Durch Hausaufgaben zu Hause Risiko von Burnout bei Kindern?

vom 29.08.2018, 05:41 Uhr

Eine Bekannte von mir regt sich immer wieder darüber auf, dass ihre Kinder zu viele Hausaufgaben bekämen, die sie dann zu Hause lösen müssten. Ihrer Ansicht nach müssten die Hausaufgaben für zu Hause komplett abgeschafft werden, da sie unnötig seien. Sie findet es auch ziemlich paradox, dass man von den Kindern verlangt, die "Arbeit" mit nach Hause zu nehmen während man den Erwachsenen ständig sagt, dass diese entschleunigen sollen und zu Hause gar nichts mehr für die Arbeit machen sollen um Burnout vorzubeugen.

Seid ihr der Ansicht, dass man durch Hausaufgaben für zu Hause das Risiko von Burnout bei Kindern steigern kann? Oder haltet ihr das für zu weit her geholt? Meine Bekannte meint, dass man doch alles in der Schule erledigen könnte, was erledigt werden soll und dass die Kinder zu Hause mehr Freizeit zum Abschalten bekommen sollten. Wie steht ihr dazu?

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Das Problem geht für mich weit über den Burnout hinaus. Das ganze System mit Hausaufgaben ist meiner Meinung nach veraltet und nicht gerecht. Veraltet deshalb, weil Familien wo beide Eltern arbeiten heute zur Regel geworden sind. Die Eltern müssen also nach der Arbeit abends irgendwann noch das Lernen kontrollieren und fördern, wenn Eltern und Kinder komplett müde sind. Selbst wenn die Eltern total fähig und engagiert sind, ist das total ineffektiv, weil man einem müden Kind nur schwer was beibringt.

Zum Anderen verstärken Hausaufgaben absolut deutlich die soziale Ungerechtigkeit. Wer Eltern zu Hause hat, die selbst eine wenig erfolgreiche Schulkarriere hatten und einfach nicht helfen konnten, wird von Hausaufgaben kaum profitieren. Aus solchen Elternhäusern haben meine Kinder gelegentlich von Mitschülern erzählt. Da wird das Kind dann zum Beispiel in sein Zimmer geschickt mit der Auflage erst wieder raus zu kommen, wenn es den Schulstoff aufgearbeitet und verstanden hat. Das klappte natürlich nicht.

Kinder die Eltern zu Hause haben, die selbst in der Schule gut waren oder vielleicht sogar höhere Schulabschlüsse oder gar Universitätsabschlüsse habe, die können von ihren Eltern ganz anders kompetente Erklärungen erwarten oder Hilfestellungen um sich neues Wissen zu erarbeiten. In solchen Elternhäusern ist dann oft eher auch das Geld da, dem Kind Nachhilfe zu zahlen, wenn das Kind Probleme mit dem Stoff hat.

Von daher würde ich es begrüßen, wenn das individuelle Üben vermehrt von Pädagogen in der Schule betreut würde und Schule anders gedacht würde, so dass auch voll berufstätige Eltern ihre Kinder weiter betreut wissen. Oft ist ja nach der vierten Klasse auch keine Möglichkeit mehr, das Kind in den Hort zu schicken und Schulen mit Nachmittagsbetreuung für Ältere sind zu selten. Und alleine durch gegenwärtige Mietpreise haben viele Eltern gar nicht mehr die Wahl, ob sie beide arbeiten. Es kann nicht sein, dass dann die Kinder da auf der Strecke bleiben!

Von daher würde ich mir wünschen, dass man da verstärkt Strukturen aufbaut, dass die so genannten Hausaufgaben oder individuellen Hausaufgaben verstärkt in der Schule betreut werden. Klar klingt das beim derzeitigen Lehrermangel illusorisch. Aber man könnte zum Beispiel die Lehrerausbildung reformieren und Lehramtsstudenten einen hohen Anteil verpflichtender Praxisanteile in Schulen zuteilen, beispielsweise in der Nachmittagsbetreuung.

Man könnte auch vermehrt Kräfte einstellen, die vielleicht irgendwann beschlossen haben, dass sie ihr Lehramtsstudium nicht weiter führen, weil sie zwar gerne pädagogisch mit Kindern arbeiten, aber sich als Lehrer nicht geeignet sehen. Oder aber vielleicht auch mit auf pensionierte Lehrer in Teilzeit zurück greifen. Wie auch immer: Ich denke nicht, dass man weiter an der Devise, dass man Hausaufgaben als Schüler zu Hause erledigen muss festhalten sollte. Das sind wir den Kindern schuldig, dass sie die Möglichkeiten bekommen sich nach eigenem Talent zu entfalten und nicht weitgehend gemäß der Möglichkeiten ihrer Eltern.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich halte das Konzept der Hausaufgaben auch für veraltet. Die Kinder von heute haben normalerweise schon genug um die Ohren und soweit ich weiß sind die Zeiten auch vorbei, in denen man als durchschnittlicher Grundschüler spätestens um halb eins daheim war, den ganzen restlichen Tag frei hatte und Mama oder Oma mit dem warmen Mittagessen am heimatlichen Küchentisch bereitstanden.

Dass viele Kinder auf diese Art unfair benachteiligt werden, weil, wie schon erwähnt, nicht alle Eltern die Zeit oder das pädagogische Geschick haben, sich den halben Nachmittag mit dem Nachwuchs und den Hausaufgaben herum zu plagen, finde ich ebenfalls. Bei Hausaufgaben scheint die Zeit wirklich stehengeblieben zu sein und man geht wohl allgemein davon aus, dass Mama und Nachwuchs tagaus, tagein keine zusätzlichen Verpflichtungen haben.

Ich weiß auch nicht, ob sich mittlerweile daran viel geändert hat, aber zu meiner Zeit waren Hausaufgaben auch reine Drill- und Einschleif-Übungen, bei denen man beispielsweise zu einem in der Schule gelernten Beispiel noch 20 weitere Sätze oder Rechenaufgaben nach dem identischen Schema durchexerziert werden mussten und die wichtigste Frage die nach der schönen Schrift war oder danach, ob man nach dem Ist-Gleich-Zeichen jetzt ein Kästchen freilässt oder nicht.

Das habe ich schon als Kind gehasst und mit Einsetzen der Pubertät sowieso kaum noch Hausaufgaben gemacht. Dass so die Lust am Lernen nicht gerade gefördert wird, ist natürlich sonnenklar. Ich würde dagegen eher zusätzliche Übungsstunden innerhalb des Schultages einführen, wenn es schon nötig ist, 20 Sätze zu schreiben, die mit "I have" anfangen oder ähnliches.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^