Freundschaften im Erwachsenenalter - Warum ist es so schwer?

vom 03.10.2024, 09:01 Uhr

Je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass es wirklich nicht leicht ist, im Erwachsenenalter neue Freundschaften zu knüpfen. Früher, in der Schule oder im Studium, ging das ganz von selbst - man war umgeben von Gleichaltrigen, hatte ähnliche Interessen und viel gemeinsame Zeit. Jetzt ist es anders. Der Alltag ist voll mit Arbeit, Familie und Verpflichtungen, und die meisten Leute, die man trifft, sieht man eher im beruflichen Kontext. Da fällt es mir manchmal schwer, über Smalltalk hinaus eine echte Verbindung aufzubauen.

Ich frage mich oft, warum das so ist. Liegt es daran, dass man weniger Zeit hat? Oder dass man vorsichtiger geworden ist und nicht mehr so leicht auf andere zugeht? Vielleicht liegt es auch daran, dass man inzwischen eine Vorstellung davon hat, was man von einer Freundschaft erwartet, und nicht mehr so kompromissbereit ist wie früher. Ich merke jedenfalls, dass ich die Freundschaften, die ich habe, umso mehr schätze, weil es nicht selbstverständlich ist, dass man Menschen um sich hat, die einen verstehen.

Mich würde interessieren, wie ihr das erlebt. Habt ihr in den letzten Jahren neue Freunde gefunden? Und wenn ja, wie habt ihr das geschafft? Vielleicht gibt es ja Wege, die ich noch nicht ausprobiert habe, um wieder mehr echte Verbindungen zu knüpfen.

» BrilleWilli » Beiträge: 1810 » Talkpoints: 14,07 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Meiner Erfahrung nach ist der Hauptgrund ganz banal fehlende Zeit, also andere Prioritäten. Wie Captain Kirk schon immer gesagt hat: Wenn einem etwas wichtig ist, nimmt man sich die Zeit dafür. Und meiner Erfahrung nach kommen Freundschaften unter Erwachsenen gerade in der berühmten "Rush Hour" des Lebens, in der man Kinder großziehen, den Job voranbringen, ältere Verwandte allmählich unterstützen und die eigene Gesundheit anfangen muss zu päppeln, schlicht zeitlich zu kurz.

Und selbst wenn man zu der privilegierten Gruppe gehört, die tatsächlich alle paar Wochen mal Sonntag nachmittags Zeit zum gemeinsamen Kaffeetrinken oder auch für einen kleinen Ausflug hat, sinkt die Motivation doch gewaltig, wenn die Orga immer an einem selbst hängenbleibt. Entweder man findet sich mit der Rolle derjenigen Person im Freundeskreis ab, die die Leute regelmäßig zusammentrommelt und so lang verhandelt, bis ein Termin gefunden ist, oder ein weiterer Freundeskreis löst sich allmählich in Wohlgefallen auf.

Es kann nämlich ganz schön nerven, wenn jeder immer stöhnt, wo denn die Freundschaften hin seien, aber wenn es darum geht, Sozialkontakte aktiv zu pflegen, heißt es immer: Spinnst du? Ich muss 60 Stunden die Woche arbeiten! oder: Ich habe jeden Sonntag bis 2030 vier Stunden Handballtraining! oder: Ich melde mich dann spontan zwei Stunden vor Abfahrt, ob ich mitfahre!

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Meiner Einschätzung nach hat das mit Zeit nichts zu tun. Als ob man in den Zwanzigern automatisch alle Zeit der Welt gehabt hatte oder als wären alle Leute ab 40 extrem mit Karriere, Elternschaft oder Pflege der Eltern eingespannt. Ich kenne genügend Leute, die Zeit hätten und trotzdem konstatieren, dass es ab 40 oder 50 zunehmend unmöglich wird, neue Freunde zu finden.

Meiner Beobachtung nach sind eher jene, die immer schon sehr extrovertiert mit riesigen Bekanntenkreisen waren, die, die jetzt noch neue Freunde finden. Und selbst bei denen ist es dünner geworden. Ich selbst habe schon seit Äonen keine neuen Freunde mehr gefunden, wobei das früher etwas war, was ich noch mit einem Maulkorb hinbekommen hätte. Einer der Gründe ist, dass man einfach nicht mehr so viele neue Leute kennenlernt wie früher. Ein anderer ist, dass man nicht in immer wieder neue Umgebungen mit vielen Leuten reingeworfen wird, wo man seinen Platz finden muss.

Der häufigste Grund ist aber die zunehmend gefühlte emotionale Distanz und der stark gestiegene Anspruch, den man an andere hat. Ein anderer Mensch muss einem schon wirklich einen Mehrwert bieten, damit man gewillt ist, sich auf ihn einzulassen. Das ist leider bei vielen so, da nehme ich mich nicht aus. Nur noch „ganz nett oder sympathisch“ reicht einfach nicht mehr aus. Hinzu kommt, dass man oft das Gefühl hat, dass vieles im Leben nicht mehr neu und aufregend ist und dringend mit neuen Menschen geteilt werden muss, wie es früher als Auszubildender, Student oder frischgebackene Mutter mal der Fall war. Man wird einfach starrer und unflexibler. Manchmal kommt mir das alles auch vor wie bei der Reise nach Jerusalem, wo die Stühle schon besetzt sind und man ins Leere greift, während man als junger Mensch noch viele Möglichkeiten hat.

» Verbena » Beiträge: 5024 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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