Ist Auslandsaufenthalt für Studenten psychologisch wertvoll?

vom 11.10.2018, 12:15 Uhr

Bis 2020 soll jeder zweiter Hochschulabsolvent auch die Möglichkeit für studienbezogene Aufenthalte im Ausland erhalten. Das soll sich durchaus auch positiv auf die Psyche der Studenten auswirken. Diese sollen dadurch offener, toleranter und auch geselliger werden. Das wollen Psychologen der Uni Lüneburg herausgefunden haben.

Ich frage mich, ob es nicht generell Schülern und Studenten gut tut, wenn sie die Möglichkeit zu einen Aufenthalt im Ausland bekommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich auch positiv auf die Psyche auswirkt und die Absolventen dadurch auch selbstständiger werden.

Meint ihr, dass ein Auslandsaufenthalt für Studenten durchaus psychologisch wertvoll ist? Sollten deswegen alleine schon mehr Studenten die Möglichkeit dazu bekommen? Habt ihr selbst so einen studienbezogenen Aufenthalt im Ausland gemacht? Hat sich dieser auch positiv auf eure Psyche ausgewirkt?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Zu meiner Zeit hat es solche geplanten Auslandsaufenthalte für Studenten noch nicht gegeben. Ich habe daher immer nur private Reisen ins Ausland gemacht, die leider nie studienbezogen waren. Ich persönlich fände es gut und wundere mich eher ein wenig, dass sich solche Pläne nur auf Studenten beziehen sollen. Meiner Ansicht nach täte es jedem jungen Menschen gut, mal eine Zeitlang im Ausland zu leben.

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» lascar » Beiträge: 4412 » Talkpoints: 782,06 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Meiner Meinung nach kann es den allermeisten Studis, die mir im Job so unterkommen, nur gut tun, zu erfahren, wie es ist, wenn man die gewohnte Umgebung mal verlässt und etwas Lebenserfahrung sammelt. Bei vielen habe ich nämlich den Eindruck, dass diese aus der Schüler- und Teenagermentalität gar nicht herauswachsen können, weil ja mittlerweile auch die Hochschulbildung derart verschult ist, dass die Leute erst im Berufsleben gefühlt ihre ersten eigenen Entscheidungen treffen müssen.

Von daher glaube ich schon, dass ein Auslandsaufenthalt der psychischen und persönlichen Gründen vielen jungen Leuten gut tut, aber dafür müssten meines Erachtens verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Es bringt nichts außer Kosten, wenn man die Leute quasi jahrgangsweise für drei Monate nach Polen oder Großbritannien karrt und da genauso rundum betreut wie in der Heimat.

Auch sollten gewisse akademische Anforderungen erfüllt werden müssen, damit die Jugend nicht nur zum Saufen und Einheimische belästigen ins Ausland fährt, sondern auch fürs Studium etwas lernt. Und im Idealfall sollte ein tatsächlicher Austausch zustandekommen, sprich, die ganzen Wohlstandsbälger sollten nicht nur unter sich bleiben können, sondern gezwungenermaßen neue Erfahrungen sammeln.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Meiner Meinung nach kann es den allermeisten Studis, die mir im Job so unterkommen, nur gut tun, zu erfahren, wie es ist, wenn man die gewohnte Umgebung mal verlässt und etwas Lebenserfahrung sammelt. Bei vielen habe ich nämlich den Eindruck, dass diese aus der Schüler- und Teenagermentalität gar nicht herauswachsen können, weil ja mittlerweile auch die Hochschulbildung derart verschult ist, dass die Leute erst im Berufsleben gefühlt ihre ersten eigenen Entscheidungen treffen müssen.

Nicht nur das. Ich finde, du hast einen wichtigen Aspekt vergessen und das ist der Aspekt, wo man während dem Studium wohnt. Ich habe oft den Eindruck, dass gerade die Studenten, die dann im Elternhaus wohnen bleiben und dann studieren gehen, ziemlich unreif bleiben und nur spät erwachsen werden. Dann läuft es tatsächlich wie in der Schule, nur eben auf das Studium bezogen: man geht weg um zu lernen, schreibt Klausuren und Hausarbeiten und Mami kümmert sich um Wäsche, Einkaufen, Putzen und Kochen und man wird von vorne bis hinten umsorgt als wäre man noch ein Schüler und ein Kind, das nichts alleine kann.

