Ökostrom oder Ökomärchen - Wer glaubt an was?

vom 03.04.2012, 19:33 Uhr

Heute habe ich im Radio einen Bericht gehört, der mich doch stutzen lies. Denn auch hier im Forum wurde schon mal darüber geschrieben, dass manche User Ökostrom haben und glauben, auch Ökostrom zu bekommen. Aber dennoch ist es nicht so. So sagte man jedenfalls im Radio. Es wäre angeblich immer Mischstrom, der aus der Steckdose kommt und keiner kann nachweisen, welchen Strom wir verbrauchen und welchen wir wirklich geliefert bekommen. Deswegen steht in den Verträgen oft ein Märchen, was aber der Endverbraucher wohl glauben muss.

Glaubt ihr wirklich daran, dass ihr Ökostrom gekauft habt und auch nur Ökostrom bekommt? Woher wisst ihr es genau? Warum ist der Endverbraucher so gut gläubig? Man kann also beruhigt auch billigeren Strom nehmen und bekommt das gleiche als wenn man den teureren Vertrag macht mit angeblichem Ökostrom.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Wenn man Ökostrom kauft, dann kann man faktisch gar nicht sicher sein, dass man auch diesen Ökostrom am Ende in seine Wohnung geliefert bekommt. Wie soll das denn auch funktionieren? Dafür bräuchte man ja schließlich schon eine direkte Leitung vom Ökostrom-Anbieter bis hin in die Wohnung.

Der Stromanbieter speist seinen Strom, den er produziert, in das Gesamtnetz ein und an dem hängen dann die Endverbraucher. Wenn man nun also bei einem Anbieter einen Stromvertrag abgeschlossen hat, der eben diesen Ökostrom produziert, dann unterstützt man ihn damit und man sorgt im Endeffekt natürlich auch dafür, dass mehr von diesem Strom produziert wird und entsprechend auch mehr in das Netz eingespeist wird.

Ob man beruhigt einen billigen Vertrag abschließen kann und dann den selben Strom bekommt, wie immer, das wage ich einfach einmal zu bezweifeln. Natürlich bekommt man bei jedem Vertrag im Grunde den gleichen Strom aus der Leitung, nur weil man den Stromanbieter wechselt wird man ja auch nicht an ein neues Stromnetz angeschlossen, also kann sich der Strom gar nicht verändern. Aber jemand, der Wert darauf legen würde ökologisch erzeugten Strom zu kaufen, der wäre dann sicherlich nicht beruhigt. Schließlich würde er oder sie damit dann wieder die Lobby des konventionell erzeugten Stroms unterstützen.

Auch hier kann ich mir wieder einmal nicht vorstellen, dass jemand das Märchen mit dem gelben Strom, wie zum Beispiel die Firma eon früher geworben hat, je geglaubt haben kann. Das habe ich damals schon nicht verstanden, wie eine Firma so bescheuert werben kann, denn in der Schule lernt man doch auch schon, wie der Strom in das Netz gelangt und dass von jedem Kraftwerk Strom in das Netz eingespeist wird. Der Ökostrom weiß ja auch nicht, aus welcher Steckdose er heraus kommen soll und geht wie alles andere auch ganz einfach den Weg des geringsten Widerstands. Eigentlich sollten die Verbraucher das auch wissen, wenn sie im Physikunterricht immer schön anwesend gewesen sind.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Gedankengänge wie diese können eigentlich nur dann entstehen, wenn man die Idee hinter "Ökostrom" nicht verstanden hat. Denn es geht hier nicht vorrangig um einen selbst indem man sich z.B. eine sichtbare "moralische Überlegenheit" gegenüber anderen erkauft wie es früher durch den Einkauf im Reformhaus möglich war. Es geht auch nicht um eine "gesunde" Lebensweise. Daher ist es völlig egal, ob hier "Ökostrom" aus Windenergie oder aber billiger Atomstrom aus Frankreich durch die eigenen Leitungen fließt. "Ökostrom" verbessert weder das Klima noch esoterische Schwingungen im Haus!

Wichtig beim Kauf von "Ökostrom" ist schlicht die Tatsache, dass damit die Erzeugung von Strom durch ökologisches Vorgehen (eben durch Wind, Wasser oder Solar statt durch Atom oder Kohleverbrennung) gefördert wird. Wichtig ist bei der Sache nur, dass eben sichergestellt wird, dass die Erzeuger kein Schindluder treiben und eben gar keinen Strom nachhaltig erzeugen und nur Atomstrom einspeisen. Das wäre sicherlich Betrug (am Kunden) gegen den vorzugehen wäre.

