Neuer Tiefpunkt in Griechenland

vom 30.06.2011, 18:25 Uhr

Es war einer der größten Tiefpunkte der Anti-Sparplan-Demonstrationen als in Griechenland ein Plakat mit dem Hakenkreuz aus gelben EU-Sternen darauf in die Luft gehisst wurde. Darunter wurde Angela Merkel als Nazi beschimpft. Anhand dieses Vorfalls wird deutlich, wie die Griechen zu Deutschland stehen. Sie fühlen sich betrogen und machen deutsche Politiker dafür verantwortlich. Meiner Meinung nach haben sie es wegen solchen Aktionen nicht verdient unser Geld zu bekommen. Wie seht ihr die Lage?

» danielholdi » Beiträge: 13 » Talkpoints: 4,09 »



Es spielt keine Rolle ob sie dass Geld verdient haben oder nicht, denn wir müssen sie versuchen zu retten, um unsern eigenen Hintern zu retten. Denn wir hängen da weiter mit drinnen, wie viele, die keine Ahnung von der Weltwirtschaft haben sehen. Auf der einen Seite kann ich die Griechen verstehen, dass sie sich erst einmal Luft machen wollen, denn wenn von heut auf morgen, so viele durch aus drastischen Veränderungen auf einen zukommen reagiert man erst einmal geschockt. Sie sehen es aus einem anderen Blickwinkel wie wir. Ich hoffe allerdings, dass die Griechen, wenn sie über den Anfangs Schock hinweg sind, sehen dass es gerechtfertigt ist was wir verlangen. Diese Aktion ist aber Definitiv überzogen.

» milli23 » Beiträge: 1214 » Talkpoints: 2,62 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Aus den Beiträgen kann man ein wenig lesen, dass es hier in Europa keineswegs um gleichgestellte Partner handelt. Vielmehr schein verinnerlicht zu sein, dass sich andere Staaten den zwei oder drei "Großen" unterzuordnen haben und demütig regelmäßig ihre Dankbarkeit bezeugen müssen, bei "Europa mitmachen zu dürfen".

Vielleicht vorneweg: wer die verwendete Symbolik bei den Protesten hinsichtlich der Bundesrepublik nicht versteht, tut dies aus Unkenntnis der Geschichte. Aber dabei geht es nicht um "die alten Geschichten" oder Dinge, für die man ja mutmaßlich nichts kann. Wenn man sich einfach die bekannteste (weil auch bis in die deutschen Medien vorgedrungene) Geschichte bzgl. des Massakers von Distomo anschaut, versteht man, warum Griechenland in Deutschland nicht allein den Staat nach 1945 sieht. Hier werden aktiv - von heute handelnden Personen - die Verantwortung und die Schuld abgestritten bzw. die Geschehnisse gerechtfertigt. Aber das alles spielt dann jetzt noch nicht mal eine entscheidende Rolle.

Im Fall von Griechenland kann man sich einfach anschauen, welche Akteure (also auf der Ebene von Staaten) von der aktuellen Krise am meisten Profitieren und wohn das Schuldengeld Griechenlands hin verteilt wird. Und da stellt es sich eben heraus, dass die Bundesrepublik zu den Gewinnern zählt und sehr wohl in erster Linie die eigenen Interessen vertritt, wenn man dafür sorgt, dass Griechenland eben weiter seine Gläubiger bedienen kann.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Es gilt, sich über eine Möglichkeit im Klaren zu werden, die bislang nur leise ans Ohr drang, nämlich den Austritt Griechenlands aus der Währungsunion.

Die EU hat kaum Möglichkeiten, die Neuverschuldung ihrer Mitgliedsstaaten zu regulieren. Der Witz ist ja, dass, wenn ein Land die zulässige Grenze der Neuverschuldung überschreitet, Strafe gezahlt werden muss. Es wird also jemand, der kein Geld hat und sich ständig von anderen welches borgen muss, aufgrund seines Geldmangels mit einer Geldbuße belegt. Und diese Geldbuße zahlt er dann mit dem geborgten Geld von den anderen, weshalb er denen dann noch mehr schuldet. Ist doch verrückt, oder?

Es gibt drei Möglichkeiten zu handeln. Die erste wäre, Griechenland einfach auf sich allein gestellt fallen zu lassen. Gläubiger auf allen Erdteilen würden plötzlich nicht mehr bedient und es könnten die internationalen Finanzmärkte wackeln, da mit Portugal und Irland ja schon die nächsten potenziellen Pleitegeier im Landeanflug sind. Der Euro würde in eine Krise gestürzt.

Die zweite Möglichkeit wäre, wie es eben derzeitig getan wird, die vom Bankrott bedrohten Länder unter der Bedingung der Einhaltung eines drastischen Sparplans mit riesigen Geldmengen am Leben zu erhalten und zu hoffen, dass sich deren Volkswirtschaft erholt. Gleichsam sei diese Methode geknüpft an Umschuldung und den Erlass gewisser Verbindlichkeiten. Der Nachteil: die anderen EU-Länder werden dadurch schwer belastet. Die Lage wird angesichts des nahenden Bankrotts weiterer Länder äußerst ernst. Jedoch kann man vorerst die Stabilität des Euros gewährleisten.

Die dritte Möglichkeit ist, dass Griechenland aus der Währungsunion austritt. Sie könnten die alte Währung wieder einführen, diese zunächst drastisch abwerten und dann die Volkswirtschaft sozusagen neustarten. Der Euro bliebe wahrscheinlich stabil, Griechenland könnte sich erholen und die Gefahr einer internationalen Finanzkrise könnte gebannt werden.

Die EU hat für uns heute ihre deeskalierende Funktion, welche sie nach dem Ende des 2. Weltkrieges innehatte, erfüllt.Krieg in Europa scheint unmöglich. Vielmehr hat der Versuch, 27 unterschiedliche Regierungen, Wirtschafts- und Sozialsysteme unter einen Hut zu bringen, das Vertrauen in die EU geschwächt. Denn, wie wir sehen, ist das Sozialsystem in Griechenland ein grundsätzlich anderes als das der BRD. Es scheint unvereinbar, das frühe Renteneintrittsalter mit niedrigen Steuern zu kombinieren. Dennoch wurde es in Griechenland so praktiziert und war somit der Volkswirtschaft nicht zuträglich.

Sollte sich also doch Max Webers Befürchtung einer Herrschaft der Super-Bürokratie bewahrheiten? Keiner kann durchblicken, welches europäische Organ für welchen Beschluss verantwortlich war, da aufgrund des enormen bürokratischen Aufwands eine Gewaltenverschränkung zwischen den Organen unvermeidlich ist.

Es ist kein Problem Griechenlands, es muss vielmehr über die weitere Gestaltung des Versuches "Europäische Union" nachgedacht werden. Inwiefern haben also die Gründungsideen ausgedient und in welche Richtung sollte sich die EU weiterentwickeln? Das Rettungspaket für die Griechen ist nur ein Aufschub, eine kurze Zustandsverbesserung eines "Todgeweihten", dessen Organismus dem Kollaps entgegen strebt.

Da man während des europäischen Einigungsprozesses nie an eine solche Krisensituation dachte, gibt es auch keine vergleichbaren Handlungsmuster, die den Verantwortlichen als Lösungshilfe dienen könnten. Egal, welche Entscheidung getroffen wird: für mindestens eine der beteiligten Parteien wird es schmerzhaft.

Ich bin, ähnlich wie bei der Klimapolitik in der BRD, sehr auf die Antworten der Politik gespannt.

» Haltz92 » Beiträge: 17 » Talkpoints: 17,10 »



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