Sich erst im mittleren Lebensalter richtig modisch entfalten

vom 29.08.2020, 21:21 Uhr

Mich würde interessieren, ob ihr euch jetzt – also als Personen, die „mitten im Leben“ stehen – anders kleidet als früher und euch dabei mehr Freiheiten heraus nehmt. Mit geht es nämlich so. In meiner Schulzeit konnte ich nicht tragen was ich wollte, weil man in der Klasse gemobbt wurde, wenn man zu sehr von der Norm abwich. Im Studium war es auch so.

Als ich noch angestellt gearbeitet habe, gab es in manchen Firmen wirklich explizit Firmenkleidung und nachdem sich mal ein Kunden beschwerte, dass ich nicht meiner Position entsprechend gekleidet bin, wurde ich auch gezwungen, die anzuziehen - furchtbare Polo-Shirts, ich hatte Poloshirts. Oder es gab eine Art inoffizielle Kleiderordnung, dass das alles irgendwie business-mäßig auszusehen hat.

Ich war aber schon eher der Jeans-Und-Shirt-Typ und kam mir da verkleidet vor bzw. habe mich auch unwohl gefühlt. Blüschen und Polohemden oder Anzughosen waren nie meins. Da ich nun aber selbstständig bin, kann mir keiner mehr vorschreiben, was ich anzuziehen habe, weder direkt noch indirekt. Wer ein großes Problem mit meinem Style hat, der sucht sich halt einen anderen Anbieter, aber ich habe bisher auch noch keine negativen Reaktionen mitbekommen. Mir ist lediglich aufgefallen, dass ich nicht gleich „erkannt“ werde. Meine Klienten erwarten wahrscheinlich, wenn sie einen Termin bei Dr. XY haben, eine etwas anders aussehende Person als mich, aber zu großartigen Irritationen hat es bisher nicht geführt.

Auch bei meinem Nebenjob an der Uni läuft auch jeder herum wie er will - manche tragen Anzug, manche sind im Öko-Style, manche in Kleidchen und ich habe auch eine Kollegin, die gern sehr körperbetont und sexy ins Büro kommt. Es ist also nicht wie im Studium, dass da alle auf vornehm machen, sondern bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern herrscht modetechnisch irgendwie Narrenfreiheit.

Ich trage gern Shirts und das auch gern auffällige, mit Comic-Motiven oder so oder mal einen Touch Gothik. Wobei ich nun nicht komplett im Wave-Outfit arbeiten gehe, aber mal ein Shirt mit Skull-Motiv oder eine schwarze Jeans mit Destroyed-Effekten trage ich schon gern. Meistens kombiniere ich die Shirts dann für Anlässe, bei denen es doch etwas besser aussehen soll, mit einer Weste. Das gefällt mir ziemlich gut. Ich hatte auch schon ein Leo-Kleid mit Lederweste an und darunter eine schwarz Leggings oder diverse Bandshirts, hat keinen gestört. Außerdem liebe ich Plateau-Schuhe. Zudem habe ich angefangen, mir die Haare manchmal bunt zu färben. Das hätte ich mir im Studium nie getraut, da hätte es blöde Kommentare der tussigen Mitstudentinnen gegeben. Aber wer soll mich daran hindern? Aktuell habe ich mir beispielsweise die Spitzen Blau gefärbt. Da kann ich dann die Frisur variieren, je nach Art des Hochsteckens sieht man die blauen Spitzen oder eben nicht.

Immer mehr merke ich, wie ich meinen persönlichen Style entdecke. Nur schade, das es erst so spät ist. Ich finde das total traurig, dass man gerade in jungen Jahren, wo man sich vielleicht erst recht abheben will oder sich ausleben möchte, von anderen genötigt wird, das zu tragen, was alle tragen – weil man sonst gemobbt wird oder im Arbeitsleben zurechtgewiesen. Dabei ist Kleidung so eine grundlegende Möglichkeit, sich auszudrücken und zu verwirklichen. Jenseits der 30 ist man vielleicht erstmal richtig frei von irgendwelchen Zwängen. Geht es euch auch so? Lebt ihr euch modisch heute mehr aus als in der Jugend?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Interessant. Bei mir ist das tatsächlich eher umgekehrt. An meinem Gymnasium gab es schon eine Gruppe, die sich sehr über Kleidung und Marken definiert hat, aber auch viele Gruppen, die eher "alternativ" unterwegs waren oder denen das Äußere eher unwichtig war. Ich habe nie mitbekommen, dass jemand wegen der Kleidung gemobbt wurde, aber man hatte halt den "passenden" Freundeskreis, was ich Nachhinein schon ein bisschen Schade finde, weil man sich auch mit Leuten, die andere Musik hören und dementsprechend anders aussehen gut verstehen kann. Das merke ich jetzt auf den Klassentreffen immer wieder.