Es ist also durchaus auch ökologisch sinnvoll und wichtig, wenn z.B. Menschen in Regionen Ökostrom ordern obgleich in der Region ausschließlich Atomstrom verwendet wird. Dafür ist aber sichergestellt, dass die gekaufte Menge "Ökostrom" wirklich produziert wird und in das Netz eingespeist wird. Wenn auch dann u.U. Kunden zugeführt wird, die den billigen Atomstrom beziehen (wollen). Aber das ist nicht entscheidend, weil Strom hier Strom ist und die "Öko-KWh" und die konventionelle KWh bzgl. der Leistung genau gleich sind. ;)

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Nur ökologisch erzeugten Strom ins Haus zu bekommen, ist schlicht und einfach unmöglich. Denn dafür müssten die Ökostromanbieter ein komplett eigenes Stromnetz aufbauen. Wir haben aber nun mal nur ein Stromnetz und in dieses wird der Strom aus allen Quellen eingespeist. So entsteht der Strommix, der dann aus unseren Steckdosen kommt.

Es ist so, wie derpunkt schon richtiger erklärt hat. Die seriösen Ökostromanbieter fördern den weiteren Ausbau der Nutzung von alternativen Energien. Man sollte eben aufpassen, dass man auch wirklich einen seriösen Anbieter aussucht, und nicht einen, der nichts anderes als "umetikettierten" Atomstrom verkauft. Das RECS-Siegel steht zum Beispiel in der Kritik, weil es eben genau dieses Umetikettieren ist. Näheres dazu hier.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Denkt tatsächlich jemand der Ökostromtarife gebucht hat, dass er nur Strom aus ökologischer Erzeugung erhält? Ich hätte das nicht gedacht, denn wie will man das denn trennen? Der Strom wird doch allgemein ins Netz eingespeist und da ist es doch klar, dass man Mischmasch bekommt oder eben nur Strom aus anderer Erzeugung.

Wer einen solchen Tarif gebucht hat, der unterstützt die Förderung ökologischer Stromerzeugung, aber der Bezug ist damit nicht verbunden. Ich weiß nun nicht, was in den Verträgen steht, aber dort wird sicherlich nicht explizit stehen, dass man nur Strom aus erneuerbaren Energien erhält. Das kann ich mir kaum vorstellen, denn das ist gar nicht möglich.

Wir beziehen keinen Ökostromtarif, sondern haben momentan noch einen normalen. Dennoch kommt auch jemand wie wir in den Nutzen des Ökostroms, denn dieser wird ja für alle Verbraucher gleichermaßen ins Netz eingespeist. Wenn ich aber einen solchen Tarif buchen würde, wäre mir schon klar, dass ich damit nur die erneuerbaren Energien fördere und nicht direkt Strom daraus beziehe.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Na das wäre ein Aufwand, wenn ich nun wirklich darauf bestehen würde, dass ich meinen Strom, den ich zu hause aus meiner Leitung zapfen kann, auch wirklich bis zu dem Windpark zurück verfolgen können wollte, von dem ich ihn gekauft habe. Das ist sicherlich nicht zu realisieren! Das geht ganz einfach wie andere ja auch schon erwähnt haben nur dann, wenn diese Anbieter sich jeweils ein separates Netz erstellen würden und dann jeder Kunde neu an dieses Netz angeschlossen werden würde. Das wäre ein riesen großer Aufwand, bei dem hunderte von Straßen aufgerissen werden müssen würden und dann würden sich auch schon wieder die ganzen Anwohner beschweren.

Wenn man diesen so genannten Ökostrom kauft, dann macht man das ganz sicher nicht in dem festen Glauben, dass man diesen Strom dann auch direkt in sein Haus geliefert bekommt. Man macht das, weil man gegen Atomstrom ist oder gegen konventionell erzeugten Strom im Allgemeinen und lieber grüne Energien nutzen will. Man wechselt also den Anbieter und unterstützt somit die Einspeisung von solchem Ökostrom in das Gesamtnetz, während man dem konventionellen Strom abschwört. Je mehr Nutzer so handeln, desto weniger werden die konventionellen Anbieter in das Gesamtnetz einspeisen, ganz einfach weil sie keine Abnehmer mehr haben, kein Geld mehr für ihren Strom bekommen und dann natürlich auch nicht mehr Strom produzieren als unbedingt notwendig. Das wäre ja auch schwachsinnig für die Produzenten.