Ich finde nicht, dass ein Auslandsaufenthalt zwingend notwendig ist, um geistig zu reifen. Bei vielen reicht es auch einfach aus, wenn sie einen Studienort auswählen, der so weit weg von der Heimat ist, dass eine Pendelei unzumutbar ist und man eben ausziehen und sein Leben selbstständig auf die Reihe kriegen muss. Die meisten sind nur zu faul dazu und pendeln lieber. Hotel Mama ist ja auch so praktisch. Man rechtfertigt es zwar damit, dass man sich so besser auf das Lernen konzentrieren könnte und dann eben bessere Noten hätte, weil man die Zeit nicht mit Putzen, Kochen und Einkaufen verschwendet, aber dass geistige Reife, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit auch eine wichtige Rolle spielt bei der Jobsuche später, darauf kommt keiner.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ein Auslandsaufenthalt kann den eigenen Horizont erweitern. Ich konnte während meines Aufenthalts in Brüssel sehr gute Netzwerke in kurzer Zeit bilden. Dennoch für eine/n normale/n Student/in ist es eine kostspielige Angelegenheit. Es bleibt nach wie vor ein Privileg der Kinder von Familien mit etwas höheren Einkommen.

Die Finanzierung eines Auslandsaufenthalts stellt auch mit Stipendium eine finanzielle Belastung dar. Dies kann wiederum zukünftig zu Stress führen. Man muss zum Beispiel zu Hause weiterhin die Wohnung finanzieren und zusätzlich die Unterkunft an der Auslandsuniversität. Hier ist zu überlegen, ob dies nicht mehr Schaden als Nutzen bringt.

Falls man jedoch die Möglichkeit hat ins Ausland zu gehen gewinnt man dadurch viele unvergessliche Erfahrungen. Die meiner Ansicht nach auch psychologisch wertvoll sein können. Seine Toleranz kann man jedoch auch durch den Kontakt mit anderen Kulturkreisen in der eigenen Heimat stärken. Ganz allgemein auch in Alltagssituationen. Für solche Softskills benötigt man keinen Auslandsaufenthalt.

Erwähnenswert ist hier auch, dass bei vielen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen mittlerweile ein Auslandsaufenthalt vorausgesetzt wird. Leider ist es derzeit gängige Praxis einen Auslandsaufenthalt als Auswahlkriterium im Zuge der Arbeitssuche anzusetzen. Dies finde ich im Sinne der gesellschaftlichen Gleichberechtigung ein wenig fraglich. Nicht alle Studierende haben den entsprechenden finanziellen Hintergrund.

» TinaPe » Beiträge: 451 » Talkpoints: 13,09 » Auszeichnung für 100 Beiträge


TinaPe hat geschrieben:Erwähnenswert ist hier auch, dass bei vielen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen mittlerweile ein Auslandsaufenthalt vorausgesetzt wird. Leider ist es derzeit gängige Praxis einen Auslandsaufenthalt als Auswahlkriterium im Zuge der Arbeitssuche anzusetzen.

Das kannst du doch gar nicht pauschalisieren. Ich denke, dass das davon abhängt, welches berufliche Ziel man hat und was man studiert hat. Ich war im Studium nie im Ausland und meine bisherigen Arbeitgeber hat das nie interessiert und ich weiß, dass das auch in Zukunft nicht relevant sein wird. In meiner Branche sind nur die passenden Jobs parallel zum Studium relevant und nicht die Auslandserfahrungen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich selbst war nach dem Abitur für ein halbes Jahr im englischsprachigen Ausland und während meines Studiums dank Erasmus auch nochmal für ein Semester im Ausland. Unser Dekan hat uns auch zu Beginn des Studiums gesagt, dass man Absolventen ohne Auslandserfahrung kaum einstellen würde (was aber sicherlich auch von der Fachrichtung abhängt).

Pauschal würde ich aber nicht behaupten, dass so ein Aufenthalt einen jungen Menschen weiterbringt. Da ich an fremden Kulturen und auch Fremdsprachen interessiert bin, habe ich immer versucht, mich von den Deutschen fernzuhalten. Somit habe ich durch meine Einstellung sicherlich mehr mitgenommen als der Durchschnittsdeutsche. Denn die Deutschen haben (genau wie Franzosen, Spanier usw.) direkt ihre Grüppchen gebildet und haben das ganze Semester nur zusammen geklebt. Außerdem konnten sie wegen der geringeren Lebensunterhaltungskosten gelebt wie Krösus. Was man von so einem Auslandsaufenthalt mitnehmen soll, weiß ich ehrlich nicht.

Gruselig wird es dann, wenn das verwöhnte Pack dann im nächsten Vorstellungsgespräch ernsthaft versucht, ihr Party-Semester als Beweis für interkulturelle Kompetenz zu verkaufen. :D Da kann ich nur hoffen, dass der Personalchef mit ein paar gezielten Fragen das Ganze auffliegen lässt.

Alles in Allem hängt es also davon ab, wie man sich im Ausland anstellt und mit welchen Zielen man an die Sache herangeht. Übrigens finde ich absolut nicht, dass ein Austausch nur was für Reiche ist. Wenn man in ein billiges Land geht, sich mit einem Wohnheim inklusive Mehrbettzimmer anfreundet und sein Zimmer in Deutschland untervermietet, kommt man billiger weg als in der Heimat. Zumal es ja ein großzügiges Erasmus Stipendium gibt. Wer unbedingt ins teure England oder gar Australien oder die USA will, hat selbst Schuld.

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