Werden Literaturklassiker wirklich gebraucht?

vom 07.01.2012, 23:27 Uhr

Es gibt hier ja so viele Fragen danach, welche Klassiker man kennen sollte, was die deutschsprachige oder auch europäische Literatur betrifft. Aber was ist eigentlich mit der Frage, ob man Klassiker heutzutage überhaupt noch benötigt?

Zum Anlass für diese Frage ist ein Gespräch mit meinem Englischlehrer vor vielen Jahren geworden, das mir nun vor kurzem wieder eingefallen war. Dieser Englischlehrer unterrichtete mich von der 11. bis zur 13. Klasse am Gymnasium. Es war auch noch ausgerechnet der Englisch-Leistungskurs, in dem ich auch eine meiner Abitur-Prüfungen machen musste. Und bei eben diesem Lehrer lasen wir nur moderne englischsprachige Literatur. Ich hingegen hätte gerne etwas über Shakespeare behandelt, und wenn eben auch nur ein paar seiner Sonette. Ich war der Meinung, das sei für einen Englisch-Leistungskurs doch auch angemessen. Der Lehrer hingegen lehnte ab: So etwas bräuchte heutzutage doch keiner mehr, und abgesehen davon hätten wir gefälligst froh zu sein, so etwas unnötig Kompliziertes nicht behandeln und darin geprüft werden zu müssen.

Er vertrat die Meinung, Klassiker seien unnütz. Die veraltete Sprache helfe nicht beim Verstehen der heutigen Sprache, die Handlung sei in vielen Fällen nicht mehr auf die heutige Realität und den heutigen Alltag anwendbar, und nur, weil diese Dinge alt seien, müssten sie nicht besser als heutige Werke seien. Heutige Literatur sei für den Unterricht sowieso besser, da lebensnaher.

Und diese Meinung hat übrigens nicht nur dieser Englisch-Lehrer vertreten, sondern auch andere Lehrer, die ich hatte. Ich habe auch von Freunden, und von jüngeren Geschwistern von Freunden, die derzeit noch das Gymnasium besuchen, gehört, dass viele Lehrer klassische Literatur im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht immer mehr vom Plan streichen. So sieht es an Gymnasien aus, und bei Real- und Hauptschulen soll es oftmals wohl schon so sein, dass die Zahl der Klassiker nicht nur verringert sind, sondern dass gar keine Klassiker mehr im Unterricht behandelt werden.

Dies finde ich sehr schade, denn es gibt ja schon sehr schöne klassische Werke, die es sich zu lesen lohnt, jedenfalls meiner Meinung nach. Man kann Historisches ja auch auf die heutige Zeit übertragen, die alte Sprache kann meiner Meinung nach diese Sprachlernfähigkeit auch unterstützen, und nebenbei noch ein wenig Geschichtliches zu lernen, und sich vielleicht auch in die damalige Zeit durch die Protagonisten hineinversetzen können zu lernen, das schadet ja eigentlich auch keinem Menschen. Im Gegenteil, vielleicht stärkt es allgemein die Fähigkeit zu einem Einfühlungsvermögen in andere Personen, auch Personen anderer Kultur. Vor allen Dingen meine ich aber auch, dass Klassiker einen schönen Gegenpol zu der modernen Unterhaltungsliteratur, die die Schüler sowieso zuhause lesen, darstellen könnten. Ich sage ja nicht, dass man nur Klassiker behandeln müsste, aber sie ganz aus dem Lehrplan zu streichen, das fände ich auch sehr schade.

Wie seht ihr das, sollte man Klassiker weiterhin den Schülern vermitteln, oder ist das alles unnütz? Was spricht dafür, was dagegen, Klassiker weiter in der Schule zu behandeln?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Naja ich bin genauso wie dein Englisch-Lehrer der Meinung, dass Literaturklassiker überbewertet werden. Es gibt diesen Literaturkanon, der aus lauter Werken besteht, die jeder im Leben gelesen haben muss. Dazu zählen Werke von Goethe, Schiller und anderen berühmten Persönlichkeiten. Ich kann mich allerdings mit diesen alten klassischen Werken gar nicht anfreunden. Man versteht dort wegen der poetischen und ausgeschmückten Sprache meistens sehr wenig. In klassischen Werken werden meist sehr viele Metaphern gebraucht, was das Lesen noch weiter erschwert.

