Durch künstliche Intelligenz Schwarzfahren verhindern?

vom 24.09.2018, 08:08 Uhr

Im Moment wird in Barcelona/Spanien getestet wie künstliche Intelligenz bei der Aufspürung von Schwarzfahrten eingesetzt werden könnte. Das System soll die Personen wegen ihres verdächtigen Verhaltens erkennen und diese Informationen dann weiterleiten. So wird zum Beispiel ein Foto des Fahrgastes an Aufsichtspersonen in der Station übermittelt, die den Schwarzfahrer dann abfangen können.

Stellt sich eben die Frage, inwiefern das System in Deutschland eingesetzt werden könnte. Denn so gesehen muss man hier keine Sperren überwinden wie dies teilweise im Ausland der Fall ist. Auch hat man hier Dauerfahrkarten wie Monatstickets, Schülertickets, Semestertickets und teilweise auch Jobtickets im Einsatz, die nicht regelmäßig entwertet werden müssen.

Das System könnte hier also fälschlicherweise Alarm schlagen. Wie seht ihr das? Wird man durch künstliche Intelligenz das Schwarzfahren verhindern bzw. stärker bestrafen können? Oder schließt ihr das eher aus?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Stelle mir dabei die Frage, wie ein verdächtiges Verhalten denn aussehen soll, woran eindeutig eine Schwarzfahrabsicht festgemacht wird. Beispielsweise gelte ich als Schwarzfahrer, der ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60 Euro zu bezahlen hat, wenn ich in Berlin meine Oma am S-Bahnsteig abholen möchte, nur um ihr beim Koffertragen zu helfen und keinen Fahrschein mit der niedrigsten Preisstufe (Kurzstrecke) vor Betreten des Treppenaufstiegs gelöst und entwertet habe.

Käme die S-Bahn dann noch zu spät oder, was wahrscheinlicher ist, Oma hätte sich verspätet, wäre ich die Treppe wieder herunter gegangen, um mir die Zeit mit einem unten im Durchgang liegenden Laden gekauften Kaffee angenehmer zu gestalten, wäre ein zweiter Fahrschein nötig, wenn ich dann wieder auf den Bahnsteig ginge. Das würde dann solch eine videogestützte künstliche Intelligenz womöglich als Schwarzfahren erkennen, weil die Videokamera "sieht", dass ich nicht am Treppenaufgang den Fahrschein in den Entwerter gesteckt habe.

Dabei könnte ich ja auch einfach ein Stück Papier in den Entwerter stecken oder den alten Fahrschein erneut entwerten und das Erkennungssystem so irreführen. Übrigens: Das wiederholte Lösen eines Fahrscheins ist in Berlin, soweit ich weiß, in solch einem Falle nicht nötig, falls die S-Bahn tatsächlich zu spät kommt, oder die Oma erst eine spätere genommen hat.

Und die Kontrolleure sehen in dem Verhalten auch nicht ein Schwarzfahren. Früher gab es sogenannte Bahnsteigkarten überall auf den Bahnhöfen. Die wurden erst nach und nach abgeschafft. In Berlin eben durch die Karte mit der Kurzstreckenpreisstufe. In anderen Ländern gelten auch andere Zugangskontrollen, unter anderem elektronische mit Chipkarten.

» Gorgen_ » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 374,04 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich kann mir ehrlich gesagt auch noch nicht recht vorstellen, wie die künstliche Intelligenz das denn wirklich sicher erkennen möchte. Mich würde dabei dann auch mal interessieren, was denn ein verdächtiges Verhalten ist, was dabei erkannt wird. Aber wie es auch immer gemacht wird, glaube ich eigentlich nicht, dass das so sicher funktionieren kann, bin aber trotzdem gespannt, was der Test in Barcelona ergibt.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



In den Niederlanden stehen Kontrolleure am Ausgang und rufen den Fahrgästen manchmal zu: "uitchecken". Das heißt, sie sind beim Verlassen des Bahnhofs nicht am "Pal", dem Auscheckpunkt vorbeigegangen und haben ihre OV-Chipkaart, die Prepaid-Fahrkarte nicht drangehalten. Der Auscheckvorgang wird mit einem kleinen Piepton quittiert. Erst dann wird der verbleibende Rest-Saldo nach der tatsächlich zurückgelegten Strecke neu berechnet.

Wenn es anstelle eines leisen Pieptones einen hässlich schrillen Ton beim Auschecken gibt, womit die Kontrolleure aufmerksam gemacht werden sollen, und der Fahrgast sich vor den anderen Fahrgästen blamiert fühlen soll, hat die Karte nicht mehr ausreichendes Saldo. Der Fahrgast hat praktisch bei Fahrtantritt die Karte nicht korrekt aufgeladen und ist über das Fahrtziel hinausgefahren. Um von vorne herein Mogeleien zu unterbinden, ist ein sogenannter "Instaptarief", ein Voraussaldo von mindestens 20 Euro bei Nederlandse Spoorwegen (Bahn) zusätzlich zum Fahrpreis und den Kosten für die Chipkarte selbst (Einmal 7,50 Euro) aufzuladen.

So kann es eigentlich nicht vorkommen, dass die Karte völlig auf Null entladen wird oder sogar ins Minus gerät. Piept es also schrill beim Auschecken, ist die Karte nicht richtig aufgeladen worden. Und geht jemand am Pal vorbei, ohne auszuchecken, könnte man das als Betrugsversuch werten. Der Kontrolleur der Ausgangskontrolle bemerkt das. Piept es dann laut und schrill beim forcierten Auschecken unter Beisein des Beamten, dann wird man höflich gebeten, die Karte am Schalter oder Automaten unverzüglich nachzuladen.

Die Kontrolleure greifen deswegen nicht mit aller Härte des Gesetzes zu, weil es auch manchmal vorkommt, dass sich Fahrgäste zu ihren Ungunsten vertun und einfach das Auschecken vergessen. Dann sind 20 Euro weg, wird nicht innerhalb von 24 Stunden per Internet das "uitchecken gemist" Menü aufgerufen. Die Niederländer unterscheiden zwischen Fahrgästen, die einen festen Wohnsitz in den Niederlanden haben und solchen, die als "Anonyme" behandelt werden, praktisch alle Touristen und auch deutsche Grenzgänger.
Diese haben weniger Fahrgastrechte.

Eine künstliche Intelligenz würde hier rein akustisch funktionieren können. Aber ein Kontrolleur muss so oder so am Ausgang stehen. Die künstliche Intelligenz schickt doch keinen Roboter oder sperrt den Bahnhof ab. Muss noch dazusagen, dass alle ein- und auschecken müssen, ob Wochenkarten- oder Monatskartenbesitzer. Auch die Studenten mussten ihr kostenloses Ticket ein- und auschecken. Die Proteste dagegen nützten nichts. Nur so funktioniert das Chipkarten-System.

» Gorgen_ » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 374,04 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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