Bei Selbstmord keine kirchliche Beerdigung?

vom 28.02.2012, 08:47 Uhr

Irgendwo habe ich aufgeschnappt, dass Selbstmörder angeblich nicht kirchlich bestattet werden durften oder heutzutage vielleicht auch weiterhin gar nicht bestattet werden dürfen. Jedenfalls sind Kirchen gegenüber Selbstmörder wohl sehr distanziert gewesen und vermutlich heute noch distanziert, egal, aus welchen Gründen sich ein Selbstmörder umgebracht hat.

Weshalb wurden/ sind Selbstmörder von Beerdigungen an sich ausgeschlossen (gewesen)? Wie wurden Selbstmörder sonst bestattet? Was haltet Ihr davon, dass man durchaus einem Selbstmörder eine normale Beerdigung verweigert hat?

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Das ist nicht so! Es heißt immer, dass Selbstmörder nicht in den Himmel kommen, sondern in die Hölle. Aber auch bei einem Selbstmord wird es eine kirchliche Beerdigung geben. Distanziert sind sie nur, weil es eben heißt, dass der Weg zum Himmel nicht offen stehen würde. Früher war es vielleicht so, weil die Menschen noch viel gläubiger waren, aber das was Du beschreibst war wohl eher in der Zeit des Mittelalters, aber nicht mehr in der heutigen Welt. Zumindest nicht bei uns in Deutschland, wie es in anderen Ländern ist, kann ich auch nicht beurteilen.

» davinca » Beiträge: 2246 » Talkpoints: 1,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Früher war es tatsächlich oftmals der Fall, dass einer kirchlichen Bestattung oder Beerdigung nach einem nachgewiesenen Selbstmord nicht stattgegeben wurde. Das wurde bis weit in die 70er-Jahre so gehandhabt - sehr zum nachvollziehbaren Verdruss vieler Angehörigen, die ja trotzdem an etwas geglaubt haben, egal ob sich ihr Anverwandter nun selbst umgebracht hat oder nicht. Mittlerweile wird das glücklicherweise nicht mehr so gehandhabt und wenn ich mich nicht täusche, ist es sogar gesetzlich verboten worden, einem verstorbenen Selbstmörder die kirchliche Bestattung aus eben diesem Grund zu verweigern.

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» Paul Smith » Beiträge: 416 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Es ist früher wie heute so, dass es allein in der Macht des Geistlichen liegt, in dem Fall eine Bestattung vorzunehmen oder eben nicht. Und je nach dem wie streng der Glaube ausgelegt wird, kann entschieden werden, dass die Bestattung "gestattet" wird oder eben nicht. Ähnlich verhält es sich bei Bestattungen auf kirchlichen Friedhöfen, wenn ein Partner der Kirche angehört, der andere nicht oder einer anderen Religionsgemeinschaft angehörte. So kann der Pfarrer es ablehnen, den "anderen" Partner auf dem Friedhof zu bestatten. Und das geht sogar weiter: es ist denkbar, dass Kinder die noch vor der Taufe sterben (Unfall, plötzlicher Kindstod usw.) von einer Beerdigung auf kirchlichen Friedhöfen ausgeschlossen werden, weil sie noch nicht getauft wurden.

Hier findet sich kein Handbuch mit "Gesetzen" oder Richtlinien, wie in solchen "Grenzfällen" zu handhaben ist. Das alles obliegt dem Ermessensspielraum der ausführenden Organe. Und so kommt es eben, dass man davon ausgehen kann, dass ein Mensch der das Leben (Geschenk Gottes) aus eigenen Stücken wegwirft und nicht zu schätzen weiß (so die Interpretation) sich gegen Gott gestellt hat und eben nicht entsprechend beerdigt werden soll.

*steph* hat geschrieben:Wie wurden Selbstmörder sonst bestattet?