Außerdem verstehe ich sowieso nicht, warum man klassische Werke gelesen haben muss. Man muss nicht solche komplizierten und langen Texte lesen, um die Moral, die hinter den Geschichten steckt, zu verstehen. Beispielsweise mussten wir als Lektüre Goethes Faust lesen, das war eine ziemliche Plage, weil man erstens überhaupt nichts verstand und auch der Inhalt ziemlich langweilig ist, auch wenn die Idee, also der Erkenntnisgewinn, sehr interessant ist. Allerdings muss man dazu nicht solche langen Werke lesen. Da die Sprache einer dynamischen Veränderung unterworfen ist, können wir auch mit solchen Texten teilweise überhaupt nichts mehr anfangen. Das liegt auch daran, dass sich die Gesellschaft geändert hat und so wie die Protagonisten in den Werken meist handeln, würde heute fast keiner mehr handeln. Deswegen kann zumindest ich mich mit solchen Protagonisten auch überhaupt nicht identifizieren. Identifikation mit dem Handlungsträger ist allerdings für das Verständnis und auch für die Spannung einer Geschichte sehr wichtig.

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» mendacium. » Beiträge: 750 » Talkpoints: 17,61 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich empfinde deine Meinung als interessant. Gerade die These, dass die Protagonisten aus alten Werken ihrer Zeit gemäß gehandelt hätten, was aber auf die heutige Zeit gar nicht mehr zu übertragen wäre. Abgesehen davon, dass ich mich frage, woher du das denn wissen möchtest, da du ja nach eigenen Angaben die Texte gar nicht so wirklich verstehen konntest, ihrer metaphorischen und historischen Sprache wegen: Kennst du zufällig "Die Leiden des jungen Werther" von Johann Wolfgang von Goethe? Falls ja, meinst du, heutzutage gibt es keinen Liebeskummer mehr, weil die Frau, in die man verliebt ist, schon mit einem anderen Menschen verlobt ist? Oder was ist mit Goethes Faust, abgesehen davon, dass es diesen gesamten Hexerei-Aspekt real natürlich nicht gibt, denkst du nicht, dass es noch heute Leute gäbe, die ihre Seele an den Teufel verkaufen würden, um ewige Jugend, Geld, Ruhm und sonst noch was für Dinge zu erhalten? Auf sinnbildliche Weise tun das doch gerade heute etliche Menschen. Von daher halte ich, deine Meinung in allen Ehren, die Aussage, dass die alten Geschichten keinerlei Verbindungen zu Geschehnissen der heutigen Zeit hätten, für inkorrekt.

Nebenbei, ich würde nicht sagen, dass "man" Goethes Faust nicht verstehen könne. Ich habe es jedenfalls problemlos verstanden, auch bei der Erstlektüre im Alter von knapp 16 Jahren. Und bei den Mitschülern sah es bei etwa 90% nicht anders aus. Und spannend fand ich die Geschichte, um ehrlich zu sein, ebenfalls, aber andererseits stehe ich ja auch allgemein auf solch einen Fantasy- oder Grusel-Kram mit dämonischen Pakten und solchen Dingen. ;)

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich finde wirklich, dass man die Handlungen der Protagonisten nicht auf die heutige Zeit übertragen kann. Ich habe "Die Leiden des jungen Werther" zwar nicht gelesen, wir haben es aber im Deutschunterricht behandelt. Ich zweifle auch nicht an der Wichtigkeit der Kernaussagen der Geschichte. Allerdings ist die Handlung, in die diese Kernaussagen eingebettet sind, nicht mehr zeitgemäß. Das erschwert das Lesen und die Identifikation mit dem Protagonisten schon sehr.

Diese bürgerlichen Tugenden, wie sie bei Goethe vermittelt werden, Gehorsam, Einhaltung gesellschaftlicher Normen, usw. gelten heute längst nicht mehr. Ich bewundere die Klassiker für ihren teilweise revolutionären Charakter, allerdings kann man solche Klassiker auch adaptieren und in eine moderne Geschichte verwandeln.

