erschwerter Bürgerentscheid

vom 06.12.2010, 08:47 Uhr

Die Stadt, zu der mein Örtchen gehört, wird momentan modernisiert. Nun sollen auch einige Bäume Opfer der Verschönerung werden. Der alte Bestand soll gefällt und durch eine andere Art ersetzt werden. Angeblich würde diese besser zum neuen Stadtlook passen. Es gab natürlich auch Widerstand. Es handelt sich um schön gewachsene alte Bäume, die so über diesen Platz verteilt wurden, dass man immer ein schattiges Plätzchen finden kann/konnte. Im Sommer sind es vor allem Jugendliche die sich dort zusammenfinden und einfach nur entspannen. Die neuen Bäume bräuchten erstmal wieder einige Jahre um Schatten spenden zu können. Außerdem würde dieser Baumtausch die Modernisierungskosten um weitere ca 25000€ erhöhen. Auch das stört einige Bürger und so kam es dazu, dass man diese entscheiden lassen möchte - angeblich.

Es könnte alles so einfach sein aber nein. Man bekommt ein Schreiben nach Hause in dem das Problem kurz geschildert wird. Anbei liegt ein kleines Kärtchen das man ausfüllen und abschicken muss. Natürlich muss es auch noch frankiert werden. Mit diesem Kärtchen ordert man seinen Stimmzettel, den man dann auch wieder abschicken muss. Einzige andere Möglichkeit wäre, seine Stimme zu den für Berufstätige unmöglichen Zeiten im Rathaus/Bürgerbüro abzugeben. Böse Zungen behaupten, dass die Stadt auf die Faulheit vieler Bürger zählt. Wer macht so ein Theater auch schon für ein paar Bäume mit? Es gibt ja leider noch immer sehr viele die der Meinung sind, dass die eine Stimme nichts bewirkt und bereits genügend andere ihre abgeben werden.

Die Widerständler, die diese Abstimmung durchgeboxt haben, sind natürlich auch ziemlich frustriert. So stehen sie nun vor den Läden um die Leute direkt anzusprechen und ihnen ins Gewissen zu reden. Dabei wollen sie einem nicht mal ihre Meinung aufschwatzen sondern bitten nur darum, dieses Wahlrecht auch wahr zu nehmen. Es gab auch schon Zeitungsartikel, in denen sie sich über die umständliche Abwicklung beschwert haben. Man möchte eine faire Wahl. Von anderer Seite kommt das Argument, dass diejenigen, denen die Bäume wichtig sind, ihre Stimme schon abgeben würden. Ob sie noch etwas erreichen können und wie die Entscheidung ausfällt, zeigt sich erst in den kommenden Wochen.

Wie seht ihr die Sache? Ist es eine faire Abstimmung und sucht man hier nur das Haar in der Suppe oder sollte man es den Bürgern einfacher machen seine Stimme abzugeben? Gab es bei euch auch schon solche Abstimmungen? Worum ging es dabei und wie wurden diese (keine Wahlen) abgewickelt? Wie würdet ihr als Bürger dieser Stadt entscheiden - falls ihr eure Stimme überhaupt nutzen würdet. Wenn man die Gesamtkosten sieht sind weitere 25000€ sicherlich ein Klacks. Würde das eure Stimme beeinflussen oder gäbe es bessere Gründe für/gegen die Bäume.

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» Sonty » Beiträge: 1997 » Talkpoints: 20,24 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Tatsächlich scheitern solche Bürgerentscheide in der Regel am Bürger, denn der Großteil der Bevölkerung nimmt die Möglichkeit des Plebiszites in den Kommunen nicht wahr. Woran liegt das? Dafür gibt es sicher mehrere Gründe.

Erstens ist es wirklich so, dass sich die meisten Menschen wenig bis gar nicht für politische Entscheidungen interessieren. Der durchschnittliche deutsche Bürger übernimmt seine politische Meinung aus der Bildzeitung. Es wird gemeckert und genörgelt, aber einen Versuch wirklich etwas zu ändern macht niemand. Das ist die Politikverdrossenheit von der man auch immer wieder hört. Vor allem deswegen haben solche Bürgerinitiativen in der Regel nur sehr geringe Chancen.

Des Weiteren scheint es tatsächlich so zu sein, dass dem Bürger das Mitwirken an einem Bürgerentscheid unnötig schwer gemacht wird und das nicht nur durch die erschwerten Möglichkeiten der Beteiligung. In der Regel wird der Bürger über anstehende Bürgerentscheide nicht hinreichend informiert. Die meisten Bürger wissen gar nicht, dass sie über etwas abstimmen können, obwohl sie rein theoretisch bei kommunalen Entscheidungen oft, wenn nicht immer, ein Mitspracherecht hätten. In deiner Gemeinde scheint der Fall klar zu sein. Die Kommunalverwaltung will es den Bürgern so schwer wie möglich machen an dem Entscheid teilzunehmen, damit die geplante Maßnahme durchgeführt werden kann. Es wird hier offensichtlich versucht den Bürger in dieser Entscheidung zu übergehen. Es gäbe viele Wege eine Abstimmung wesentlich einfacher und auch kostengünstiger für die Kommune zu gestalten, also muss es andere Gründe für die Erschwernis geben.

Ich würde mir das nicht gefallen lassen. Wenn dir die Bäume am Herzen liegen, dann trommle doch einfach einige Bekannte zusammen, gründe eine Bürgerinitiative, schreib Leserbriefe und werbe für den Bürgerentscheid. Du hast es selbst in der Hand. Wenn du jetzt nichts tust, dann machst du genau das, was die von dir wollen.

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» daaldi91 » Beiträge: 389 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ja leider interssieren sich viele nicht für Politik. Aber gerade da besteht die Hoffnung, dass Bürgerentscheide das ändern können, weil man sich eben genau eine Entscheidung treffen muss. Wenn man Parteien wählen muss, muss man immer ein Sammelsurium an Positionen wäheln wobei wahrescheinlich überall etwas dabei ist, das man nicht haben will.

» ein Pirat » Beiträge: 5 » Talkpoints: 1,00 »



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