Tägliche Arbeitszeiten auf über 10 Stunden ausweiten?

vom 30.11.2022, 16:51 Uhr

Bayern möchte das Arbeitszeitgesetz dahingehend reformieren, dass auch tägliche Arbeitszeiten von über 10 Stunden möglich sind. Angeblich wäre das auch der Wunsch zahlreicher Arbeitnehmer und sollte dieser Vorstoß gelingen, dann soll eine Ausweitung Arbeitszeit dennoch einer Freiwilligkeit unterliegen. Was haltet ihr von einer Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit? Was würde eurer Meinung nach dafür- und was dagegensprechen?

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» Lupenleser » Beiträge: 1124 » Talkpoints: 849,95 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich habe es gelesen, kann mir momentan aber ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass das wirklich der Wunsch vieler Arbeitnehmer sein soll. Ich denke, dass es schon sinnvoll ist, die Höchstarbeitszeit pro Tag zu begrenzen, um Überlastungen der Mitarbeiter zu verhindern. Denn sobald längere Arbeitszeiten zulässig sind, werden wohl auch einige Arbeitgeber versuchen, die Leute zu längeren Diensten zu drängen, oder sie werden gleich entsprechend länger eingeplant. Gerade im medizinischen und pflegerischen Bereich halte ich es für fragwürdig, die Arbeitszeiten ausweiten zu wollen, da die Leute oft sowieso schon überlastet sind.

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» lascar » Beiträge: 4404 » Talkpoints: 780,84 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Was hätte denn der Arbeitnehmer für Vorteile? Kann er dafür einen Tag in der Woche weniger arbeiten, wenn er anderen Tagen mehr arbeitet? Dann würde das für mich einen Sinn ergeben. Ich habe auch mal in einem Betrieb ein Praktikum gemacht, wo man von Montag bis Donnerstag jeweils eine halbe Stunde länger gearbeitet hat, um Freitag dann früher nach Hause zu können.

Und es ist wohl mittlerweile nachgewiesen, wenn ein Arbeitnehmer ein längere Wochenende hat, dass er dann entspannter wieder zur Arbeit kommt. Von daher sehe ich das als Kann Option recht positiv, solange sich dabei die Wochenarbeitszeit nicht erhöht, sondern eben nur die Zeiten innerhalb einer Woche verlagert werden.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Lupenleser hat geschrieben:Angeblich wäre das auch der Wunsch zahlreicher Arbeitnehmer und sollte dieser Vorstoß gelingen, dann soll eine Ausweitung Arbeitszeit dennoch einer Freiwilligkeit unterliegen.

Ich bezweifle, dass das der Wunsch zahlreicher Arbeitnehmer ist. Und was heißt schon Freiwilligkeit von abhängig Beschäftigten. Ich glaube, dass das in noch mehr Ausbeutung endet und hier eher auf die Wünsche der Arbeitgeber eingegangen wird als auf die der Beschäftigten. Bayern bringt als Beispiel das Hotelgewerbe, wo die Gäste gerne länger feiern wollen, oder Biergärten bei schönem Wetter. Da würde eine Bedienung dann wahrscheinlich nicht einfach sagen, dass sie jetzt gehen möchte, weil ihr die Füße weh tun oder das Kind alleine zu Hause ist, wenn sie auf den Job angewiesen ist.

In den meisten Berufen sind die Arbeitszeitregelungen wirklich als Schutz gedacht und wirken auch als Schutz. Der würde wegfallen. Für den berühmt-berüchtigten Dachdecker, der gerne als Beispiel genommen wird, ist eine Arbeit von mehr als zehn Stunden sicherlich gefährlich. In Ausnahmefällen und bestimmten Berufen ist eine längere Arbeitszeit vielleicht sinnvoll. Die Ausnahmefälle müssten aber klar geregelt sein. Aber die Ausnahmen gibt es wahrscheinlich eh schon, etwa bei Bereitschaftsdiensten.

