Hartz4 abschaffen und dafür Grundeinkommen besser?

vom 25.03.2018, 20:37 Uhr

Momentan ist ja in die ganze Hartz4 Thematik, wieder viel Bewegung reingekommen und die SPD sorgt mit ihrem Vorstoß, Hartz4 abzuschaffen und dafür ein solidarisches Grundeinkommen einzuführen, für viel Gesprächsstoff. Was haltet ihr denn von diesem Vorstoß und den Vorschlägen zur Abschaffung des Hartz4 Systems? Wäre ein einheitliches Grundeinkommen generell vorteilhafter und besser für Langzeitarbeitslose oder könnte man daraus auch Nachteile ableiten?

» baerbel » Beiträge: 1517 » Talkpoints: 601,73 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich finde, dass das Hartz4-System generell überarbeitet werden sollte, weil das den Leistungsbeziehern viel zu wenig Geld zum Leben lässt und diese teilweise trotzdem am Hungertuch nagen müssen. Das sind teils menschenunwürdige Bedingungen, wie die Bezieher da leben müssen. Ob das bei einem bedingungslosen Grundeinkommen besser wäre, ist fraglich. Kommt sicherlich auf die Höhe des Grundeinkommens an.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Berlin will ja im nächsten Jahr mit diesem Projekt eines solidarischen Grundeinkommens und den ersten 1.000 Arbeitsplätzen starten. Dabei handelt es sich jedoch um eher Hilfstätigkeiten, wo kein Berufsabschluss notwendig ist. Dafür will man aber dennoch den Mindestlohn von 10,50€ die Stunde bezahlen, wobei die Finanzierung des Projekts noch unklar ist. Weiß auch nicht so recht, was ich davon halten soll und ob dieser Vorstoß viele Hartz4er wieder in geregelte Arbeit bringt, da bin ich auch ein wenig skeptisch.

» mika80 » Beiträge: 68 » Talkpoints: 32,47 »



Das ist doch Augenwischerei. Schließlich muss das ja auch irgendwie bezahlt werden. Wenn man sich jetzt 1.000 Euro Grundeinkommen vorstellt, dass jeder erhält, dann wären das ja 80 Milliarden Euro jeden Monat, die man aus den Steuern finanzieren müsste. Auf das Jahr gerechnet sind das dann 960 Milliarden Euro. Dem gegenüber stehen Gesamteinnahmen des deutschen Staates mit Bund, Ländern, Kommunen und der Sozialkassen von knapp 1500 Milliarden Euro im Jahr 2017.

Das heißt also das zwei Drittel aller Einnahmen erstmal pauschal für so ein Grundeinkommen drauf gehen. Und da ist noch kein Staatsbediensteter bezahlt, keine Schule saniert, keine Straße gebaut und erst recht war noch niemand beim Arzt! Geschweige denn von Rentenzahlungen oder sollen die dann ganz abgeschafft werden? Wobei dann auch fraglich wäre, wozu dann die 200 Milliarden Euro Rentenbeiträge noch gut sein sollten.

Also kurz um ich finde die Idee einfach Käse. Oder besser gesagt, kann man machen, aber ein Wundermittel ist das auch nicht und finanzierbar ja nur wenn man die ganzen Sozialabgaben zweckentfremdet. Und ob man damit jetzt viel gewinnt, wenn man statt ALG II nun dem Arbeitslosen 1.000 Euro im Monat gibt und er zahlt seinen ganzen Krankenkosten zum Beispiel selber ist doch auch eigentlich Unsinn.

Wobei ich ja generell finde, dass die ALG-II Sätze jetzt gar nicht so schlecht sind und man davon schon sehr wohl leben kann. Sofern man eben bedenkt, dass sie nur ein Grundniveau der Existenzsicherung darstellen sollen. Wer da mehr will muss eben auch dafür sorgen, dass mehr Geld dafür zur Verfügung steht, also Abgaben erhöhen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Na ja, es kommt halt drauf an wie dieses Grundeinkommen aussehen soll. Wenn das nur ein anderer Name für Hartz IV ist, ist damit auch niemandem geholfen. Generell frage ich mich aber wie das gehen soll, wenn die Kosten für 100.000 Personen gerade mal bei 500 Mio Euro liegen. Das sind 5000 Euro pro Person im Jahr. Jede Person soll aber 1200 Euro monatlich erhalten. Die Rechnung geht also hinten und vorne nicht auf. Ansonsten finde ich die Idee gut, die Finanzierung ist mir nur nicht klar.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Natürlich würde ich ein Grundeinkommen ohne Sanktionen besser finden. Allerdings muss es die entsprechende Höhe haben und auch die Krankenversicherung und Miete sollten abgedeckt sein. Allerdings wird ein bedingungsloses Grundeinkommen mit offenen Grenzen nicht möglich sein. Dies wird ansonsten zum Fass ohne Boden.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich denke, das Hartz4-Konzept ist hinten und vorne nicht aufgegangen. Es ist in erster Linie ein Sanktionssystem und diese ganzen idiotischen Maßnahmen, die die Leistungsbezieher über sich ergehen lassen müssen, sind menschenunwürdig und schönen nur die Statistik, aber bringen keinem außer dem Anbieter etwas, der sich damit die Taschen voll macht.

