Ihr glaubt, euch geht es beschissen?

vom 07.10.2011, 09:54 Uhr

Mit zunehmender Dynamik der OccupyWallstreet-Bewegung in den USA entwickeln sich auch zunehmend interessante Websites zu dem Thema. Man muss allerdings immer aufmerksam bleiben und schauen, welchen Interessen solche Seiten dienen. Schon zu oft haben sich politische Gegner solcher Dinge bedient.

Der Slogan der OccupyWallstreet-Bewegung ist "We are the 99%". Meint, dass wir mehr oder weniger von einer winzigen Schicht beherrscht und ausgenutzt werden, was zur Entwicklung einer Welt geführt hat, die für die anderen 99% nicht mehr hinnehmbar ist. Es ist an der Zeit, dass sich diese 99% wehren. Es wird ohnehin passieren, wenn die Menge derer, die abgehängt werden, nur groß genug wird.

Das nur zum Verständnis einer simplen, aber beeindruckenden Seite (Link unten), die ich gestern gefunden habe und auf der die User nichts weiter tun, als ein Foto von sich mit einem Blatt Papier zu posten, auf dem ihre persönliche Geschichte zusammengefasst ist. Wer meint, dass es ihm schon beschissen ginge, der solle sich mal einige Dutzend der kurzen Geschichten anschauen. Wir haben hier echte Luxusprobleme. Diese "Dokumente" geben einen guten Eindruck vom Zustand einer sich zersetzenden Gesellschaft und vom Ende des "American Dream".

Beängstigend ist, dass auch unser Gesellschaftsentwurf sich immer mehr dem amerikanischen angleicht und auch unsere Position als Bürger, Wähler und Demokraten immer schwächer wird. Ich erinnere an die Prekariarisierung, an die Demontage der Sozialsysteme oder an die zunehmende Privatisierung der Bildung. Das scheint der Entwurf, den man seit Jahren in weiten Teilen der Welt für einen Idealzustand hält und zu was der führt, erleben wir nur noch als Passagiere in einem Zug, der in eine ungewisse Zukunft rast.

Viel "Spaß": "We are the 99 Percent"

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Das Thema der Luxusprobleme würde ich so nicht sehen wollen. Denn ein Problem bei der ganzen Sache ist ja genau das, dass der Verweis auf andere, denen es "schlechter" geht, auch ein Mittel zur Sicherung des Status Quo ist! Und genau aus dem Grund ist auch anzunehmen, dass jede Theorie von wegen das sich die Massen erheben, wenn es ihnen nur schlecht genug geht, eigentlich als widerlegt zu sehen ist. Wenn sich die Massen erheben, dann endet es höchstens im Faschismus, weil - der Einfachheit halber - ein Sündenbock (eigentlich zwei: ein interner (schwer) und ein externen (leicht)) gesucht und präsentiert wird. Niemandem geht es "besser", nur weil andere in einer noch unglücklicheren Lage sind. Daher kann das Gefühl, dass es einem "beschissen" geht, durchaus richtig sein.

Und ob sich die Gesellschaft zersetzt oder aber nur ihren (gewählten) Weg konsequent zu Ende geht, ist ja noch nicht raus. Was an Konzentration der Macht und des Reichtums passiert, ist ja kein Zufall sondern Systembedingt. Auch oder gerade in den USA. Wie heißt es so schön: "Jeder kann Reich werden - nur nicht alle". Daher ist es die systembedingte Pflicht derjenigen, die Reich sind, dafür zu sorgen, Reich zu bleiben. Und das geht nun mal nur auf Kosten der anderen (einfache Verteilungsregel).

Das sich das System nun auch hier "härter" zeigt, liegt ja letztlich nur am Fehlen der Alternative. Gerade in Europa war man klug beraten, die Sicherung der Sozialsysteme ernst zu nehmen. Schließlich gar es vor der Tür die reale rote Gefahr. Nach dem Ende des Systemkriegs aber hat auch hier niemand mehr was zu befürchten und man muss die zwangsläufigen Entwicklungen nicht mehr künstlich bremsen. Ob das der Idealzustand ist oder nicht, ist nicht entscheidend. Wichtig wäre zu wissen, wem der Zustand nutzt und wer ihn deshalb erfolgreich beibehalten will.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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