Sprachkurs lieber bei Muttersprachler oder bei Lehrer?

vom 14.12.2014, 17:43 Uhr

Ich habe in meinem Leben schon mehrere Sprachen gelernt. Das fing in der Oberstufe an und jetzt in der Uni setzt sich das Ganze fort. Schon in der Oberstufe gab es damals zwei Italienisch-Kurse bei zwei unterschiedlichen Lehrerinnen. Die eine Lehrerin war angeblich Muttersprachlerin, wobei ich sie nie haben Italienisch reden hören und ich diese Information daher nicht aus erster Hand bestätigen kann. Vielleicht war das ganze aber auch nur ein Gerücht, ich weiß es nicht. Die zweite Lehrerin hatte das Fach früher auch studiert und dementsprechend auch gelernt, wie man die Grammatik und Inhalte auf Italienisch gut vermittelt.

Die erste Lehrerin, die Muttersprachlerin, hatte einen richtig miesen Ruf. Sie konnte nicht wirklich erklären und dementsprechend schnitten die Schüler auch bei ihr ziemlich schlecht ab. Die zweite Lehrerin konnte dagegen sehr gut vermitteln, weil sie das eben auch im Studium gelernt hatte. Sehr viele Oberstufenschüler rissen sich darum, ausgerechnet in ihren Kurs zu kommen, weil sie eben auch so einen guten Ruf hatte.

An meiner alten Universität habe ich mal einen Sprachkurs besucht, den eine türkische Muttersprachlerin geleitet hat. Sie selbst war Studentin, was sie studiert hat, habe ich vergessen. Aber sie hat den Job eher als Aushilfe gemacht um sich eben für die Miete etwas Geld dazu zu verdienen. Sie hat die Sprache wirklich gut beherrscht, das war ohne Frage. Aber so wirklich vermitteln konnte sie nicht.

Wenn es oft um Grammatik und Regeln in der türkischen Sprache ging, hat sie einfach nur die Grammatik-Kästchen im Lehrbuch laut vorgelesen, dann einmal kurz umformuliert und dann musste man das schon verstanden haben. Sogar wenn die Regel nicht ganz klar war und man genauer nachfragte, hat sie einfach nur die Grammatik-Regel aus dem Buch rezitiert als ob sie sonst keine Ahnung hätte wovon sie spricht. Sie hat nie neue Beispiele, die nicht im Buch standen genannt und es war sehr schwer in Punkto Grammatik bei ihr mitzukommen und ihr zu folgen.

Aktuell besuche ich einen anderen Sprachkurs bei einer Dozentin, die definitiv keine Muttersprachlerin ist und das ganze auch studiert hat. Sie hat immer eine Antwort und findet auch immer sehr viele Beispiele und Erklärungen außerhalb des Lehrbuches. Bei ihr kommt man immer sehr gut mit und es ist keineswegs so, dass sie sich die ganze Zeit an dem Lehrbuch orientiert. Sie benutzt eigentlich nie dieselben Formulierungen aus dem Lehrbuch, sondern findet immer eine eigene Wortwahl und immer eigene Beispiele. Bei ihr kann man auch die dämlichsten Fragen stellen und man bekommt immer eine kompetente Antwort ohne endlose Verweise auf das Lehrbuch so nach dem Motto "Sieh zu wie du selbst klar kommst".

Daher finde ich persönlich, dass man bei voll ausgebildeten Personen besser aufgehoben ist, wenn es um den Erwerb von neuen Sprachkenntnissen angeht. Wenn man die Grundkenntnisse schon hat, dann ist man meiner Ansicht nach bei einem Muttersprachler besser aufgehoben, weil man dann nur noch vertiefen muss. So finde ich beispielsweise Tandem-Partnerschaften erst dann sinnvoll, wenn genug Kenntnisse vorhanden sind und man im Prinzip nur noch praktische Anwendungen im Alltag braucht.

Wie seht ihr das? Würdet ihr einen Sprachkurs bei einem Muttersprachler oder bei einer voll ausgebildeten Lehrperson vorziehen, wenn ihr eine neue Sprache lernen wollt? Warum ist das so?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich habe Germanistik studiert und glaube, mich gut mit der Grammatik meiner Muttersprache aus zu kennen. Sicher besser als der Großteil der Muttersprachler. Aber wer in den Prüfungen in den Seminaren zur Grammatik immer am besten abgeschnitten hat, waren komischerweise unsere internationalen Studenten. Die aus Erasmus Programmen und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund.

Das hängt vermutlich damit zusammen, dass solche Leute eine größere Distanz zur Sprache haben und Grammatik analytischer angehen und ihnen da das Bauchgefühl nicht dazwischen kommt und auch kein Dialekt.

