Hamburg lehnt sechs Jahre Grundschule ab

vom 19.07.2010, 22:53 Uhr

Nach dem gestrigen Volksentscheid in Hamburg ist nun klar, dass sich die Bevölkerung gegen eine sechsjährige "Grundschule" ausgesprochen hat. Das neue Modell sah vor, dass die Länge der Grundschule von aktuell vier Jahren auf sechs Jahre erweitert wird und alle Schüler so lange gemeinsam den Unterricht besuchen und erst danach auf weiterführende Schulen wechseln.

Was haltet ihr generell von der Idee, dass man die Grundschule auf sechs Jahre verlängert? Sollte man das bisherige System beibehalten oder wäre das neue System ein Schritt in die richtige Richtung gewesen?

» BrilleWilli » Beiträge: 1779 » Talkpoints: 2,32 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich sehe dem ganzen zwiespältig entgegen. Wenn die letzten 2 Grundschuljahre auch auf den Unterrichtsstoff der 5.und 6. Klasse der weiterführenden Schule aufbaut, finde ich das nicht schlecht. Denn nach der 6. Klasse kann sich ein Kind viel besser auch selber entscheiden, welche weiterführende Schule es besuchen will und kann.

Wenn allerdings die jetzigen 4 Grundschuljahre nur 6 Jahre lang gezogen werden und dann das Kind in der 7. Klasse erst mit dem Stoff anfängt, was es in der 5. Klasse jetzt lernt, dann ist das nicht gut und das Kind wird mit dem Soff in der weiterführenden Schule überfordert sein, wenn dann nur 5 Jahre bis zum Abi bleiben.

Ansich finde ich ein Alter von ca. 12 Jahren für Kinder besser um die weiterführende Schule zu besuchen. Das Kind ist weiter in der Entwicklung und weiß mehr, was es will. Oftmals wird den Kindern mit 10 Jahren die Schule aufgedrückt, die es gar nicht will, nur weil die Eltern es so wollen und ein 12 jähriges Kind kann sich schon mehr durchsetzen.

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


So neu ist dieses Modell gar nicht. Im Bundesland Brandenburg besteht dieses Schulsystem schon seit vielen Jahren. Auch Berlin hat dies mittlerweile übernommen.

Natürlich lernen die Kinder in der 5. und 6. Klasse den Stoff, den andere Kinder in anderen Bundesländern auch in diesen Klassenstufen lernen. Sinn und Zweck ist lediglich, dass man die Kinder länger in der gemeinsamen und gewohnten Lernumgebung lässt. Im Alter von etwa 12 Jahren und in der 6. Klasse sind die Kinder dann schon so weit individualisiert, dass man ihnen eher ein Entscheidung zumuten kann, welche weiterführende Schule sie besuchen wollen. Zwei Jahre sind in dem Alter eben ein himmelweiter Unterschied in der Entwicklung.

Zudem werden "Spätzündern" bessere Möglichkeiten gegeben, eine entsprechende Leistung zu entwickeln, die für den Übertritt ins Gymnasium befähigt. Manche Kinder brauchen eben etwas länger, das kindliche Spielverhalten abzulegen und einen Leistungswillen zu entwickeln.

Die Schüler-Gruppe, um die es hier die meisten Diskussionen gibt, sind die sehr leistungsfähigen und Hochbegabten. Speziell für diese gibt es die so genannten Schnell-Läufer-Klassen. Wenn man nachgewiesen besonders begabt ist, kann man dann eben schon zur 5. Klasse in das Gymnasium wechseln. Für die begabten Kinder ist das natürlich eine tolle Lösung. Allerdings wird dadurch ein gutes Stück der Förderungseffekt für die eher schwächeren Schüler gemindert, da diese sich nicht mehr so weit nach oben an so leistungsstarken Kindern orientieren können.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Hier bin ich mir nicht ganz sicher, ob wirklich die Bevölkerung so entschieden hat, oder aber ob sich nicht ein Klischee bewahrheiten musste. Ich denke nämlich, dass dieses Thema tatsächlich zunächst diejenigen angesprochen hat, welche sich aktuell zu der Schicht zählen, deren Kinder in jedem Fall Leistungsfähiger sind, als andere! Und denen wollte man nicht zumuten, länger mit Leistungsschwächeren auf eine Schule zu gehen, als unbedingt notwendig. Wenngleich man hierzu ja eine Privatschule hätte wählen können.

Dann gab es die nächste Schicht, welche eigentlich nicht dazu gehört aber fest davon überzeugt ist, wenigstens am unteren Rand, eben doch zur Klasse zu gehören. Auch hier hat man Angst davon, den gewöhnlichen zugeschlagen zu werden bzw. die eigenen Kinder nicht so gut platzieren zu können, dass sie mit anderen mithalten können. Schließlich will niemand seine Nachkommen benachteiligen.

Am wenigsten haben sich eigentlich die Eltern beteiligt, welchen eine Reform mutmaßlich Vorteile gebracht hätte. Schülerinnen und Schüler (aktuell wie zukünftig) mit Eltern aus den sog. bildungsfernen Schichten, die selbst eben nicht die eigene Schulbildung an einem Gymnasium gewonnen haben, haben sich der Entscheidung wohl verweigert.

Ich sehe die jetzige Entwicklung schon als den Versuch der Rettung der eigenen Privilegien und das klare Bekenntnis zu den herrschenden Umständen. Es ist kein Wille zu Reformen vorhanden, welche die eigenen Kinder im besten Fall nicht betrifft. Wobei hier noch eine Komponente hineinkommt, bei der man sich dagegen verwehren möchte, dass Kinder unterer Schichten eine zu große Rolle im Leben der anderen Kinder spielen.

Bin selbst ja recht weit weg von Hamburg, kann mich aber nicht wirklich daran erinnern, welche sachlichen Gründe gegen das neue Modell gesprochen haben. Es wurde lediglich davon gesprochen, dass Leistungsträger u.U. ausgebremst werden würden (was ja noch nicht mal nachgewiesen ist) und man (genau und ausschließlich) diese Kinder Benachteiligungen im Vergleich mit anderen Kindern aus dem Bundesgebiet fürchten müssen.

Hinzu kommt aber auch noch, dass das Vorhaben ja von der Regierungspartei (zumindest von einer) gar nicht wirklich gewollt wurde und man seine eigene Anhängerschaft überhaupt nicht überzeugen wollte. Wenn also so eine Sache halbherzig und um des Koalitionsfriedens Willen gemacht wird, ist ein Erfolg ja eh immer zweifelhaft.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^
cron