Lohnen sich Hausbesuche für Ärzte und Therapeuten?

vom 20.06.2018, 16:28 Uhr

Es ist schwer noch einen Hausarzt zu finden, der auch Hausbesuche macht und wenn, dann nur im nahen Umkreis, also direkt im Ort. Ein Nachbarort ist da schon schwierig und gerade für ältere Menschen ist es oft sehr schwer zu einem Arzt zu gehen, weil eine Begleitung oft auch fehlt. Eine Bekannte ist umgezogen und sucht einen neuen Hausarzt, der auch Hausbesuche macht, aber das ist nicht so einfach. Überall hört sie, dass es sich für Ärzte und sogar auch für Therapeuten nicht lohnt ins Haus zu kommen und dort eine Therapie zu machen oder zu untersuchen.

Gibt es bei euch noch Ärzte, die Hausbesuche im Notfall machen oder ist es schwer, weil es sich für diese gar nicht mehr lohnt? Eine Bekannte bekam von ihrem Arzt gesagt, dass er keine Hausbesuche macht und sie den Notarzt rufen soll, wenn was ist. Sollte man da eigentlich nicht eher von absehen und schauen, dass ein Arzt gerufen wird, weil hier in Deutschland zu oft Notärzte gerufen werden? Ist es für "normale" ortsansässige Ärzte nicht mehr lohnenswert?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Rechne es doch einfach selbst aus. Ein Heim- oder Hausbesuch bringt in meinem Kammerbezirk 19,59 Euro. Ein Mitbesuch, also wenn mehrere Patienten am gleichen Ort leben, bringt 14,32 Euro. Ob der Arzt das Geld auch bekommt, das hängt ganz stark vom Tätigkeitsort ab.

In Schleswig-Holstein ist der Hausbesuch nicht vom sogenannten Regelleistungsvolumen betroffen. Hier wird separat und voll bezahlt. Das sieht in Nordrhein in Nordrhein-Westfalen ganz andere aus. Hier werden normale Besuche voll übernommen, für dringende Besuche gibt es ein Kontingent. Je mehr dringende Besuche der Arzt macht, desto weniger Vergütung pro Besuch. In Westfalen gibt es ein generelles Kontingent. Besuche, die darüber hinaus geleistet werden, gibt es nur 20 Prozent.

Würdest du in Westfalen Hausbesuche machen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt? Zumal man die Relation insgesamt sehen muss. Der Handwerker, der nach der kaputten Waschmaschine sieht, bekommt für Anfahrt und Diagnose ohne Reparatur mehr.

Wie unterschiedlich sich die Vergütung auswirkt, zeigen folgende Zahlen. Zwischen 2012 und dem letzten Jahr sind im Rheinland die Hausbesuche von 3,2 Millionen auf 3,5 Millionen gestiegen. Der Bedarf ist ja da. In Westfalen sind die Hausbesuche dagegen von 1,8 Millionen auf 1,5 Millionen gefallen. Frage mal, was hier los ist, wenn nur ein Bewohner in einem Altenheim Probleme mit dem Katheter hat. Reihum einmal tauschen, das geht. Aber nur ein Patient?

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


cooper75 hat geschrieben:Frage mal, was hier los ist, wenn nur ein Bewohner in einem Altenheim Probleme mit dem Katheter hat.

Dann kommt der Kassenärztliche Notdienst oder in manchen Fällen auch nur sein Fahrer und es gibt einen Einweisungsschein für das Krankenhaus, damit die Deppen in der Notaufnahme den Katheter wechseln können und dafür dann eben einen Notfallpatienten warten lassen. Sowas ist doch gängige Praxis.

Ich weiß auch nicht, ob das tatsächlich nur an der Vergütung liegt. Für die Hausärzte mag das vielleicht schon so sein, dass zumindest gemessen an anderen Berufsgruppen, so ein Hausbesuch nicht wirklich lohnenswert ist. Auf der anderen Seite ist es aber manchmal auch nur eine Frage der richtigen Abrechnung sowas lohnenswert zu gestalten.

Nicht zu vergessen ist aber sicherlich auch, dass auch so ein Hausarzt manchmal nebenbei noch Familie und Hobbys hat. Und wenn man dann 25-30 Stunden die Praxis offen hat (was ja bei vielen gar nicht reicht), nochmal 4-5 Stunden in Pflegeheimen verbringt und das ganze dann auch noch irgendwie alles abrechnen muss und damit teilweise eben auch auf 50-60 Stunden pro Woche kommt, dann hat man vielleicht auch einfach keinen Bock mehr nochmal zusätzlich durch Hausbesuche etliche Stunden oben drauf zu packen. Zumal man ja während der Fahrt keinen Patienten behandeln kann und das dann vergeudete Zeit ist.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Also mein Hausarzt, den ich Gott sei Dank nicht oft aufsuchen muss, bietet im Notfall Hausbesuche an. Aber wirklich nur wenn der Patient gar nicht in die Praxis kommen kann es aber nicht so schlimm ist um gleich den Notdienst rufen zu müssen. Vor kurzem hatte beispielsweise eine ältere Dame einen Unfall und ist am Rücken operiert worden. Als Sie wieder zu Hause war brauchte sie eben einmal ihren Arzt konnte aber noch nicht wieder Auto fahren. Also ist er zu ihr gekommen da ja kein akuter Notfall vorgelegen hat der einen Notarzt Besuch gerechtfertigt hätte. Aber ich weiß von Freunden das dies wohl eher die Ausnahme als die Regel ist. Die neusten Ärzte bieten keine Hausbesuche mehr an.

Und das liegt einzig und allein an der schlechten Bezahlung. Es ist traurig aber es lohnt sich für einen Arzt einfach nicht mehr seine Patienten zu Hause zu besuchen. Das ein Handwerker teilweise das dreifache bekommt als ein Arzt (wenn man in diesem Beispiel nun die einfache Arbeitszeit rechnet) ist schon mehr als traurig.

» Anijenije » Beiträge: 2730 » Talkpoints: 53,02 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



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