der Situation auch andere Probleme. Und selbst, wenn er eine Erlaubnis mündlich erteilt hätte, so wäre das für mich fragwürdig, dass er in der Situation sicherlich unter Schock stand und andere Dinge im Kopf hatte. Ehrlich gesagt, es macht mich ein wenig wütend, zu sehen, dass Journalisten so mit Schwerverletzten umzugehen. Das hat zwar nicht direkt mit den Bildrechten bei Toten zutun, ist meiner Meinung nach aber dennoch eine ganz ähnliche Sache, weshalb ich es hier auch noch erwähnen wollte.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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