Ich finde die Idee mit dem Grundeinkommen prinzipiell nicht schlecht. Das heißt ja nicht, dass sich jeder jetzt auf die faule Haut legt und niemand mehr arbeitet. Soweit ich es verstanden habe, bleibt es ja dabei, dass die Menschen arbeiten, was dann gegengerechnet wird. Es gibt aber einen gewisses Einkommen, was eben jeder mindestens zur Verfügung hat.

Wegen der Finanzierung denke ich, dass man dafür die ganzen Gelder für die sinnlosen Maßnahmen des Arbeitsamtes einsparen könnte. Den Verwaltungsapparat, den man für Hartz 4 aufbauen musste, kann man stark verkleinern, weil es keine Sanktionen mehr gibt und man nicht mehr für jeden Cent zum Amt laufen muss, was ja auch alles geprüft und bearbeitet werden muss. Die Gerichte werden damit auch stark entlastet, weil es keine Klagen gegen Hartz 4 mehr geben muss. Im Endeffekt zahlt das ja auch alles der Steuerzahler. Da sehe ich sehr viel Einsparungspotential.

Insgesamt muss das Prinzip aber noch ausreifen und weiter durchdacht werden. Aber ich denke, es könnte funktionieren, ohne dass der Staat viel mehr zahlt, wenn er denn das ganze Einsparpotential auch nutzt. Das ist aber eben nichts, was man kurz mal während des Wahlkampfes ausklügelt und dann funktioniert.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



SonjaB hat geschrieben:Ich denke, das Hartz4-Konzept ist hinten und vorne nicht aufgegangen.

Doch ist es in vollem Umfang. Der Staat erwirtschaftet auch dank Hartz4 einen Überschuss und muss keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Dazu trägt eben auch bei, dass man die Leistungen für Arbeitslose gekürzt hat und dass man sanktioniert. Und mehr Arbeitslose als früher haben wir auch nicht. Von daher hat es aus wirtschaftlicher Sicht bestens funktioniert. Dass man mit den Hartz-Maßnahmen tatsächlich weniger Arbeitslose haben sollte und diese besser leben können, dass ist ja nur eine Interpretation der Maßnahmen.

Ich glaube aber eigentlich nicht wirklich, dass diese Interpretation der wirklich Antreiber der Maßnahmen war, sondern glaube eben eher, dass sie den Staat wirtschaftlich besser aufstellen sollten. Und das haben sie zweifelsohne gemacht, wenn man sich jetzt Deutschland im Vergleich zu unseren europäischen Nachbar anschaut. Aus der lahmen Ente ist wieder die Lokomotive Europas geworden mit absolute soliden Finanzen und einer der wenigen Staaten, die derzeit tatsächlich Schulden abbauen.

Soweit ich es verstanden habe, bleibt es ja dabei, dass die Menschen arbeiten, was dann gegengerechnet wird.

Was ist eigentlich an dem Wort bedingungslos immer so schwer zu verstehen? Nein es gibt eben keine Bedingungen. Jeder kriegt die Kohle, egal was er macht und wie viel Geld er hat. Auch die Konzernchefs der DAX-Unternehmen, die jedes Jahr Millionengehälter plus Boni kriegen, würden genauso jeden Monat 1.000 Euro kriegen, wenn sie die denn haben wollen.

Und genau das ist ja eben das Problem am bedingungslosen Grundeinkommen. Derzeit beziehen circa 750.000 Menschen Arbeitslosengeld und etwa 5,8 Millionen Menschen ALGII beziehungsweise Sozialgeld. Also in etwa 6,5 Millionen Menschen werden derzeit durch die sozialen Absicherungssystem mitfinanziert. Diese Zahl würde dann auf mehr als 80 Millionen hochschießen und das noch ohne irgendwelche Zuwanderer.