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» mendacium. » Beiträge: 750 » Talkpoints: 17,61 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Da scheint das Empfinden tatsächlich sehr unterschiedlich zu sein, aber das ist ja auch okay, weil jeder Mensch Dinge anders wahrnimmt. Bei mir persönlich kommen die Erzählungen in den Klassikern irgendwie emotional gesehen gar nicht so fremd rüber. Also, ob da eine Frau ein Kleid trägt und ihren Vater mit "Herr Vater" und "Ihr" anspricht, oder ob sie Jeans und T-Shirt tragen würde und "Du" und "Papa" sagen würde, das macht bei mir irgendwie keinen Unterschied. Und die Grundemotionen bleiben ja eigentlich immer gleich. Der Mensch hat ja so seine paar Emotionen, die er schon immer hatte und die sicher auch für immer bleiben werden: Liebe, Trauer, Wut, Hass, Enttäuschung, Sehnsucht, Angst, und so weiter. In was für eine Umgebung die gepackt werden, ist mir persönlich irgendwie zum Verständnis Wurscht. Aber, wie ich schon schrieb, das ist bei jedem Menschen anders. :)

Übrigens gibt es ja schon so eine Tradition, bei Theaterstücken oder Opernaufführungen klassische Stücke modern zu inszenieren. Ich war letzten Sommer bei einer tollen Opernaufführung von MacBeth, in der Opernfassung von Giuseppe Verdi, und nach dem Stück von William Shakespeare. Da wurde die eigentlich mittelalterliche Handlung in die moderne Zeit übertragen. Das klappte schon gut. Oder vielleicht kennst du ja die "Romeo und Julia"-Verfilmung aus Hollywood, mit Leonardo di Caprio in der Hauptrolle. Die hat ja sogar die Originaltexte von Shakespeare verwendet. Fand ich damals irgendwie lustig. Also, die Grundemotionen sind halt dieselben, egal, wie die Rahmenhandlung aussieht.

Ach, und was ich noch schreiben wollte: Diese Sache mit den traditionellen bürgerlichen Tugenden, die gibt es so heftig heute natürlich bei den meisten Leuten nicht mehr, aber in einigen Familien ist es echt noch so schlimm.

Und solche Grundprobleme wie bei Goethes Faust, wo Gretchen unverheiratet schwanger wird, und dann vor Verzweiflung ihr Kind umbringt, aus Angst, was die Mutter denken wird, und die anderen Leute, solche gibt es heutzutage ja leider auch immernoch. Man liest ja schon regelmäßig in der Zeitung, dass irgendeine Frau ihr gerade geborenes Kind umgebracht und irgendwo in irgendeine Mülltonne gelegt hat, oder ähnliche grauenvolle Dinge.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


In gewisser Weise kann ich den Englischlehrer schon verstehen. Ich habe mein Abitur nämlich in einem Bundesland mit Zentralabitur gemacht und dementsprechend gab es natürlich auch eine Liste mit Büchern, die wir lesen mussten. Auf dieser Liste auch Macbeth und viele Mitschüler hatten da sichtlich überhaupt keinen Spaß dran. Außerdem haben sich einige der deutschen Schüler beim vermehrten Aufkommen von thy, thou, thine und so weiter regelmäßig einen abgebrochen beim Vorlesen, was auch nicht dazu beiträgt, dass man Spaß an einer Lektüre hat. Wenn ich Englisch unterrichten würde, würde ich mich wahrscheinlich auch für eine andere Lektüre entscheiden, denn es macht einem Lehrer ja sicher auch keinen Spaß vor einer unmotivierten Klasse zu stehen. Man muss ja Shakespeare deshalb nicht ganz aus dem Lehrplan streichen. Wir haben damals auch die geschichtlichen Aspekte besprochen und zum Beispiel Zeitungsartikel über das Globe Theatre gelesen und uns ein paar Verfilmungen angeschaut.