An der Uni war optisch auch alles vertreten. In meinem Studiengang gab es Leute, die sich auch selber als Kunstwerk darstellen wollten und Leute, die schon mit einem Auge auf die große Karriere in der Industrie geschielt haben und entsprechend konservativer gekleidet waren. Und die meisten lagen einfach irgendwo dazwischen.

Ich selber habe mich in der Zeit modisch in diversen Stilrichtungen ausprobiert. Haarfarben habe ich zum Beispiel fast alle durch, von Weiß bis Schwarz, von gestreift bis Farbverlauf. Und irgendwann hatte ich einfach keine Lust mehr auf den ganzen Aufwand (meine Naturfarbe ist dunkel, ich musste immer bleichen, außer für Schwarz) und habe beschlossen meine Zeit und mein Geld in Zukunft für etwas anderes zu nutzen.

Dem "modischen entfalten" kann ich trotzdem zustimmen. Ich denke es ist normal, dass man eine Zeit braucht bis man den Stil findet, mit dem man wirklich zufrieden ist und den man dann auch als "seinen" Stil empfindet. Ich bin mit meinem eher minimalistischen Stil viel zufriedener als früher und sehe es in gewisser Weise schon als Befreiung von Zwängen, dass ich heute die meisten Trends ignoriere und auch mal ein halbes Jahr oder länger gar keine neuen Sachen kaufen kann und nicht mehr glaube, dass ich irgendwas neues "brauche".

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Als Kind oder auch Jugendliche wurde mein Kleidungsstil von meinen Eltern bestimmt. Eigenes Geld hatte ich nicht oder nicht in der Menge, dass man damit wirklich etwas anfangen konnte. Deswegen wurde ich gemobbt, als Oma bezeichnet, weil es einfach nicht schön aussieht, wenn man mit Rüschen gekleidet in die Schule kommt oder mit möglichst günstigen Sachen. Es ist nicht so, dass meine Eltern am Hungertuch nagen, ganz im Gegenteil, aber irgendwie hat meine Mutter nie eingesehen auch Geld für Kleidung ausgeben zu wollen.

Als ich mir dann selber meine Kleidung gekauft habe, war es tatsächlich so, dass ich zunächst ein bisschen etwas ausprobiert habe und nun habe ich meinen Stil gefunden. Modisch ist ja auch immer dem Trend folgend und das würde ich nicht so sehen. Ich habe meinen eigenen Stil und bin damit sehr zufrieden, Menschen entwickeln sich ja auch weiter und daher finde ich es normal, dass man irgendwann weiß was man will und es sich auch leisten kann.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich bin in der Hinsicht insofern seltsam, dass mich Mode nie wirklich interessiert hat. Wenn man von ein paar zaghaften modischen Ausrutschern in der Pubertät absieht, war und bin ich immer in "Basics" unterwegs. Sprich 99% Jeans und ein schlichtes, meistens einfarbiges Oberteil, winters bevorzugt Rollkragenpulli. Die Haare habe ich mir nie gefärbt, nicht weil ich buntes Haupthaar irgendwie für verwerflich halte, sondern weil mir der Aufwand einfach zu viel war. Friseur ist teuer und das Zeug aus der Drogerie zum Selberfärben fand und finde ich hässlich.

Für mich hat Kleidung noch nie bedeutet, dass ich mich "entfalte" oder meine Persönlichkeit ausdrücke. Dafür habe ich andere Kanäle. Ich will im Alltag auch weder auffallen noch mich dadurch ausleben, dass ich wie eine Kollegin Leoprint mit Steppweste kombiniere, sondern lediglich ordentlich aussehen und nicht frieren. Auch zu "Anlässen" kleide ich mich nicht auffällig, sondern trage eben ein schlichtes Kleid, damit der Form Genüge getan ist, die sagt: Jeans sind nicht immer die erste Wahl. Ich habe und hatte nie das Gefühl, dadurch etwas zu verpassen, dass ich keinen individuellen "Style" pflege.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Zu meiner Schulzeit gab es noch gar keinen sogenannten Gruppenzwang, was Kleidung anging. Wobei ich schon da meinen eigenen Kopf hatte und nie irgendwelcher Mode nachgerannt bin. Ich habe das angezogen, was mir gefallen hat und mir war es da auch schon recht egal, was andere davon halten.