Ich denke, dass das den meisten Endverbrauchern auch bewusst sein wird und vor allem auch, dass es kein Betrug ist wenn die Anbieter mit sauber erzeugtem Strom werben. Schließlich liefern sie diesen ja auch, auch wenn man ganz bestimmt nicht nur ausschließlich diesen Strom erhält, sondern im Grunde so ziemlich den gleichen Strom wie zuvor auch schon. Da aber schon ein kleines bisschen mehr Ökostrom eingespeist wird, je mehr Kunden entsprechende Anbieter haben, kann man das Netz dadurch "säubern" und erhält prozentual mehr ökologisch erzeugten Strom als zuvor. Wenn auch nur marginal aber das ist ja zumindest schon einmal ein Anfang.

» Anky » Beiträge: 579 » Talkpoints: 4,27 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich bin auch der Meinung, dass man sich in den meisten Fällen nie sicher sein kann, was man da wirklich bekommt und für was man da dann im Endeffekt bezahlt. Oftmals ist es ja wirklich so, dass man nicht zurückverfolgen kann, was für einen Strom man jetzt aus der Steckdose bekommen hat, wo dieser Strom herkommt und wie er eben erzeugt wurde. Das grenzt dann schon an das Unmögliche und man muss dann eben einfach den Gesellschaften glauben, weil einem ja kaum was anderes übrig bleibt.

Ich denke aber, dass es sich kaum noch lohnt, wenn man Ökostrom kauft. Es ist ja schon allgemein bekannt, dass bei solchen Sachen oftmals mehr gelogen und betrogen wird als man überhaupt mitbekommt. Mit persönlich ist es das nicht wert und ich nehme dann lieber den Strom, bei dem man es zwar auch nicht zurückverfolgen kann, der dann aber wenigstens billiger ist und meinen Geldbeutel schont.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Vielleicht ein etwas anderes Beispiel, eine Analogie, damit sich auch die weniger technisch Begabten etwas darunter vorstellen können. Statt Strom nehmen wir Wasser.

Stellt euch einen See vor. Dort kommt Wasser rein (über Bäche und Flüsse) und geht Wasser aus (auch über Bäche und Flüsse). Ziel ist es, dass der Abfluss immer sofort durch Zufluss abgeglichen wird, der Pegelstand muss immer gleich bleiben (die Stromspannung muss gehalten werden).

Wenn ich nun Wasser aus dem See nehme, dann ist es nicht möglich zu sagen, woher das Wasser kommt, aus welchem Bach oder welchem Fluss. Aber ich habe den Wasserpegel durch die Wasserentnahme gesenkt. Also muss jetzt wieder Wasser in den See kommen. Ich bin also für die Qualität dieses Zuflusses verantwortlich, da ich die Ursache dafür bin. Beim Strom kann ich dies mit einem entsprechenden Abo steuern.

Relevant ist nicht was bei mir aus der Steckdose kommt, sondern was zur Spannungserhaltung ins Stromnetz eingespiesen wird.

Das ist wie beim Stausee, ich als Wassertrinker bin daran interessiert, dass die Zuflüsse möglichst reines Wasser einspeisen, sonst kommt der Dreck auch zu mir, wenn auch etwas verdünnt. Je mehr Abwasserreinigungsanlagen an den Flüssen gebaut werden, umso besser wird die Wasserqualität im gesamten. Nur weil ich eine Abwasserreinigungsanlage bezahlt habe, bekomme ich, wenn ich aus dem See trinke, nicht automatisch reines Wasser!

» thisnamewasfree » Beiträge: 1102 » Talkpoints: 2,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


So abwegig ist es nicht, dass die Leute, die Ökostrom haben wollen, auch glauben, dass sie Ökostrom bekommen. Aussagen wie, dass sie schon lange Ökostrom von Wind- und Wasserenergie bekommen kann man hier nachlesen Ökostrom - Die Alternative? und andere User glauben, wenn man das so liest auch daran, dass durch ihre Steckdosen nur Ökostrom fließt.

Ich persönlich glaube nicht, dass Ökostrom durch die Leitungen fließen und es wird immer Mischstrom sein. Aber es gibt eben auch Leute, die einfach daran glauben, dass es Ökostrom ist.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Das Thema wurde auch schon einmal recht ausführlich im Thread RECS-Zertifikate und die Ökostrom-Lüge beschrieben. Wen es also genauer interessiert, warum das ein Märchen ist, kann dies dort nachlesen. Und wer einmal das Wort Graustrom hier im Forum sucht, wird weitere Informationen finden.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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