Generell bin ich natürlich schon der Meinung, dass klassische Literatur zur Allgemeinbildung gehört und das Argument, dass heute niemand mehr so handelt wie 17ten Jahrhundert mag zwar richtig sein, aber das spricht für mich jetzt nicht gegen einen Roman. Ich habe auch schon genug moderne Romane gelesen, bei denen ich mit der Motivation einer Figur absolut gar nicht anfangen konnte und selber niemals so gehandelt hätte. Da habe ich dann noch wesentlich mehr Verständnis für die Figur aus dem 17ten Jahrhundert, weil ich das Verhalten wenigstens vor dem gesellschaftlichen Hintergrund der damaligen Zeit verstehen kann.

Ich habe allerdings bei mir und auch in meinem Freundeskreis festgestellt, dass das Interesse an den Klassikern oft erst ein bisschen später kommt, also wenn man die Schulzeit schon hinter sich gelassen hat. Während der Schulzeit hält man sich doch oft an die Twilights und Harry Potters oder was sonst gerade so angesagt ist. Deshalb stellt sich mir halt die Frage, ob es nicht wichtiger ist, wenn man in der Schule erst mal einfach die Freude an der Literatur vermittelt bekommt und zwar mit Hilfe von einfach zugänglichen Texten. Denn so wird man später den Klassikern ohne Vorurteile begegnen können, also nicht von vorne herein denken, dass sie eh langweilig sind.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich finde Schule sollte sich auf Klassiker nicht versteifen, diese aber auch nicht links liegen lassen. Das Problem beim Verständnis der Klassiker heute ist allerdings, dass die Lehrpläne den Schülern gar kein rundes Bild der damaligen Zeit vermitteln. Will sagen, wenn der Deutschlehrer Goethe bespricht, redet man in Geschichte entweder über die Nazizeit oder über die Antike. Macht der Englischlehrer Shakespeare, macht man in Deutsch Kafka und Geschichte findet in diesem Halbjahr gar nicht statt. Trotzdem sind die Klassiker doch teilweise auch die Basis für moderne Literatur, ich finde es immer schade, wenn ein Autor dort einen Klassiker zitiert, aber keiner versteht es mehr. Nehmen wir doch den ganzen Vampirhype im Moment, aber kaum einer hat zumindest Dracula gelesen oder mal über die Sagen und Legenden auf dem Balkan nachgedacht, und dann muss man sich wundern, dass die Blutsauger heute in der Sonne gülden glänzen. :lol:

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Allgemein wird es ja als regelrecht als Pflicht angesehen in der heutigen Gesellschaft, bestimmte Klassiker der Weltliteratur zu kennen, ob Schiller, Shakespeare, oder der Franzose Voltaire.

Ich finde es übertrieben zu sagen, dass die gesamte Literatur vergangener Tage Schrott ist. Natürlich sind die literarischen Werke vergangener Tage nicht immer leicht zu verstehen, oftmals sind diese in Prosa geschrieben, mit literarischen Stilmitteln wie Metaphern und Symbolen ausgeschmückt, was das lesen einiger Werke wirklich zur Qual macht. Einige Bücher liegen einem eben besser, einige schlechter. Man muss auch beachten, dass diese Werke für eine andere Epoche geschrieben wurden also für eine andere Generation von Menschen, oftmals machten diese Werke in ihrem epochalen Kontext einfach mehr Sinn als heute. Das alles rechtfertigt es aber nicht, die gesamten Klassiker der Weltliteratur als unnütz anzusehen meiner Meinung nach. Es gibt Werke die gefallen einem mehr, andere weniger. Doch es ist und bleibt ein Stück weit Kultur, einige Werke der Weltliteratur wenigstens beim Namen zu kennen.

Auf der anderen Seite muss ich aber auch sagen, dass ich einige Bücher auch als garnicht so literarisch wertvoll empfand wie immer getan wird. Ich denke auch, dass manche Bücher einfach als Klassiker angesehen werden allgemein von der Gesellschaft und keiner sich traut was gegen diese Werke zu sagen. Oftmals hatte ich jedoch das Gefühl, das sich die Handlungen in Werken bestimmter Epochen immer wieder Wiederhohlen und es mehr oder weniger das Gleiche ist, besonders in der Zeit des Barocks.

