Unschuldig in der Psychiatrie eingewiesen - Ein Alptraum?

vom 27.11.2012, 22:18 Uhr

Wo Menschen arbeiten gibt es immer mal wieder Fehler. Menschen können sich irren. Besonders drastisch sind solche Fälle, wenn über Gesundheit und Leben von Menschen entschieden werden und dann auch Fehlurteile gefällt werden.

Gedanken macht mir das schon, wie das wohl ist, wenn man zu Unrecht in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen wird. Normalerweise wenn einem Unrecht geschieht, kann man sich mit Worten wehren, wenn man als psychisch krank eingestuft wurde, ist das ganz offensichtlich kaum noch möglich, sich Gehör zu verschaffen und ernst genommen zu werden.

Anlass für meine Gedanken ist der gerade aktuelle Justizskandal in Bayern. Wie man hier bei Report Mainz nachlesen und nachsehen kann, ist das einem Menschen namens Gustl Mollath passiert. Eigentlich scheint die Geschichte simpel. Er zeigt seine Frau an, dass sie im Dienst bei ihrer Bank Geld ihrer Kunden illegal in die Schweiz verschoben hat.

So weit so gut, sollte man meinen. Dann passiert das, was mir das kalte Grausen lehrt: Seine Frau behauptet, dass er geisteskrank ist. Die Fachleute diagnostizieren, dass er nicht gesund ist und die Vorwürfe nicht real sind sondern auf der Geisteskrankheit beruhen. Darauf hin wird er in die Psychiatrie eingewiesen und dort jahrelang kalt gestellt. Diverse Versuche seinerseits liefen ins Leere und er konnte sich bis jetzt nicht rehabilitieren.

Mittlerweile hat sich heraus gestellt, dass der Arbeitgeber der Frau die illegalen Geldgeschäfte bewiesen hat und der Frau gekündigt hat. Aus meiner Laiensicht ist nur der Schluss zu ziehen, dass der Mann wohl doch gesund im Kopf ist, denn normalerweise wäre es doch komisch, wenn man Tatsachen im Wahn fantasiert, oder nicht?

Im Endeffekt kann man da doch nur sagen, das hätte jedem von uns passieren können, oder? Man trennt sich vom Partner und dieser kommt auf die geniale Idee einen für geisteskrank zu erklären. Ich bin erschrocken, wie einfach so etwas gehen kann, dass man dann völlig hilflos ist und einen alle für total bekloppt halten, obwohl man völlig gesund ist.

Klar, als Laie kann ich mir da kein Urteil fällen, aber komisch ist es schon, wie so etwas gehen kann. Ich gestehe, dass mir das ein ganz schön mulmiges Gefühl gibt, dass offensichtlich solche Fehler passieren können. Wie geht es euch bei diesen Vorfällen? Wie würdet ihr euch verhalten, wenn ein Bekannter von euch in so einer Lage wäre? Würdet ihr die Freundschaft aufrecht erhalten? Würdet ihr vielleicht sogar versuchen zu helfen? Oder würdet ihr auf das Urteil der Fachleute vertrauen?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich war mal in einem Forum aktiv, wo es u.a. um persönlich Probleme ging. Und da schreibt man natürlich auch mal, dass es einem schlecht geht. Eine User A hat dort fast schon regelmäßig Suizidabsichten hinein interpretiert, wenn jemand zum Beispiel schrieb, dass es ihm schlecht geht und er so (also in der Situation) nicht mehr weiterleben will. Damit mussten sich dann regelmäßig auch die Administratoren beschäftigen, wenn sie wieder mal verlangte die Polizei zu verständigen, um jemanden zu "retten". Im Vorfeld hat sie genau dasselbe in einem anderem Forum wohl geschafft.

Bei User B klingelte also spät abends ein halbes Einsatzkommando, da ja kein einzelner Polizist mal schauen kommt, sondern für den Fall wirklich jemand psychisch-labilen vorzufinden, sind auch entsprechende Fachkräfte dabei. Nun machen vermutlich die wenigstens spät abends einfach so die Tür auf, wenn sie niemanden erwarten. Und wer dann nach mehrfachen Klingeln oder gar Androhung dass die Tür geöffnet wird, verschlafen und verwirrt öffnet, wirkt auch erstmal dementsprechend. Wenn man sich dann noch aufregt, verschlimmert man die Situation unter Umständen noch.

