Als Chef Neuerungen mit der Brechstange umsetzen wollen?

vom 02.07.2018, 05:22 Uhr

Bei uns auf Arbeit haben wir seit knapp vier Monaten eine neue Leitung, wobei diese sehr ambitioniert ist und diverse Änderungen umsetzen möchte. Auffällig ist, dass die Leitung sehr viel einführen und umsetzen möchte, das am früheren Arbeitsplatz (mehrere 100 km weit weg) problemlos eingeführt werden konnte. Sie ist anscheinend der Ansicht, dass das problemlos überall umgesetzt werden kann unabhängig von den Menschen und den Strukturen vor Ort.

Das führt dann aber leider dazu, dass sie damit ziemlich aneckt und sich Feinde macht. Sie scheint komplett auszublenden, dass man die Strategien auch an die Mentalität der Menschen vor Ort anpassen sollte, weil sie ansonsten zum Scheitern verurteilt sind. Hier kommt man so gar nicht damit klar, dass sie Neuerungen quasi mit der Brechstange umsetzen möchte, hier ist die Mentalität diplomatischer und man möchte eingebunden werden, wie wir es die Jahre vorher eben gewohnt waren.

Hinzu kommt, dass es vorher sehr familiär war und man offen reden konnte, jetzt herrscht ein militärischer und schon fast diktatorischer Wind, mit dem nur die wenigsten klarkommen. Man muss mittlerweile aufpassen, was man sagt, weil sonst Sanktionen drohen und das schon wegen absoluter Kleinigkeiten. Es formen sich schon erste Widerstände und es werden schon (heimlich) Maßnahmen diskutiert, wie man die Leitung wieder los werden könnte.

Findet ihr persönlich es richtig, dass man Änderungen quasi mit der Brechstange umsetzt und damit argumentiert, dass es woanders ja mit derselben Methode funktioniert hat? Oder meint ihr, dass man seine Strategien schon den Menschen vor Ort anpassen sollte, um damit Erfolg zu haben? Wie sind eure Erfahrungen zu diesem Thema?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich verstehe es schon, dass man als neuer Chef erst einmal motiviert ist und dass man auch Neuerungen erreichen möchte. Wenn man doch weiß, dass das bei anderen Betrieben so funktioniert und gut ist, dann sehe ich ein, dass man das auch in seinem Unternehmen so umsetzen möchte.

Allerdings muss ich auch sagen, dass ich es nicht verstehe, dass man sich als neuer Chef direkt unbeliebt macht und die Neuerungen mit der Brechstange durchsetzen möchte. Denn man muss es doch klar sein, dass das bei den Angestellten nicht gerade auf Gegenliebe stößt.

Ich bin also der Meinung, dass Neuerungen schon gut sind, dass man diese aber auf jeden Fall nach Rücksprache mit den Mitarbeitern erst umsetzen sollte. In einem ersten Gespräch kann man dann schauen, was möglich und sinnvoll ist. Von der Umsetzung mit der Brechstange halte ich also auch gar nichts, weil das schon fast zu unzufriedenen Mitarbeitern führen muss.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Ich habe hier beide Seiten schon erlebt und muss sagen, dass ich auch für beide Seiten mittlerweile irgendwo Verständnis übrig habe. Beispielsweise habe ich bei mir in der Arbeit erlebt, wie langjährige Mitarbeiterinnen sich eisenhart und mit allen Mitteln bis knapp vor die Arbeitsverweigerung gegen wirklich dringend notwendige Veränderungen gestemmt haben. Der Grund war einfach: "Das haben wir schon immer so gemacht!"

Sprich, die Weiber wussten, dass sie nach ca. 30jähriger Betriebsangehörigkeit praktisch unkündbar waren und hatten schlicht keinen Bock, sich auf ihre alten Tage noch in Excel einzuarbeiten, wenn Eintragungen mit Bleistift in Karteikästen auch funktionieren. Da musste die Chefetage wirklich mit der Brechstange ran und autoritär von oben herab beschließen, dass sich jeder Grundkenntnisse in Excel zulegt, damit die ganze Abteilung überhaupt eine Zukunft hat.

Andererseits kommt es eben auch auf das Wie an. Bei besagten stahlharten Dickschädeln mit 30 Jahren Erfahrung im Willen Durchsetzen durch Schmollen hätte ich auch keine Alternative gesehen. Aber wenn die Belegschaft nicht nur aus Verrückten besteht, finde ich durchaus, dass man Veränderungen und Neuerungen auch diplomatisch und demokratisch einführen kann, weil es ja auch nichts bringt, wenn man das Betriebsklima vergiftet und die gut eingearbeiteten und kompetenten Leute vergrault.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Wer sagt denn eigentlich, dass die neue Leitung eine Wahl hat? Wisst ihr Mitarbeiter, was die Vorgesetzten der neuen Leitung verlangt haben und welche Zielvereinbarungen geschlossen worden sind? Nicht selten ist es doch so, dass der neue Chef eine Abteilung quasi gestern komplett umstrukturieren und auf Erfolgskurs trimmen muss, weil er sich sonst seine Karriere knicken kann. Und nicht jeder hat dann ein super Händchen, lächelt den Druck weg und führt seine Schäfchen sanft zum Ziel.

Gerade das Beispiel ist doch typisch. Da hat jemand erfolgreich eine Abteilung, die er gut kannte, umgekrempelt. Also ging es ein wenig Lob von oben, das Angebot, das noch einmal zu tun, und mehr Geld. Nimmt man das nicht an, ist die Karriereleiter soeben abgesägt worden. Nimmt man an, muss man liefern. Und das muss schnell gehen, weil man immerhin Erfahrung hat. Aber nur, weil man diese Erfahrung in einer Abteilung hat, kann man das nicht automatisch woanders. Aber man muss, sonst sieht es jobtechnisch übel aus.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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