Insolvenz im Ausland

vom 19.03.2009, 20:16 Uhr

Da ich gerade hier (Französische Insolvenz - Anerkennung in Deutschland) einen längeren Beitrag hinterlassen habe ist mir mal wieder das wunderschöne Thema der Privatinsolvenz im Ausland eingefallen mit dem gerade heute gern und breit geworben wird und gerne Versprechen gemacht werden, die teilweise vom Kopf her stinken.

Wer sich meine Antwort dort durchgelesen hat der sollte wissen:
- Ja, es ist möglich und funktioniert,
- Ja, man ist wesentlich "schneller" schuldenfrei als in Deutschland und
- Ja, das ganze wird durch den BGH Beschluss IX ZB 51 / 00 auch hier problemlos akzeptiert.

Schuldenfrei in schon 12 Monaten klingt auf dem Papier natürlich verlockend und schön und die meisten Anbieter binden einem hier auch keinen Bären auf - was jedoch gerne verschwiegen wird: Das ganze kostet! Und hier reden wir nicht von den hier üblichen ~ 1000 - 1500 Euro an Gerichtskosten die nach der Restschuldbefreiung bestehen sondern von einer 0 mehr - mindestens!

Deutschen Bürgern stehen mittlerweile dank der EU verschiedene Verfahren zur Privatinsolvenz möglich und alle sind nicht billig, am beliebtesten:
- Insolvenz in Frankreich, Dauer ca 36 Monate / 3 Jahre - Kostenfaktor 10.000 - 15.000 Euro!
- Insolvenz in Österreich, Dauer ca 24 Monate / 2 Jahre - Kostenfaktor - 30 % der gesamten Verpflichtungen (diese müssen zu mindestens 30 % beglichen werden um den Rest erlassen zu bekommen)!
- Insolvenz in Holland / Niederlanden, Dauer ca 36 Monate / 3 Jahr - Kostenfaktor X % der gesamten Verpflichtungen (diese müssen zu dem Satz in %, den der Richter je nach Antrag festsetzt, beglichen werden um den Rest erlassen zu bekommen)!
- Insolvenz in England ("Turbobinsolvenz"), Dauer maximal 12 Monate / 1 Jahr - Kostenfaktor - 6.000 - 12.000 Euro!

Diese Kosten kann man nicht wegwischen, sondern das Geld muss man haben! Das fällt gerne unter den Tisch da natürlich die wenigsten Schuldner diese Summen aufbringen können. Dazu kommt, dass das Insolvenzrecht im Ausland alles andere als einfach und durchsichtig ist. Wer sich schon bei den deutschen Regelungen überfordert fühlt wird hier auch nicht schlauer.

Zudem sind die Zugangsvoraussetzungen teilweise recht kompliziert, da der Lebensmittelpunkt aufwändig nachgewiesen werden und man eine gewisse Zeit in dem betreffendem Land gelebt haben muss, d. h. dass mindestens 183 Tage ( 51 % der Zeit) im betreffenden Land gelebt werden muss. Oft müssen zusätzliche Nachweise erbracht werden wie Telefonrechnungen, Rechnungen für Mietnebenkosten (Wasser, Strom), ein Konto im jeweiligen Land oder sogar Aktivitäten in örtlichen Vereinen!

Als wäre das nicht genug müssen in der Regel im Ausland Schulden "in gutem Glauben" entstanden sein, d. h. z. B. es wurde ein Kredit oder andere Verpflichtungen aufgenommen als man diesen ohne Probleme begleichen konnte und man rutschte erst durch "Schicksalsschläge" in die Schuldenfalle, z. B. Krankheit oder Arbeitslosigkeit - hat man bewusst Schulden gemacht ist der Zugang hierzu nahezu ausgeschlossen! In der Regel werden über den Schuldner auch zusätzliche Sanktionen verhängt, beispielsweise dass die Post (alles!) nicht mehr an ihn direkt geschickt werden darf sondern diese über den Insolvenzverwalter läuft.