Die Kirchen sind schlicht freie Vereine, welche im Moment auf Grund der Geschichte aber auch der steuerlichen Sonderstellung (auch) in der säkularisierten Gesellschaft überschätzt werden. Es ist natürlich auch ohne Kirche möglich, eine Ehe zu schließen, Kinder zu bekommen, Kinder zu erziehen und auch aus dem Leben zu scheiden. Für alle diese Prozesse mag die Kirche sich verantwortlich fühlen, ist aber nur optionales Beiwerk. Eine Bestattung ist also auf für Selbstmörder, Kirchenaustreter und bekennende Atheisten und Andersgläubige auf den öffentlichen/städtischen Friedhöfen denkbar. Nur weil kein Priester oder Pfarrer oder sonstiger Geistlicher hinzukommt, ist der bestattete Mensch nicht weniger tot.

*steph* hat geschrieben:Was haltet Ihr davon, dass man durchaus einem Selbstmörder eine normale Beerdigung verweigert hat?

Jedem Verein die Mitglieder, die er verdient. Wem dieses Detail wichtig ist, der soll Mitglied werden. Ansonsten ist es ähnlich wie mit dem Ferrari-Verein, der auch nur Mitglieder aufnimmt, die einen Ferrari fahren.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich kenne einen Menschen, der nach seinem Selbstmord nicht durch die Kirche beerdigt werden konnte, weil die Gemeinde sich dagegen gewehrt hat und er wurde ganz einfach so bestattet, wie ein Mensch, der in keiner Kirche ist. Denn auch die werden beerdigt und liegen nicht irgendwo in einer Ecke. Als ich noch jung war, hat sich ein Junge aus meiner Klasse selber umgebracht und der wurde kirchlich beerdigt, weil damals unsere Kirchengemeinde meinte, dass er es auch verdient hat, dass er zu Gott findet.

Ich kannte jemanden, der vor seinem Selbstmord seine Tochter erschossen hat und dieser Mensch wurde nicht kirchlich beerdigt, weil er eben auch ein anderes Menschenleben auf dem Gewissen hat. Er wurde einfach auf dem Friedhof beerdigt wie ein Mensch ohne Glauben, obwohl er katholisch gewesen ist.

Es liegt also auch an der Gemeinde, ob ein Suizid kirchlich beerdigt werden kann oder nicht. Aber man sollte bedenken, dass auch Menschen ohne Glauben beerdigt werden und die Beerdigung ist genauso wie eine kirchliche Beerdigung, nur eben ohne den Priester. Stattdessen ist eine Art Prediger derjenige, der die Trauergemeinde zum Grab führt und dieser ist von der Stadt oder der Gemeinde. Meist ist es ein Mitarbeiter des Bürgermeisters oder eben jemand, der extra für Beerdigungen ohne Kirche angestellt ist.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


In meiner Familie kam es schon zu drei Selbstmorden und meine Verwandten wurden dann auch immer mit einem katholischen Gottesdienst beerdigt. Es wurde dann aber in der Predigt und der Gedenkrede auf die besonderen Umstände des Todes und die "ungreifbare Verzweiflung" hingewiesen, alles sehr undurchsichtig wie ich fand, ich hätte mir gewünscht dass das Thema Selbstmord nicht so umrüscht worden wäre denn ich selber kann es schon verstehen, wenn ein Mensch sich selber das Leben nimmt und sehe da nichts schlimmes drin, was man verschleiern muss.

Ich muss aber sagen, dass der Pfarrer an sich einen sehr geschmackvollen Gottesdienst gehalten hat und dass er, wenn er einen Selbstmord für verwerflich halten sollte, dies auch gut versteckt hat und meine Onkel ganz normal und würdevoll wie jeden anderen Toten auch beerdigt hat. In früheren Zeiten wäre es vielleicht anders gewesen und ganz früher durften Selbstmörder auch wirklich nicht auf dem geweihten Teil des Friedhofes beerdigt werden, aber diese Zeiten sind nun wirklich schon vorbei, es ist erlaubt und liegt im Ermessen der kirchlichen Verantwortlichen.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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