Selbstständige oder zuhause Arbeitende, bei denen die Zeit nicht wichtig ist, sondern nur die Ergebnisse oder Termine zählen, arbeiten eh schon oft mehr als zehn Stunden am Tag. Ich habe mal als Quereinsteigerin vier Jahre als Lehrerin gearbeitet, einfach um mal zu schauen, wie das so ist als Lehrer. Da ist man nach dem Abitur mit Korrekturen eine Zeit lang mehr als zehn Stunden am Tag beschäftigt gewesen.

Ich würde klare Ausnahmen definieren, damit das nicht überhand nimmt und Menschen gerade in Berufen, die anstrengend sind und wo ein Mangel herrscht, wie etwa im Pflegebereich, nicht ausgebeutet werden. Eine Ausnahme könnte zum Beispiel im außertariflichen Bereich in bestimmten Berufen gelten, wo die Leute sehr gut verdienen und sie diesen Status bewusst gewählt haben, wissend, dass mehr von ihnen verlangt wird.

Ich wollte das nie, obwohl ich gekonnt hätte. Einer meiner Kollegen hat manchmal nach zehn Stunden ausgestempelt und ist wieder hereingekommen, weil er unbedingt noch was fertig zu machen. Aber für die meisten abhängig beschäftigten würde ich die zehn Stunden Beschränkung aber nicht aufheben.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Mir fallen auch nur sehr konstruierte Fälle ein, in denen tatsächlich die arbeitnehmende Bevölkerung davon profitieren könnte, länger als 10 Stunden am Tag buckeln zu dürfen. Allem Anschein nach liegen so gut wie alle Vorteile bei den Unternehmen, Betrieben und sonstigen Arbeitskraftprofiteuren. Und da ich eine simple Arbeitnehmerin bin, gibt es für mich und mein unmittelbares Umfeld keine Gründe, einen derartigen Vorstoß gutzuheißen.

Ich meine, klar ist es, wie im mehrfach zitierten Beispiel, gut für den Geldbeutel eines Gastwirts, wenn eine Festgesellschaft bis in den frühen Morgen feiern kann, weil seine Bedienungen 14 Stunden und mehr rumrennen und dafür sorgen dürfen, dass das Bier nicht ausgeht. Aber Ausbeutung ist es natürlich trotzdem, zumal da ich nirgends gelesen habe, dass ab der 11. Arbeitsstunde am Tag der dreifache Stundenlohn gezahlt werden muss oder so was. Sprich, du bist als Arbeitnehmerin gerade im Niedriglohnsektor dann halbtot, aber rein rechnerisch um knapp 50 Euro brutto reicher.

Die übrigen Nachteile wurden ja schon genannt. Entweder sitzen die ganz Schlauen eben noch ein paar Stunden mehr ab, oder es passieren Fehler und schlimmstenfalls Unglücke, weil die Leute physisch und psychisch nicht mehr können, was in Verlängerung den Fachkräftemangel noch vergrößern wird. Und "Freitags dafür früher gehen Dürfen" ist mittlerweile auch nur noch ein Privileg irgendwelcher Büroschranzen wie mir, bei denen keiner so genau hinschauen würde, wieso sie unbedingt über 10 Stunden hinweg ihren Papierkram hin- und herschieben muss.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Wenn ich mir meine Bürokollegen anschaue, würde ich sogar vermuten, dass die sich nach dem Wegfall der täglichen Obergrenze von 10 Stunden dazu verleiten lassen würden, noch länger zu arbeiten. Einige tendieren sowieso schon immer dazu, an der Obergrenze zu kratzen, und wenn es da kein Limit mehr gibt, bleiben sie wahrscheinlich im Büro, bis sie umkippen. Da würde ich das bisherige Limit als begrenzenden Schutz für die Mitarbeiter sehen, dass sie wenigstens ausreichend Freizeit bekommen und nicht ihr ganzes Leben der Arbeit widmen.

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» lascar » Beiträge: 4404 » Talkpoints: 780,84 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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