Und: im schlimmsten Fall darf man alle Kosten vorschießen (z. B. die Finanzierung des Umzugs, Firmengründungen) und das Insolvenzverfahren scheitert und der Schuldenberg wächst - klare Richtlinien wie in Deutschland gibt es nicht!

Drei selten erwähnte Hürden sind, dass

a) das Insolvenzverfahren gilt welches zuerst eröffnet wurde! Sprich: Zieht man z.. B. nach Frankreich um damit man die vorgeschriebene Mindestaufenthaltsdauer erreicht um die private Insolvenz dort zu eröffnen aber der Gläubiger beantragt bis dahin ein Verfahren in Deutschland ist alles für die Katz gewesen, egal was man schon an Kosten hatte. Diese "Gefahr" ist heute nicht mehr von der Hand zu weisen, da die meisten Gläubiger mittlerweile im Gegensatz zu früher Kenntnis von den Auslandsinsolvenzen haben und hier auf der Hut sind!

b) man an ein eröffnetes Verfahren gebunden ist! Sprich: Wer ein Privatinsolvenzverfahren im Ausland beginnt und mittendrin merkt, dass es ihm nicht zusagt oder es nichts wird kann nicht einfach nach Deutschland gehen und hier ein neues beginnen. In diesem Fall hat man so z. B. ein gescheitertes Insolvenzverfahren am Hals samt der daraus resultierenden Kosten und eine Sperrfrist in Deutschland.

c) klare Richtlinien wie in Deutschland oft fehlen! Sprich: Richter haben im Ausland wesentlich mehr Freiheiten bei der Verfahrensgestaltung während in Deutschland alles klar für alle Beteiligten geregelt ist. Dass kann ein Vorteil aber auch ein Nachteil sein - zum Nachteil entwickelt sich das ganze dann, wenn man ein Verfahren diktiert bekommt, welches wesentlich schlechter als das deutsche ist, denn siehe b): Man ist daran gebunden! Auch ist die oft propagierte Dauer der Privatinsolvenz im Ausland oft nur eine Mindestangabe - der Richter kann durchaus eine Dauer festsetzen, die weitaus länger als die in Deutschland ist! Aus sieben Jahren in Deutschland können schnell 10 im Ausland werden.

Und: Wie auch in Deutschland gibt es keine Erfolgsgarantie durch das Verfahren zu kommen - nur mit dem Unterschied, dass man wie gesagt bei einem Scheitern oft wesentlich schlechter dasteht als hier. Wer wirklich in der Lage ist die Kosten für diese Insolvenzverfahren aufzubringen sollte sich eher daran versuchen mit seinen Gläubigern mit dieser Summe einen Vergleich auszuhandeln. In diesem Fall ist man in Deutschland nämlich noch schneller schuldenfrei als sonstwo, nämlich wenn das ganze glückt - nur mit dem Unterschied, dass das Geld dann nicht unbedingt weg ist (z. B. wenn man sich diese Summe nach einem geglückten Vergleichsversuch erst leihen muss)!

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich hätte hier allerdings mal eine Frage. Mal angenommen man hat 50.000 Euro Schulden und steigt halt in die Privatinsolvenz in Frankreich ein. Nehmen wir nun weiter an, dass man nach X Jahren im Prinzip schuldenfrei ist. Doch dann sind ja immer noch nicht die Kosten von rund 10.000 Euro bezahlt.

Wie begleicht man diese denn dann? Gibt es denn da dann wieder eine Regelung zur Begleichung dieser Kosten? Gleich wieder in ein Insolvenzverfahren einsteigen oder was? :lol: Also kann man ohne das Geld für die Kosten gar nicht erst in ein Insolvenzverfahren dort einsteigen?

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» Julian » Beiträge: 3431 » Talkpoints: 5,77 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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