Das ist nicht finanzierbar und wenn doch soll es mir mal bitte jemand vorrechnen. Und das dann aber halbwegs konkret, hab ich oben ja auch gemacht. Der gesamte deutsche Staat hat zur Zeit etwa 1500 Milliarden Euro Jahreseinnahmen mit denen alles finanziert werden muss. Davon kann man nicht mehr als die Hälfte für so ein Grundeinkommen ausgeben.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Klehmchen hat geschrieben:
SonjaB hat geschrieben:Ich denke, das Hartz4-Konzept ist hinten und vorne nicht aufgegangen.

Doch ist es in vollem Umfang.

Dann schau Dir das Fazit vom Paritätischen Wohlverbandes an, dem ich in dieser Hinsicht sehr viel mehr zustimme als Dir. Und ich sehe hier auch keine Lokomotive Europas, sondern eher ein Pulverfass kurz vor der Explosion, wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht ganz schnell schließt. Und Hartz 4 hat meiner Meinung nach sehr viel dazu beigetragen, dass die Schere so auseinander klafft.

Klehmchen hat geschrieben:Was ist eigentlich an dem Wort bedingungslos immer so schwer zu verstehen?

Wenn Du Dich ein bisschen mehr mit dem Thema auskennen würdest, würdest Du unter anderem das Modell von Straubhaar und Althaus kennen, das genau das von mir Beschriebene beinhaltet. Es gibt also keinen Grund für Deinen angeschlagenen Ton!

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


SonjaB hat geschrieben:Dann schau Dir das Fazit vom Paritätischen Wohlverbandes an, dem ich in dieser Hinsicht sehr viel mehr zustimme als Dir. Und ich sehe hier auch keine Lokomotive Europas, sondern eher ein Pulverfass kurz vor der Explosion, wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht ganz schnell schließt. Und Hartz 4 hat meiner Meinung nach sehr viel dazu beigetragen, dass die Schere so auseinander klafft.

Du hast nicht richtig gelesen was ich geschrieben habe. Du gehst wieder auf genau das ein, was ich Interpretation genannt habe. Du unterstellst, genauso wie der Paritätische Wohlfahrtsverband, dass die Hartz-Reformen zu einer Umverteilung des Reichtums führen sollten und Wohlstand für alle bedeuten sollen. Aber genau dafür waren sie nie gedacht. Die Sozialleistungen stellen überwiegend ein Lebensminimum dar, sollen dich also vorm Verhungern und Verdursten bewahren, wenn man es etwas übertreiben soll. Der Staat will mit möglichst wenig Mitteln, seine bedürftigen Bürger bei der Stange halten. Mehr nicht. Und das tut er. Mit ALGII soll keine Schere zwischen Arm und Reich geschlossen werden. Das hätten einige gern, ist aber eben nicht so.

Ich will jetzt auch gar keine Wertung vornehmen, ob das gut oder schlecht ist. Habe ich ja oben auch nicht gemacht. Sondern lediglich darstellen, dass ökonomisch für den Staat die Reformen vollends aufgegangen sind. Ob das zu einem gesellschaftlichen Pulverfass geführt hat, müssen andere bewerten. Aber wirtschaftlich stehen wir ohne Zweifel besser da, als der Großteil der anderen europäischen Staaten.

Wenn Du Dich ein bisschen mehr mit dem Thema auskennen würdest, würdest Du unter anderem das Modell von Straubhaar und Althaus kennen, das genau das von mir Beschriebene beinhaltet. Es gibt also keinen Grund für Deinen angeschlagenen Ton!

Na ja, wenn du von einem bedingungslosen Grundeinkommen redest, dann gibt es kein Grund auf mögliche Modell mit Bedingungen zu verweisen. Das ist Irreführung. Ich kann dir doch auf kein Fahrrad verkaufen und es als Auto deklarieren und dir im Nachgang erzählen, es wäre ein anderes Modell von Auto. Das ist einfach Unsinn. Man kann ja gerne ein Grundeinkommen mit Bedingungen einführen, aber dann darf man es a) nicht bedingungslos nennen und b) mal aufzeigen, was daran jetzt viel anders ist, als das System was wir schon haben.

Auch bei uns kriegen ja wie oben vorgerechnet circa 6,5 Millionen Menschen so ein Grundeinkommen mit diversen Regeln und Anrechnungen. Bezogen auf das Modell Straubhaar haben wir sowas doch eigentlich schon, nur mit einigen Umwegen drin. Mal abgesehen davon würde mich mal interessieren wie man als Single mit 600 Euro + 200 Euro Gesundheitsgutschrift wirklich alle anfallenden Kosten alleine tragen soll. Wenn man dem der ALG-II Satz gegenrechnet dürfte dieser sogar höher liegen. Da kriegst du knapp 400 Euro Regelsatz, die Wohnung bezahlt und alle Sozialleistungen sind schon mitversichert.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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