Was ist eine globale Entwicklungsverzögerung?

vom 11.12.2011, 22:27 Uhr

Das Kind von der Nachbarin einer Bekannten ist 4 Jahre alt. Es spricht wie ein 2 1/2 jähriges Kind und macht auch immer noch in die Hose. Es macht auch keine Anstalten aufs Töpfchen oder auf die Toilette zu gehen und deswegen wird es im örtlichen Kindergarten auch nicht angenommen. Dort werden nur Kinder ab 3 Jahre genommen, die aber trocken sind.

Der Kinderarzt spricht von einer globalen Entwicklungsverzögerung, welches er aber schon vor 2 Jahren gesagt hat. Das Kind ist auch erst mit 2 Jahren gelaufen. Es braucht für alles ein wenig (viel) länger als andere Kinder. Der Kinderarzt hat die Mutter schon vor 2 Jahren zur Ergotherapie geschickt, wo die Mutter aber nicht regelmäßig mit dem Kind hingeht. Das Kind hat sich also nicht groß weiterentwickelt.

Was genau versteht man unter einer globalen Entwicklungsverzögerung? Die Mutter nimmt es nicht sehr ernst, weil sie immer nur sagt "Na und, er braucht eben was länger als andere Kinder". Kann man das wirklich so abtun? Kann ein Arzt nicht auf weitere Behandlungen bestehen? Wenn die Mutter diese Behandlungen und Therapien ablehnt, kann und muss der Arzt nicht das Jugendamt informieren? Dem Kind werden doch für den weiteren Lebensweg Steine in den Weg gelegt, wenn man nichts macht, oder?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Eine so genannte "globale Entwicklungsverzögerung" kennzeichnet sich durch eine verminderte Intelligenz. Sie drückt sich vor allem dadurch aus, dass ein Kind unterdurchschnittlich lernfähig ist und dementsprechend altersspezifische Fertigkeiten entweder nur verzögert oder gar nicht entwickelt. Dazu gehören auch das schlechte Sprechen, das späte Laufen und das Trockenwerden. Die "globale Entwicklungsverzögerung" ist hauptsächlich genetisch bedingt. In einigen Fällen ist das X-Chromosom zu schwach ausgebildet, in anderen kann beim betroffenen Kind ein Kreatinmangel nachgewiesen werden. Von der "globalen Entwicklungsstörung" wird nur bis etwa zum fünften Lebensjahr gesprochen. Danach lautet die Diagnose eher "mentale Retardierung" oder in nicht-medizinischen Kreisen "geistige Behinderung".

Auch wenn die Symptome deutlich für die Diagnose des Kinderarztes sprechen, bin ich einigermaßen verwundert, dass er seinem kleinen Patienten nur Ergotherapie verordnet hat, statt die Mutter an einen Spezialisten zu verweisen. Denn in der Regel werden in einem solchen Fall zahlreiche Tests notwendig. Auch der Stoffwechsel muss beispielsweise überprüft werden, da Stoffwechselerkrankungen dazu führen können, dass der Junge bereits erlernte Fertigkeiten wieder verlernt. Gerade bei einem gestörten Kreatin-Stoffwechsel kann eine medikamentöse Behandlung eine Verbesserung erzielen. Anhand der umfassenden Untersuchung kann dann auch entschieden werden, welche therapeutischen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um das Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten bestmöglich zu fördern. Ergotherapie ist dabei nur ein Baustein, auch logopädische und andere funktionell ausgerichtete Verfahren werden benötigt, um die verbliebenen Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes über die Anregung von Eigenaktivität, Selbstwert und Motivation zu aktivieren.

Dass die Mutter mit ihrem Kind nicht regelmäßig zur Ergotherapie geht, ist kaum verwunderlich. Sie dürfte, eben weil der Arzt sich m.E. nicht ausreichend um Aufklärung und Unterstützung gekümmert hat, kaum eine Verbesserung durch die Ergo für ihren Sohn festgestellt haben können. Allerdings hätte ich an ihrer Stelle mich kaum mit der Diagnose nur eines Kinderarztes zufrieden gegeben, sondern wohl eher noch eine zweite Meinung eingeholt. Einfach so mit "Na und, er braucht eben was länger als andere Kinder" abtun würde ich die Problematik jedenfalls nicht.

» Doreen82 » Beiträge: 316 » Talkpoints: 7,93 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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