Nicht jeder will die Digitalisierung - warum?
Das Thema Digitalisierung ist ja immer mehr im Kommen, weil es einem die Arbeit erleichtern und die Prozesse optimieren soll. Ich selber bin in meinem aktuellen Job auch für die Digitalisierung zuständig, das heißt, ich scanne sämtliche Belege, die für Buchhaltung oder steuerliche Arbeiten nötig sind, ein und lade sie dann entsprechend hoch. Mir macht diese Arbeit eigentlich Spaß, weil man sich nicht so sehr anstrengen muss. Vorher habe ich immer im Innendienst gearbeitet und hatte viel mit Kunden, Aufträgen und Bestellungen zu tun, aber das möchte ich nicht mehr.
Jedenfalls wurde ich in dem Unternehmen eingestellt, speziell für die Digitalisierung. Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass das nicht allen Kollegen gefällt, dass ich da bin. Gerade die, die schon länger dort arbeiten, haben sich am Anfang schon sehr dagegen gesträubt, weil sie ihre Belege am liebsten weiterhin von Hand blättern und sozusagen, manuell buchen wollten. Unser Chef aber möchte alles modernisieren, da im nächsten Jahr drei Mitarbeiterinnen in Rente gehen werden und er keine Nachfolge bekommt - der Fachkräftemangel eben.
Mittlerweile kommt die eine oder andere Kollegin auch mal zu mir und bringt mir Ordner zum Einscannen, aber das Ganze läuft noch sehr schleppend. 90 Prozent meiner Aufgaben bekomme ich vom Chef, was ja an sich auch nicht schlimm ist, aber ich würde mir schon wünschen, endlich eigenständig arbeiten zu können, denn ich bin jetzt sieben Monate dort und komme mir immer noch vor, wie eine Praktikantin, weil ich immer nach Arbeit fragen muss. Das ist das, was mir gerade sehr zu schaffen macht, weil ich so etwas aus meinen vergangenen Jobs überhaupt nicht kenne.
Ich kann es auf eine Art auch verstehen, denn es ist nie leicht, sich auf etwas Neues einzulassen, gerade wenn man schon zehn oder sogar dreißig Jahre in einem Unternehmen ist und es eben "schon immer so gemacht wurde". Was denkt Ihr, hat hier auch schon jemand solche oder ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie geht Ihr damit um?
Zu diesem Thema hatte ich seinerzeit schon geantwortet:hier. Die Bestellvorgänge laufen eben anders ab unter Verwendung von SAP. Das hatte ich in dem verlinkten Beitrag bereits mehr oder weniger ausführlich dargestellt. Vor Ausspähung von Geschäftsgeheimnissen und Betrugsversuchen braucht sich Euer Chef nicht zu fürchten, denn sonst hätte er ja nicht mit der Modernisierung begonnen. Nach wie vor ist aber eine gewisse Vorsicht vonnöten.
Gerade letztens war im Fernsehen eine Sendung, die vor den potenziellen Gefahren der "Digitalisierung" warnte. Am 28. Mai 2025 lief die Spezialfolge „Aktenzeichen XY… Vorsicht, Betrug!“ Eine E-Mailadresse war geschickt gefälscht worden und die Sachbearbeiter bemerkten das zu spät. "Man in the Middle" klinkt sich in die Firmenkorrespondenz ein und lenkt Geld auf fremdes Konto.
Bei uns konnte das nicht passieren, da derartige Infos, zum Beispiel Kontoänderungen oder Änderung der Zahlungsbedingungen stets doppelt verifiziert werden mussten. Das heißt, eine E-Mail mit den Daten reichten nicht. Es musste immer noch der bekannte Geschäftspartner unter seiner Telefon- oder Faxnummer benachrichtigt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Telefon vom "Man in the Middle" angezapft worden ist, könnte rein theoretisch bei Benutzung nur eines einzigen Mediums, also Smartphone für E-Mail-Versand und gleichzeitig Telefonie auch möglich sein. Deswegen Telefonie über Festnetz auf beiden Seiten.
Hier im Beitrag geht es (wie gesagt) aber nicht um den sorgfältigen Umgang mit Daten, sondern mehr um die Reaktion der Arbeitskollegen. Der Widerstand ist zu überwinden. Wenn Kollegen nicht mitziehen wollen, dafür gab es in unserer Firma regelmäßige Meetings. Da konnte jeder sein Herz ausschütten. Und die Key performance Indikatoren (kurz KPIs) wurden ausgiebig diskutiert. Wieso es bei bestimmten Abläufen hakt, wie man das besser machen könnte. Und, das ist jetzt äußerst wichtig, ein Rollieren in den Aufgabenbereichen wurde eingeführt. Damit nicht bei Urlaub des einen "spezialisierten" Kollegen die ganze Arbeit liegenbleibt, wird sukzessive jeder in die verschiedenen Fachbereiche eingeführt,
Für Eure Firma bedeutete dies, dass Schritt für Schritt jeder einmal dran ist, Schriftverkehr abzuscannen und weiterzuleiten etc. Das bedeutete aber auch, dass der Chef mit den Lizenzgebühren nicht so knauserig sein sollte. Er sollte dann auch Lizenzen der Software für mehrere Arbeitskollegen und Arbeitsplätze erwerben. Schnell wird dann auch für die vielleicht jetzt noch skeptischen Arbeitskollegen klar, dass Du nicht den privilegierten Job hast, sondern dass auch hierbei gewisse Dinge sehr sorgsam und mit Mühe behaftet beachtet werden müssen.
