Zwangshandlungen - übertriebener Perfektionismus

vom 03.03.2011, 08:31 Uhr

In diesem Thread über verschiedene Korrekturmethoden bei handgeschriebenen Texten habe ich schon kurz angedeutet, dass ich eine ganze Zeit lang keine Korrekturflüssigkeiten oder ähnliches verwenden konnte, weil mich das Endergebnis optisch so gestört hat, dass ich damit nicht leben konnte. Wenn ich also einen Fehler gemacht habe, musste ich die ganze Seite noch einmal schreiben, selbst wenn es nur ein winziger Fehler war. Darunter fielen auch unschön geschriebene Buchstaben. Wenn ein Buchstabe nicht schön genug aussah, weil ich zum Beispiel mit dem Kugelschreiber leicht abgerutscht bin, musste ich die ganze Seite neu schreiben. Damals wäre es auch für mich nicht in Frage gekommen, in einem Text, der mit einem Füllhalter und Tinte geschrieben wurde, eine fehlerhafte Stelle mit einem Tintenkiller zu korrigieren, weil dies nicht ins Gesamtbild gepasst hätte. Tintenkiller sieht einfach anders aus.

Zudem konnte ich nicht mit verschiedenen Stiften schreiben. Wenn ich etwas thematisch zusammenhängendes geschrieben habe, musste es von vorne bis hinten mit dem selben Stift geschrieben werden. Die gleiche Farbe reichte hierbei nicht aus. Die Miene im Kugelschreiber musste identisch sein. Wenn ich mit normaler Tinte geschrieben habe, konnte ich nicht einfach einen anderen Füllhalter verwenden. Es musste immer der verwendet werden, mit dem ich den Text begonnen hatte.

Mittlerweile habe ich es weitgehend geschafft, mich mit einigen dieser Zwangshandlungen so weit auseinanderzusetzen, dass sie mich nicht mehr ständig behindern. Wenn man immer wieder das Gleiche schreibt, verliert man ja vor allem auch viel Zeit, die man anderweitig sinnvoller nutzen könnte. Ich konnte mich dennoch nicht damit abfinden, dass ein handgeschriebener Text, selbst wenn er über viele Seiten ging, manchmal nicht perfekt war. Er musste einfach perfekt sein und wenn es Fehler gab, habe ich diese immer wieder ausgemerzt, egal wie lange es dauerte.

Eine Bekannte hat mir mal erzählt, dass eine gute Freundin von ihr dieses Problem ebenfalls hatte. Sie war deswegen in Psychotherapie und konnte es nur dadurch einschränken. Sie hat sogar in Klausuren alles neu geschrieben, selbst wenn sie auf einer der Seiten einen winzigen Fehler entdeckt hatte. Für Außenstehende mag das vielleicht kurios klingen, aber ich kann dieses Verhalten sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich in Klausuren nicht ganz so genau war. Die Dinge, die ich aufbewahrt habe und die ich später noch einmal benötigte, mussten perfekt sein. Eine Klausur konnte ich einfach weglegen, so dass das unperfekte Geschreibsel dann weg war. Damit konnte ich leben - aber nicht mit Lernunterlagen (zum Beispiel Mitschriften aus Vorlesungen), die ich immer wieder sehe.

Mittlerweile kann ich Texte mit einem Korrekturroller korrigieren und es ist auch akzeptabel (aber noch lange nicht schön), wenn ich erst 20 Seiten mit einem bestimmten Stift schreibe und dann für den Rest einen anderen Stift verwende. Sofern es ungefähr die gleiche Farbe ist, kann ich damit leben. Seit einigen Monaten habe ich mir zudem angewöhnt, nur noch auf einfachem, weißen Papier zu schreiben. Bei kariertem Papier musste ich vom oberen Rand immer drei und vom linken Rand zwei Kästchen frei lassen, bevor ich etwas geschrieben habe. Am unteren Rand mussten mindestens fünf Kästchenreihen frei bleiben, so dass das der Text nicht so gedrückt aussah. Bei der Formatierung mussten unter der Überschrift des Themas und zwischen einzelnen Punkten auch immer festgelegte Abstände eingehalten werden. Wenn das nicht der Fall war, konnte ich auch das nicht ertragen und musste eben alles neu schreiben. Durch das komplett weiße Papier ist dieser Perfektionismus nicht mehr möglich und ich kann nun auch damit leben, wenn die Abstände nicht immer auf den Millimeter genau sind. Grob sollte dennoch alles schön und sinnvoll gegliedert sein.

Kennt ihr solche Zwangshandlungen? Falls ja, was habt ihr dagegen unternommen, sofern ihr etwas unternommen habt? Schränken euch solche selbst aufgezwungenen Verhaltensmuster ein?

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kenne das in Bezug auf Wohnungsdekoration. Manches steht bei mir genau symmetrisch und da darf auch nichts schief stehen. Ich dekoriere den Tisch und wenn wir essen, muss der Tisch abgeräumt werden. Wenn mein Mann diesen dann nach dem Essen wieder dekoriert und der eine Kerzenständer steht nicht genau wie vorher da, muss ich das korrigieren. Ich sehe auch sofort, wenn irgendwas in der Wohnung anders dekoriert ist und es macht mich verrückt, wenn ich sowas sehe. Alles muss seinen Platz haben. Mein Mann meint da schon, dass ich "monkisch" bin. Denn so eine Zwangshandlung ist die Krankheit, die Adrian Monk in der gleichnamigen Serie hatte.

Farblich muss alles bei mir auch zusammenpassen. So würde ich nie gelbe Unterwäsche anziehen, wenn ich ansonsten blaue Klamotten anhabe. Die Unterwäsche und die Socken müssen auch zu meiner übrigen Kleidung passen. Die Dekoration in der Wohnung ist farblich abgestimmt und eine andere Farbe hat da keinen Platz. Wenn ich farblich umdekoriere, dann muss aber wieder alles zusammenpassen.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


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