Gründung von Suppenküchen nur wegen Krankheiten?
Ich lese zur Zeit ein sehr interessantes Buch von Manfred Vasold. Es heißt "Grippe, Pest und Cholera. Eine Geschichte der Seuchen in Europa." Da ich mich da sehr für Epidemiologie interessiere, ist das Buch wie gemacht für mich, also vom Thema her. Ich verschlinge es förmlich und kann es kaum aus der Hand legen.
An einer Stelle geht es in dem Buch um die Ausbreitung der Cholera im 19. Jahrhundert. Die Cholera kam dabei auch bis nach Frankreich, wobei in dem Buch steht, dass man den Verdacht hatte, dass es möglicherweise an der Ernährung liegt, dass manche Menschen Cholera bekommen. Da die Armen Menschen keinen eigenen Wasseranschluss hatten und somit keinen Zugang zu hygienisch einwandfreiem Wasser hatte, bekamen sie häufiger Cholera. Was die Menschen aber nicht wussten ist, dass die Krankheit nicht über die Nahrung übertragen wird, sondern über das Trinkwasser.
Aus diesem Irrglauben heraus sollen wohl vermehrt Suppenküchen eröffnet worden sein, wobei man sich erhoffte, dass die Armen durch eine gescheite Mahlzeit nicht krank werden und die Krankheit so nicht übertragen könnten. Ich finde das sehr interessant, auch weil ich angenommen hatte, dass die Kirche Suppenküchen eher aus Nächstenliebe eröffnet hatten und nicht zur Prävention von Krankheiten. Was meint ihr dazu? Wurden Suppenküchen grundsätzlich zur Prävention von Krankheiten gegründet oder schon vorher?
Schon im Mittelalter galt es als christliche Pflichterfüllung, Arme und Kranke zu versorgen. Besonders Klöster haben sich hier hervorgetan und ganze religiöse Orden basieren auf dem Grundsatz, sich gerade um die Armen, Siechen und Ausgestoßenen zu kümmern. Damals war der Begriff Suppenküche vielleicht noch unbekannt, aber dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass Suppenküchen erst im 19. Jahrhundert ihren großen Aufschwung genommen haben.
Außerdem war schon zu Luthers Zeiten und wahrscheinlich sogar noch früher bekannt, dass man von verunreinigtem Trinkwasser üble Krankheiten bekommen konnte. Deswegen hat damals auch jeder Bier gebraut und getrunken, da es weniger verkeimt war als Wasser und sogar einen gewissen Nährwert hatte. Außerdem war sowieso kaum Alkohol drin. Selbst im viktorianischen England etliche Jahrhunderte später war Tee auch deshalb so beliebt, weil es immer noch eine ganz blöde Idee war, unabgekochtes Wasser zu trinken.
Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass es ehrenhafte Versuche gab, die armen Leute, die immer als erstes Opfer von Seuchen wurden, durch bessere Ernährung aufzupäppeln, damit sie nicht mehr so anfällig sind. Vermutlich hat es sogar zumindest teilweise funktioniert, weil Unter- und Mangelernährung ja auch das Immunsystem schwächen, sodass man nicht nur Pest und Cholera, sondern auch ganz normalen Infekten nicht mehr viel entgegen zu setzen hat. Aber ehrlich gesagt kann ich mir kaum vorstellen, dass man im 19. Jahrhundert noch nicht wusste, dass man von verdrecktem Trinkwasser Cholera bekommen kann.
Gerbera sieht das ganz richtig. Die Armenspeisung der Klöster hat eine viel längere Geschichte. Adelige, die mildtätig alte oder kranke Pächter und Dorfbewohner besuchen und Stiftungen unterhalten, sind auch bekannt.
Das Rezept der damals in der Armenspeisung beliebten Rumfordsuppe stammt aus dem 18. Jahrhundert. Da gab es auch schon lange Suppenküchen. Aber die waren nicht so mildtätig, wie man heute denkt. Denn die Suppe kostete etwas.
Kostenlos war das Essen nur bei wenigen Organisationen, die dann missionierten. Außerdem hatten diese Küchen meist nur im Winter geöffnet. Übrigens kommt der Begriff halbe Portion für ein Kind oder einen sehr schmalen, kleinen Mann aus den Suppenküchen. Frauen und Kinder kamen mit einer halben Portion aus.
Krankheiten haben damals wenig interessiert. Es gab eben Unterstützung für Arme, Arbeiter und Kranke, wenn das Geld vorne und hinten nicht reichte. Schließlich waren Lebensmittel im Winter viel teurer, dazu kamen die Kosten für Holz und Kohle. Das Geld hatten viele einfach nicht.
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