Ob jemand eine Sprache unterrichten kann, hängt nicht nur von den Kenntnissen der Sprachwissenschaft im Allgemeinen ab. Dazu gehört auch eine ganze Menge Sprachdidaktik. Nicht umsonst müssen Lehrer für Fremdsprachen an Schulen auch eine Fachdidaktik lernen. Und Fremdsprachen zu lehren ist nicht einfach. Zudem haben sich die Unterrichtstechniken da in den letzten Jahren extrem verändert. Es kann also sein, dass es bei den Muttersprachlern nicht am Wissen scheiterte, sondern schlicht an einem Mangel an Erfahrung, wie man Wissen über Sprache und Grammatik vermittelt.

Es gibt an der Uni ja auch einige hochdotierte Wissenschaftler, die sich einfach nur grauenvoll anstellen, ihr Wissen so verständlich zu lehren, dass die Studenten gut abschneiden. Dann rennen die Studenten scharenweise in die Tutorien. Nur weil man von einer Sache bescheid weiß, heißt das noch lange nicht, dass man ein guter Lehrer ist und erklären kann.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich hatte beides und fand auf jeden Fall den Unterricht bei dem Muttersprachler viel interessanter. Es war einfach lustiger, da er eine ganz andere Herangehensweise hatte und dabei auch gar nicht so gut Deutsch sprechen konnte, sondern maximal ein paar Brocken und sonst alles in Englisch erklärt wurde oder in Französisch, seiner Muttersprache, die es auch zu unterrichten galt. Man denkt nun vielleicht im ersten Moment, das kann ja gar nichts werden, aber es wurde etwas und ich habe auf eine andere Art und Weise, aber deutlich mehr gelernt als vorher.

Beim Lehrer kommt es immer darauf an, welchen Typ man vor sich hat. Ich hatte mal einen Lehrer, der sein Wissen nur aus dem Lehrbuch und dessen Lösungsbuch bezog. Das heißt mehr wusste er auch wirklich nicht und jede Frage, die nicht im Buch stand konnte er nicht beantworten. So etwas geht natürlich gar nicht.

Dann hatte ich noch eine Lehrerin, die es auch super gemacht hat und einfach die Sprachen, die sie so gesprochen hat, mit einfließen lassen hat. Sie erklärte also die Unterschiede in den verschiedenen Sprachen und dass sich manche Vokabeln einfach sehr ähneln und so weiter. Das war auch sehr interessant und man hat viel gelernt. Sie hat auch Schulbücher mit geschrieben und hatte daher auch viel Wissen.

Es kommt also nicht zwingend darauf an, welche Sprache man als Muttersprache hat, sondern wie man den sprachlichen Stoff vermittelt und wie sehr man die Schüler dafür begeistern kann, es kommt also immer auf die Person an, die vor einem steht und deren Charakter.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann. Es gibt Leute, die trotz Lehramtsstudium keine guten Lehrer sind und es gibt Leute, die gut erklären können obwohl sie das nie professionell gelernt haben.

Aber wenn ich mal von mir ausgehe - ich habe keine Ahnung von deutscher Grammatik. Ich wende sie natürlich in den allermeisten Fällen korrekt an, aber was welcher Fall ist und warum man irgendwas so und nicht anders sagt könnte ich spontan nicht erklären. Bei englischer Grammatik sieht es etwas besser aus, aber auch nur weil die logischer ist als die deutsche. In französischer Grammatik bin ich recht gut und das ist die einzige Sprache, die ich fließend spreche und von Null lernen musste.

Für Sprachkurse gibt es ja aber eigentlich immer begleitende Literatur, da könnte man sich als muttersprachliche Lehrerin sicher einlesen vor der Unterrichtsstunde.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Zurzeit bin ich Teilnehmer eines Anfängerkurses für Finnisch. Die Lehrerin ist Deutsche, hat aber jahrelang in Finnland gelebt. Einerseits kann sie gut erklären, aber es kommt immer wieder vor, dass sie eben doch nicht so genau weiß, wie eine bestimmte grammatische Anwendung in bestimmten Fällen korrekt lautet, bzw. wie ein Finne es normalerweise sagen würde. Dazu kommt, dass sie zwar sehr nett ist und locker und unterhaltsam erklären kann, aber andererseits dazu neigt, sich in Plaudereien zu verzetteln. Am Ende der Stunde haben wir uns zwar dann ausgiebig über Finnland unterhalten, haben aber eigentlich kaum sprachliche Fortschritte gemacht.

Im Vergleich dazu hatte ich vor zwei Jahren einen Kurs in brasilianischem Portugiesisch bei einer Brasilianerin. Ich fand es bei ihr im Vergleich besser, weil sie im Kurs viel mehr Portugiesisch gesprochen hat und uns sozusagen "gezwungen" hat, aufmerksam zuzuhören. Wir mussten versuchen, sie zu verstehen, auch wenn es am Anfang sehr schwierig war. Aber im Endeffekt fand ich den Lerneffekt größer.

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» lascar » Beiträge: 4414 » Talkpoints: 782,29 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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