Auch in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie hat man ein Anrecht auf einen Anwalt. Diesen sollte man sofort hinzuziehen, bzw. verlangen. Es gibt auch einen Verein bzw. eine Organisation, die sich um Menschen die zu Unrecht eingewiesen wurden, kümmert. Notfalls kann man sich auch aus der Psychiatrie herausklagen, was viele scheinbar nicht wissen!

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» Trisa » Beiträge: 3323 » Talkpoints: 38,55 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Das kann zwar anderen auch passieren, aber ich frage mich doch, wie es sein kann, dass der Mann nur aufgrund der Behauptung der Ehefrau in die Psychiatrie kommt. Es muss doch ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Der hätte zumindest Zweifel haben müssen. Dass es auch heute noch solche Situationen geben kann, verursacht tatsächliche mulmige Gefühle.

Würde es sich um einen Bekannten von mir handeln wüsste ich ganz sicher, dass er gesund wäre und würde dementsprechend auch alle Hebel in Bewegung setzen, dass er wieder die Möglichkeit bekäme, die Psychiatrie zu verlassen. Wenn ein Arzt irrt, so nicht mehrere. Und wenn die Frau beschattet worden wäre, hätte die Wahrheit ans Licht kommen müssen. So einfach kann man doch nicht einen Menschen für viele Jahre verschwinden lassen. Das ist ungeheuerlich.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich finde es auch sehr kurios, dass die Frau einfach mal behauptet ihr Mann sein psychisch krank und dieser wird für Jahre in eine geschlossene Psychiatrie gesperrt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dies wirklich so einfach geht. Man müsste dem Mann dann schon entmündigen lassen, so dass er selbst gar keine offiziellen Entscheidungen mehr treffen kann und das für ihn jemand anderes macht. Außerdem schaut ja auch immer ein Gutachter, was genau diesem Menschen fehlt und entscheidet dann ja danach. Da wird ja wohl irgendwas gefunden worden sein. Man sperrt doch niemanden, der wirklich psychisch gesund ist, in eine Klink.

Ich denke, dass es schwierig ist, dass da solche Fehler passieren und der Mann doch auch sicherlich mal auf die Idee hätte kommen können, sich einen Anwalt zu nehmen oder seine Freunde zu bitten, die für ihn zu machen. Wenn mich ein Freund um so etwas bitten würde, würde ich versuchen ihm zu helfen. Das an wäre man doch irgendwie schuldig. Es ist natürlich schwer als Laie einzuschätzen, ob der Freund nun wirklich krank ist oder nicht.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Anscheinend geht das doch relativ einfach, zumindest in diesem Fall. Ich habe hier die Homepage des Betroffenen gefunden. Dort wird in einem Überblick erklärt, wie sich die Lage so entwickeln konnte. Ob das alles den Tatsachen entspricht weiß ich nicht, ich kenne den Betroffenen nicht persönlich. Aber wenn man jetzt einfach mal so unterstellt, dass das alles so abgelaufen ist, wie beschrieben, dann ist das ungeheuerlich.

Offensichtlich hatte die Ehefrau dieses Mannes einen erfolgreichen Anwalt. Dieser hat die Behauptung der Ehefrau, dass ihr Ehemann geisteskrank sei an das Amtsgericht eingereicht. Wie das nun mit der ärztlichen Stellungnahme zusammenhängt verstehe ich noch nicht so ganz, vor allem weil er weiter unten das Stichwort Ferndiagnose erwähnt. Wie es scheint arbeitet diese Ärztin die diese Stellungnahme verfasste offensichtlich in dem Klinikum in welches dieser Mann später eingewiesen wird. Auf jeden Fall wird klar, dass der Anwalt der Frau damals wohl ein psychiatrisches Gutachten eingefordert hat.

Später steht dann in der Chronologie, dass für den Betroffenen ein Pflichtverteidiger bestimmt wird. Also hat er wohl versucht, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen schon bevor er eingewiesen wurde. Das Gericht beschließt wohl, wenn ich das richtig verstanden habe, dass der Betroffene von einem Psychiater psychologisch begutachtet werden soll. Zu der Begutachtung ging er nicht hin, ich würde vermuten, dass ihm das wohl der Anwalt geraten haben könnte. Wenn man nicht zur Begutachtung erscheint, kann logischerweise auch kein Gutachten erstellt werden. Jetzt sollte man meinen, dass man so auch niemanden in die Psychiatrie bringen kann.