So lebe ich auch noch heute. Ich muss mich wohl fühlen und wenn dem so ist, dann merkt man mir das auch an. So habe ich im Alltag auch eher Jeans an, im Sommer bei extremer Hitze auch mal Stoffhosen und wenn ich ausgehe, dann darf auch mal ein Kleid sein. Je nachdem, wie mir gerade ist.

Aber ich kann nicht sagen, dass ich mich jetzt erst richtig modisch entfalte. Mag aber auch daran liegen, dass meine Eltern mich sehr früh haben allein entscheiden lassen, was gekauft wird. Daher habe ich selbst da nie einen Zwang erlebt, dass mir von zu Hause aus irgendwas vorgeschrieben wurde.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich kann das was du schreibst, schon sehr gut nachvollziehen. Mir geht es da auch so ähnlich. Ich komme aus einem sehr kleinen Ort, wo jeder jeden kennt. Die Leute leben da teilweise hinterm Mond und schauen schon blöd, wenn eine Frau mal hohe Schuhe trägt oder sich nicht kleidet, wie eine graue Maus. Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt hatte, habe ich mich allein deshalb schon sehr unauffällig gekleidet, da die Leute sonst sofort tuschelten, aus dem Fenster starrten oder meinten, das Outfit kommentieren zu müssen. Ich wollte da auf keinen Fall auffallen.

Zum anderen kleideten sich meine Klassenkameraden, die hauptsächlich aus dem Dorf kamen, natürlich dementsprechend auch sehr unauffällig. Sobald jemand nur eine kräftigere Farbe wie Rot an hatte, wurde sofort geredet. Da hatte ich es mich auch nicht getraut, das anzuziehen, was ich wirklich gerne angezogen hätte. Teilweise war es mir egal, aber teilweise habe ich mich schon angepasst. Noch dazu kam, dass meine Eltern eben sehr bestimmerisch und dominant waren. Meine Mutter wollte immer entscheiden, was ich trage und musste überall ihren Senf dazugeben. Von daher habe ich mich da schon sehr nach ihr gerichtet.

Mittlerweile wohne ich in einer Großstadt, so dass man hier täglich ohnehin alle möglichen und unmöglichen Outfits zu Gesicht bekommt. Nicht einmal Leute mit blauem Lippenstift oder gelben Haaren fallen hier auf. Nachdem ich natürlich auch schon längst aus dem Elternhaus ausgezogen bin und es auch in meiner Arbeit keinen Dresscode gibt, kann ich endlich das tragen, was ich wirklich möchte. Das bedeutet nicht, dass ich mich irgendwie besonders auffällig und verrückt kleide. Ich ziehe mich noch immer "normal" an, aber ich mache mir eben keine Gedanken mehr darüber, was andere denken könnten, wenn ich mir etwas aus dem Kleiderschrank suche.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Irgendwie bin ich modische wohl ein Ausreißer. Ich kleide mich noch heute so, wie ich es schon mit 17 gemacht habe und die Frisuren sind auch nicht anders. Das bin einfach, so fühle ich mich wohl und es steht mir auch noch. Aber ich hatte auch das Glück, dass ich seit der Grundschule selbst über meine Kleidung bestimmen konnte.

Meine Mutter hat mich vollkommen zufrieden gelassen, lediglich für bestimmte Anlässe war die Mode vorgegeben. Das fand ich damals ziemlich doof, aber im Rückblick hat es sich als Glücksfall erwiesen. Denn wenn ich früher und heute zu einer formelleren Garderobe gezwungen bin, muss ich nicht überlegen ob das angemessen ist und auch wirklich gut passt. Stattdessen kann ich bequem den Rahmen abstecken, in dem ich mich auch noch wohl fühle.

Dazu kommt, dass mich Mode nur wenig interessiert. Was auch immer gerade "in" ist, ich trage, was mit gefällt. Die Sachen sind dann zwar schwieriger zu bekommen, aber das stört mich nicht, weil ich nur kaufe, was ich brauche. Das lässt sich immer auftreiben und das Internet macht es leichter. Sandalen mit Holzsohle sind im Schuhgeschäft selten, aber online? Bestimmte Jeans? kein Thema! Und Oberteile muss ich ja sowieso zum größten Teil nähen lassen, da bin ich also völlig frei in der Wahl. :D

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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