Anderen nicht vergeben wollen, da man schwach erscheint?

vom 18.02.2018, 00:56 Uhr

Ich war bisher immer der Auffassung, dass es durchaus ein Zeichen von Stärke sein kann, wenn man bereit dazu ist, anderen Menschen zu vergeben und ihnen vielleicht auch noch eine zweite Chance zu geben. Besonders dann, wenn man sehr verletzt wurde, dann aber doch noch einmal bereit dazu ist, sich auf die Person einzulassen, kann das schon stark sein, wie ich finde.

Ich habe nun aber gehört, dass es anderen Menschen oft deshalb schwer fällt, anderen Menschen zu vergeben, weil sie Angst haben, dabei dann schwach zu erscheinen. Sie denken sich, dass die andere Person dann glaubt, sie könnten es nicht ohne sie aushalten. Daher befürchten sie vielleicht auch, irgendwann von derjenigen Person ausgenutzt werden zu können. Findet ihr, dass Vergebung auch als ein Zeichen von Schwäche gedeutet werden kann? Hindert euch das daran, anderen zu vergeben?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Prinzessin_90 hat geschrieben:Ich war bisher immer der Auffassung, dass es durchaus ein Zeichen von Stärke sein kann, wenn man bereit dazu ist, anderen Menschen zu vergeben und ihnen vielleicht auch noch eine zweite Chance zu geben.

Das sehe ich ehrlich gesagt genauso. Gerade das Vergeben ist meiner Ansicht nach deutlich schwerer und erfordert mehr Anstrengung als das abblocken und herumbocken. Dabei spielt für mich gar keine Rolle, was genau da vorgefallen ist oder um welche Person es sich konkret handelt.

Prinzessin_90 hat geschrieben:Ich habe nun aber gehört, dass es anderen Menschen oft deshalb schwer fällt, anderen Menschen zu vergeben, weil sie Angst haben, dabei dann schwach zu erscheinen.

Das halte ich ehrlich gesagt für eine Ausrede. Ich glaube, manche Menschen wollen einfach gar nicht vergeben, weil es ihnen gut geht, wenn sie schmollen und andere Menschen für ihre Missetaten verfluchen und ihnen grollen. Aber, weil man ansonsten als bockiges und trotziges Kleinkind angesehen werden könnte, schiebt man eben solche Gründe vor, um "erwachsener" und reifer zu wirken. Eine derartige Argumentationsgrundlage hat in meinen Augen weder Hand noch Fuß.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Manche Menschen können sich schlecht entschuldigen und auch nicht vergeben, dann sucht man natürlich auch nach Ausreden um das zu rechtfertigen und dann kommen eben auch solche Aussagen zu stande. Fakt ist, dass man auch mal vergeben muss um in einer sozialen Gesellschaft klarzukommen. Ich finde es stark, wenn man auch mal herunterschluckt und jemanden vergibt, obwohl man gekränkt wurde. Schwach finde ich es eher, wenn man nicht nachgeben kann und dann nicht verzeiht und vergibt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Man "vergibt" anderen nicht um derentwillen, sondern für den eigenen Seelenfrieden. Es nützt ja niemandem, am wenigsten der eigenen Psyche, mehr Zeit und Energie in erlittenes Unrecht zu investieren als unbedingt nötig, zumal da die Energie dann an anderer Stelle fehlt. Wenn ich jemandem "vergebe", macht das nichts ungeschehen und verpflichtet mich auch nicht dazu, mit der Person überhaupt noch Kontakt zu haben. Ich ziehe nur einen Schlussstrich, anstelle mich ewig zu zerfleischen.

Das hat auch wenig mit Stärke oder Schwäche zu tun, sondern ist in meinen Augen im Normalfall (also wenn nicht gerade jemand deine Familie ermordet hat) mehr oder weniger eine Frage der Zeit und der Umstände. Wenn du über Jahre an irgendeinen Idioten gekettet bist, weil er zufällig der Vater deiner Kinder ist, ist Vergebung vergangener Fehler schwieriger, aber eben auch wichtiger, als wenn du sämtliche Brücken verbrennen kannst und nie wieder von der Person hören musst, die dir Unrecht getan hat.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Warum sollte ich jemanden etwas vergeben, wenn da was verbockt wurde, was nicht zu entschuldigen ist? Das hat weder etwas mit Stärke oder Schwäche zu tun, sondern ist einfach eine konsequente Haltung. Und wenn dabei aus diversen Gründen den Kontakt nicht komplett abbrechen kann, dann beschränkt man sich auf die nötigsten Wortwechsel.

Wir haben da selbst so einen Fall in der Familie. Wenn es aus familiären Gründen nicht zu umgehen ist, dann begegnet man sich sachlich distanziert. Aber mehr passiert da auch nicht. Man weiß sich also zu benehmen ohne dass es Eklat zu erwarten ist. Aber eine Vergebung ist da nicht zu erwarten. Wobei auch nicht mehr mit einer Entschuldigung durch die Person zu rechnen ist, die das Problem verursacht hat.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Als ich deine Frage gelesen habe, musste ich erst einmal darüber nachdenken, ob Vergebung tatsächlich als ein Zeichen von Schwäche gedeutet werden kann. Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Im Gegenteil: Vergebung erfordert oft eine enorme Stärke und Willenskraft. Es erfordert Mut, sich den schmerzhaften Erinnerungen und Emotionen zu stellen und bewusst zu entscheiden, dem anderen zu vergeben.

Ich denke, dass es auch wichtig ist, zwischen Vergebung und Vertrauen zu unterscheiden. Nur weil man jemandem vergeben hat, bedeutet das nicht automatisch, dass man ihm auch wieder bedingungslos vertrauen kann. Vertrauen muss erarbeitet werden und kann auch nicht von heute auf morgen wiederhergestellt werden.

Was die Angst betrifft, von der anderen Person ausgenutzt zu werden, kann ich das nachvollziehen. Es kann schwer sein, das Vertrauen wiederherzustellen, insbesondere wenn es sich um eine tiefe Verletzung handelt. Aber ich denke, dass es wichtig ist, auch hier wieder zwischen Vergebung und Vertrauen zu unterscheiden. Vergebung bedeutet, dass man die Vergangenheit loslässt und dem anderen die Chance gibt, sich zu ändern und sich zu beweisen. Wenn man jedoch das Gefühl hat, dass man immer noch ausgenutzt wird, obwohl man vergeben hat, dann ist es vielleicht an der Zeit, sich zu distanzieren.

Letztendlich denke ich, dass Vergebung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heilung und inneren Frieden sein kann. Es ist ein Akt der Selbstliebe und des Respekts gegenüber sich selbst und anderen. Es erfordert eine enorme Stärke und Willenskraft, die ich keineswegs als Schwäche interpretieren würde.

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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