Es geht in dieser Chronologie ziemlich absurd weiter und als Laie wundere ich mich schon, wie so was passieren kann. Der Gutachter beobachtet den Betroffenen wohl wie man da liest als Zuhörer in einem Gerichtsprozess und stellt dann fest, dass er bei dem Mann eine schwere psychische Erkankung erkennt. Zumindest aus meinem Pädagogikstudium habe ich gehört, dass man in der Psychologie nicht einfach so von Phänomenen 1:1 auf Ursachen schließen kann. Für die Diagnostik in der Psychologie gibt es ausgeklügelte Testverfahren die aufwändig entwickelt werden. Wie man vom Beobachten von Leuten eine Geisteskrankheit erkennen kann, das frage ich mich hier schon. Daraufhin beschließt ein Gericht, dass der Betroffene in einer Psychiatrie untergebracht wird. An dieser stelle entwickelt sich bei mir ein extrem flaues Gefühl im Magen.

Das ganze entwickelt sich so weiter, dass trotz Beschwerden gegen das Urteil der Betroffene in die Psychiatrie eingeliefert wurde und ihm der telefonische Kontakt zur Außenwelt untersagt wurde. Aus der Psychiatrie wird er wieder frei gelassen, weil das Gericht einen Psychiater in dieser Klinik mit der Begutachtung beauftragt hatte, der sich selbst für befangen hält, weil er mit einem Kunden der Ehefrau des Betroffenen befreundet ist. Etwas später wird er wieder per Gerichtsbeschluss in eine Psychiatrie eingeliefert.

Ziemlich gekürzt geht es nun so weiter, dass er per Gericht wieder verurteilt wurde, in die Psychiatrie zu gehen. Dabei findet man manches seltsame Detail. Näheres kann man unter dem oben angegebenen Link nachlesen, ich finde es interessant. Da sich der Betroffene gegen eine Untersuchung wehrt, da er davon ausgeht, dass er geistig gesund ist, wir er absurder Weise als krank eingestuft, da er laut der Fachleute wohl nicht einsehen will, dass er krank ist. An dieser Stelle kann ich mir nur ratlos den Kopf kratzen, denn zumindest nach den Angaben in der Chronologie hat ja immer noch keine Untersuchung oder Begutachtung im eigentlichen Sinn statt gefunden. Im Grunde würde ich davon ausgehen, dass es normal ist, dass man sich gegen so eine Untersuchung wehrt, wenn man in so einer Lage ist. Ich denke, die meisten Leute hier würden ähnlich reagieren.

Weil hier geschrieben wurde, dass es doch naheliegend sei, aus der Psychiatrie einen Anwalt zu beauftragen wollte ich noch sagen, dass der Betroffenen das ganz offensichtlich getan hat, jedoch der Erfolg hielt sich in Grenzen. Es gibt wohl auch Gutachten, dass er durchaus gesund sei, die aber irgendwie laut Aussage des Betroffenen nicht den gewünschten Erfolg bei der Justiz bringen. Je mehr ich das lese, desto mehr Fragezeichen habe ich im Kopf. Wie kann so was passieren?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Mittlerweile ist einige Zeit ins Land gegangen und Gustl Mollath ist wieder frei. Der Fall zog, wie es aussieht, sogar Kreise bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Als Laie interpretiere ich das Geschehen so, dass es sich doch wohl um ein Fehlurteil gehandelt haben muss. In den Medien wird angesprochen, dass es sich wohl um eine negative Folge von Filz handelt, in den die betroffene Person hinein geraten ist.

Sicher kann man sich aus der Psychiatrie herausklagen. Aber wie man an dem Fall sehen kann, kann das ganz schön lange dauern. Über sieben Jahre war er wohl nun in der Psychiatrie, ohne dort eigentlich sitzen zu müssen. So viele Jahre des Lebens. Die Vorstellung alleine ist ein Horror, wenn man durch ein Fehlurteil so viele Lebensjahre verliert.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Der Fall hat mich auch beschäftigt, weil ich eben schon mehr als einmal die Psychiatrie von innen gesehen habe. Mehrfach miterlebt habe, wie man mit psychisch kranken Menschen umgeht. Auch was Zwangsbehandlungen angeht.