Dann wiederum gibt es Werke, die zu einer Epoche gehören von Künstlern, die einfach unglaublich innovativ waren, die die Masse schocken wollten durch Werke, die so gar nicht der Norm der damaligen Zeit entsprachen und die zum Beispiel Themen behandelten, die einfach ein Tabu Thema waren. Die Wiener Moderne ist ein Paradebeispiel hierfür. Die Autoren der Wiener Moderne fingen an, Themen wie zum Beispiel Prostitution und die Verkommenheit der Gesellschaft zu illustrieren. Solche Werke, wie zum Beispiel das Werk "Angst" von Zweig empfinde ich dann wiederum als sehr wertvoll und zurecht als Klassiker geltend.

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» held » Beiträge: 185 » Talkpoints: 6,80 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Bei uns gab es das zu meiner Schulzeit noch nicht, wir wurden praktisch mit Literaturklassikern großgezogen in der Schule. Ich kann mich nicht an ein Buch neueren Ursprungs – oder gar eines zeitgenössischen Ursprungs – erinnern, das wir tatsächlich mal im Unterricht behandelt haben. Stattdessen gab es die obligatorischen Standard-Werke von Sheakspeare und Schiller, womit ich auch kein Problem hatte. Schiller gehört auch heute noch zu meinen liebsten Schreibern und ich habe mittlerweile alles gelesen, was jemals seiner Feder entsprungen ist. Deshalb finde ich es auch gut und nützlich, dass wir schon in jungen Jahren in der Schule damit in Kontakt gekommen sind und man dort die Fragen beantwortet bekam, die sich im Zusammenhang mit solchen Klassikern und ihrem nicht immer ganz einfachen Inhalt nunmal so gestellt haben. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre es gut möglich, dass mein Interesse auch schnell wieder verflogen wäre, weil ich den Inhalt möglicherweise nicht ausreichend verstanden hätte.

Leider konnte ich auch in meinem Bekanntenkreis beobachten und merke es jetzt auch bei meinem Sohn, der ebenfalls in dem Alter ist, in dem solche Werke eigentlich langsam in den Unterricht mit einbezogen werden, dass das heute weniger und weniger Bedeutung hat. Man orientiert sich tatsächlich eher an moderner Literatur, ganz gleich ob im Englischunterricht oder im Fach Deutsch. Ich war schon sehr überrascht, dass das mittlerweile so gehandhabt wird, denn ich dachte eigentlich, dass auch noch in 200 Jahren die Literaturklassiker regelmäßig ein Gähnen aus dem Mund uninteressierter Schüler befördern werden – so habe ich mich wohl getäuscht.

Ich weiß nun nur noch nicht recht, ob ich diese Veränderung wirklich begrüßen soll oder nicht. Selbstverständlich können nur die wenigsten Schüler mit klassischer Literatur etwas anfangen und ich kann das auch durchaus nachvollziehen und verstehen. Meiner Meinung nach sind die Werke aber von einer geschichtlichen und historischen Bedeutung, die oftmals unterschätzt wird und deswegen nie ganz vergessen oder aus den Klassenräumen der Nation verbannt werden sollten. Beispielsweise der Freiheitskampf von Wilhelm Tell im gleichnamigen Werk von Schiller ist doch auch noch in unserer heutigen Zeit so real und allgegenwärtig wie damals – in diesem Jahrzehnt, das von Befreiungskämpfen und Revolutionen geprägt sein wird, wahrscheinlich mehr als jemals zuvor in der neueren Geschichte. Ich kann also wirklich nicht verstehen, warum so ein elementar wichtiges Buch aus dem Unterricht verbannt wird.

Wie gesagt: Natürlich ist solche Lektüre alles andere als leicht zu lesen und/oder zu verstehen. Aber die Schüler sollten immerhin auch lernen, sich mit Dingen, die nicht einfach sind, auseinanderzusetzen, anstatt ihnen zu erlauben, schon von schulwegen den leichteren Weg zu gehen. Das ist definitiv die falsche Herangehensweise und ich erachte das als durchaus bedenklich für den weiteren Verlauf und die Entwicklung eines Schülers, der ja eigentlich dazu in der Lage sein sollte – zu einem großen Teil auch in seinem späteren Berufsleben – sich mit komplexen Zusammenhängen und geschichtlichen oder kulturell relevanten Themen auseinanderzusetzen, auch wenn sie mal von einer komplizierteren Natur sind.

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» Paul Smith » Beiträge: 416 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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