An unserem Chef liegt es nicht, jeder Mitarbeiter hat zwei Bildschirme und alle Lizenzen und Zugänge, die notwendig sind. Ich denke eher, dass es einigen schwer fällt, alte Gewohnheiten abzulegen und etwas neues zu machen. Und dadurch wirke ich wie der "Buhmann", weil ich das Ganze ja mit vorantreiben soll.
Das die Einführung neuer Arbeitsabläufe nicht so glatt vonstatten geht, ist eine Tatsache, der man häufig gegenübersteht. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass mich mein Chef beim Vorstellungsgespräch direkt fragte, ob ich Ahnung von SAP hätte. Obwohl ich dies korrekterweise verneinen musste, bekam ich die Stelle. Dann ging es direkt in den Kurs. Und dann in die sukzessive Umkrempelung von Lagerhaltung, Bestellabwicklung, kurzum das gesamte Buchhalterische.
Dabei musste erst ein Materialstamm für insgesamt etwa 10000 unterschiedliche Teile erarbeitet werden. Aber auch sogenannte "unstockable" Items, also nicht physisch Lagerplatz beanspruchende Dinge ebenfalls ins System eingepflegt werden. Als da wären zum Beispiel Lizenzen und Dienstleistungen des Personals.
Jetzt einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten bei gleichzeitigem Umkrempeln, war nicht ganz so einfach. Nach etwa einem halben Jahr waren dann diese Dinge so recht und schlecht in die tägliche Praxis übernommen worden.
Dass Deine Situation etwas komfortabler zu sein scheint, sehe ich schon daran, dass bei Euch jeder Mitarbeiter seinen eigenen PC-Arbeitsplatz besitzt. Eigentlich könnte man erwarten, dass die Kollegen in der Hinsicht fit sind. Was ich mir vorstelle, ist, dass eine Dokumentationspflicht besteht, die dann neben der neuerlich gesetzlich vorgeschriebenen Belegen in EDV-Form, noch gerne extra in Aktenordnern direkt neben dem Schreibtisch abgeheftet werden möchte.
Die Kollegen meinen sicherlich, es ginge schneller, auf Anfragen der Kunden zu antworten, wenn die Belege händisch durchgeblättert werden können. Oder einfach etwas in der Hand haben wollen, womit sie nötigenfalls zeigen können, was sie den lieben langen Tag so getrieben haben.
Hier kommt es nun darauf an, den Mitarbeitern die Vorzüge des digitalen Durchscrollens von mehrseitigen PDF-Files zum Beispiel zu demonstrieren. Und vor allem, dass Belege, die von mehreren Abteilungen eingesehen und bearbeitet werden müssen, dann quasi simultan verfügbar sind, ohne, dass viel Lauferei mit vollgestopften Aktenwägelchen nötig ist.
Man kann dann auch die "Dokumente" nur zum Lesen "freigeben". Die auf eine Cloud oder sonstige "sharable" Datenträger, also für mehrere zugängliche Speicherorte, für die Bearbeitung sperren oder aktualisieren und erneut freigeben.
Das war ja bei "uns" erst das große Problem. Eine Access-Datenbank konnte nur für einen User freigegeben werden. Die anderen konnten dann keine Aktualisierungen vornehmen, mussten erst den momentanen User antelefonieren, aus der Datenbank auszuloggen, damit sie selber zum Beispiel Bestände korrigieren konnten.
Bei SAP klappte das dagegen ohne Probleme. Voll netzwerkfähig, voll sharable. Und darüber hinaus mit der Möglichkeit "Reports" zu ziehen. Also, im Fernsehen sieht man oft den Sketch, wo der Chef sagt: "Ich muss bis morgen eine Aufstellung aller Aufträge haben", oder so. Die Sekretärin geht dann hin und klappert alle Belege durch. Das kann SAP mit entsprechenden Transaktionscodes schon in Minutenschnelle. Damit aber nicht jeder das macht, bekommt nur der Manager die Berechtigung dazu. Braucht also erst garnicht bis "Morgen" zu warten, bis die Sekretärin damit fertig ist.
Wollte damit sagen, die Digitalisierung bringt bei entsprechenden Investitionen in die Hard- und Software entscheidende Vorteile. Wenn nun ein Kollege unbedingt eine Hardcopy, also ein bedrucktes Blatt Papier haben möchte, war es bei uns so, dass der Scan mit Druckauftrag an einen Netzwerkdrucker gesendet werden konnte, der den Ausdruck an dem Gerät, das dem Schreibtisch des Anforderers am nächsten steht, vornimmt. Und das sogar über Gebäudegrenzen hinweg, ohne dass Gebühren für Fax entsteht. Vorausgesetzt, das private Netzwerk ist groß genug und dafür eingerichtet.
Der entsprechende Kollege hatte dann seine persönlichen "Auftragskopien" abgeheftet und konnte nach Abschluss und turnusmäßiger Kontrolle die Papierflut in den Aktenvernichter stecken. Die Aktenordner waren dann wieder für neue Aufträge bereit. Anders verhält es sich mit der Aufbewahrungspflicht. Wie der Gesetzgeber das mit der zehnjährigen Aufbewahrungspflicht von zum Beispiel Lieferscheinen in Zukunft handhaben wird, sehe ich schon kommen. Alles auf Datenträger. Keine tonnenweise Aktenordner mehr. Mit gewissen Ausnahmen.
Das Grundbuchamt macht das schon so. Ich merkte das daran, dass auf einem Auszug stand, das aufgrund der Digitalisierung die Markierungen in Rot auf einigen Dokumenten fehlen würde. Die Echtheit ist dann trotz digitaler Kopie gegeben.
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