Ich habe mehrfach miterlebt, wie man ein und den selben Patienten immer wieder von der offenen Station auf eine geschlossene Station verlegt, weil er unbequem ist und Arbeit macht. Der Patient ist schon anstrengend. Redet viel. Aber er wird nicht handgreiflich. Vergreift sich nicht wirklich im Ton. Und man kann durchaus mit ihm Reden. Wir Mitpatienten können das ja auch. Trotzdem wird er ständig verlegt, weil er eben anstrengend ist.

Auf einer geschlossenen Station habe ich miterlebt, wie man Patienten sich selbst über ließ. Wenn das nicht ging, hat sich die Pflege eben eingeschlossen, um ihre Ruhe zu haben. Ansprechpartner gab es nicht wirklich.

Besonderes Highlight war ein Patient, der eben auch anstrengend war. Es war nicht der vorher beschriebene Patient. Eines Morgens war ich nach dem Aufstehen unterwegs zum Pflegestützpunkt. Dabei kam ich an einem Patientenzimmer vorbei, in dem ein Fixierbett steht. In dem Zimmer war die Pflege gerade mit einem Patienten beschäftigt. Was mir noch nicht mal aufgefallen wäre. Allerdings stand die Tür offen und man unterhielt sich sehr laut mit dem Patienten. Der wurde in einem mehr als hämischen Ton gefragt, ob er denn wisse, warum man ihn fixiert hat.

Problem ist, dass Missstände gedeckt werden. Ist schon faszinierend zu sehen. Ich weiß von mehreren Fällen von sexuellen Missbrauch durch die Pflege. Aber keine der Betroffenen traut sich was zu sagen. Aus Angst vor Konsequenzen. In einem Fall hat wohl eine Mitpatientin eingegriffen. Ergebnis? Der Pfleger hat eine Abmahnung bekommen. Mehr ist nicht passiert.

In den Dokumentationen zu meinen Aufenthalten finden sich Aussagen wie: Die Patientin hat der Schwester angedroht sie umzubringen. Die Situation war allerdings komplett anders gewesen. Als ich darüber mit einem Mitpatienten sprach, meinte er nur, er war dabei und hat das ganz anders erlebt.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Als Gemeingefährlicher eingewiesen in die Psychiatrie und nun als Opfer entlassen. Kann das überhaupt jemand ermessen, was das für einen Menschen bedeutet, unschuldig eingewiesen worden zu sein? Wie will der Staat das wieder gutmachen? Wer gibt dem unschuldig über sieben Jahre in der Psychiatrie gewesenen Gustl Mollath die verlorenen Jahre seines Lebens zurück? Die Häufung von angeblichen Beweisen, die keine waren, hätte auffallen müssen, wurde aber gedeckt. Das darf in einem Rechtsstaat einfach nicht passieren. So darf niemand mit Menschen umgehen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ich finde, dass man gerade in solchen Einrichtungen einiges nachzuholen hat. Es kann nicht sein, dass Unschuldige dort sitzen und nicht mehr hinaus kommen. Sicherlich ist es schwierig so etwas zu bestimmen, wenn auch noch Druck auf einem lastet, aber man kann auch nicht einfach Menschen als Gefahr bezeichnen, die es offensichtlich nicht sind. Das lässt mich wirklich schon sehr zweifeln.

Fachlich muss hier einfach nachgerüstet werden und die betreffenden Ärzte sollten hier auch Konsequenzen zu spüren bekommen, da sie dem Mann immerhin 7 Jahre seines Lebens genommen haben, weil sie vielleicht bestechlich waren.

Man mag sich das gar nicht vorstellen, was es für den Mann seelisch bedeutet hat da festzusitzen und zu wissen, dass einen alle für bescheuert halten und man es eigentlich gar nicht ist. Darüber kann man sicherlich auch irre werden. Man kann hier nie wieder etwas gut machen. Diese 7 Jahre sind eine Last, die er als Betroffener und die Regierung gemeinsam tragen müssen. Er erlebte seelische Last und Folter und die Regierung muss sich bewusst werden, dass es so einfach auch nicht sein kann. Man kann nicht einfach ein Urteil hinnehmen und dann ist gut, man kann auch für die Bürger kämpfen.

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» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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