Psychische Krankheiten - Auslöser und Symptome

vom 07.11.2011, 23:36 Uhr

Ich habe kürzlich mit einem Freund über Sinn und Unsinn von Psychotherapie diskutiert. Ich vertrat unter anderem die Meinung, dass viele psychische Krankheitsbilder eben erst durch ihre Pathologisierung zur Krankheit werden. Wenn jemand sich unwohl fühlt und das Internet dementsprechend durchforstet stößt er schnell auf das Schlagwort "Depression", macht entsprechende Tests und fühlt sich umgehend krank.

Dadurch steigert er sich in dieses Krankheitsbild rein und wird schlussendlich wirklich krank. Das ist so eine Art negativer Placebo-Effekt, eine immer tiefer gehende Spirale. Meine These ist also, dass durch die Pathologisierung von bestimmten relativ willkürlich festgelegter Symptome erst Krankheiten ausgelöst werden, die sonst möglicherweise gar nicht erst ausgebrochen wären.

Natürlich will ich keinesfalls behaupten, dass das immer so ist, aber wie steht ihr dazu? Ich spreche zum Teil aus eigener Erfahrung und halte es für ziemlich plausibel. Oder haltet ihr das für totalen Schwachsinn?

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» daaldi91 » Beiträge: 389 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Als Schwachsinn würde ich das keinesfalls bezeichnen. Die meisten Krankheiten sind Krankheiten die einfach entstehen. Einige jedoch sind Krankheiten die man sich am Ende selbst eingeredet hat. Der Geist des Menschen ist zu vielem fähig. Wenn ich mich selber krank rede, dann bin ich nicht innerhalb von 24 Stunden krank, sondern es ist ein Prozess, wodurch man irgendwann die sich selbst eingeredet Krankheit auch wirklich da ist. Ich denke, das wird vor allem mit psychischen Erkrankungen gut funktionieren.

Gerade bei einigen Krankheiten die den Geist betreffen passiert es den Betroffenen, dass sie sich da immer mehr rein steigern, wenn sie keine Hilfe bekommen. Inwieweit der einzelne dafür anfällig ist, das ist eine ganz andere Sache, da wird es wie mit einer Erkältung sein, der eine oder andere bekommt sie selten, andere wiederum stehen einmal im Wind und sind krank. Genauso wird es sich auch mit den psychischen Erkrankungen verhalten, der eine ist anfällig, der andere quasi immun.

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» martin22 » Beiträge: 231 » Talkpoints: 0,58 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich glaube so ziemlich jeder Mensch durchlebt in seinem Leben eine Phase inder er mit psychischen Problemen zu kämpfen hat und ich glaube nicht, das überhaupt irgendjemand völlig "immun" dagegen ist, aber das kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen.

Ja, das ist genau das was ich meine. Die Hilfe, die einem Psychotherapeuten bieten können besteht in aller Regel einfach nur aus guten Ratschlägen, aber kann ein Freund, der weiß was du durchgemacht hast und dich viel besser kennt als irgendein Seelenklemptner, dir nicht viel besser beraten? Ich glaube es ist zu einem großen Teil nur die Autorität des Doktortitels bzw. der qualifizierten Ausbildung die die Heilungsquote hier erhöhen.

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» daaldi91 » Beiträge: 389 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Wenn ich dich richtig verstanden habe, bist du der Meinung, dass viele psychische Krankheiten nicht wirklich real sind, sondern dass viele Menschen sich diese nur einbilden, weil sie im Internet oder irgendwo anders davon gelesen haben.

Die obengenannte Auffassung trifft meiner Meinung nach aber nur selten zu. Denn wenn jemand das Internet nach psychischen Krankheiten durchforstet, dann wird derjenige das vermutlich nicht aus Langeweile machen, sondern weil er sich psychisch tatsächlich sehr angeschlagen fühlt. Ein Mensch in guter inneren Verfassung dagegen wird sich wohl kaum freiwillig nach Informationen über psychische Krankheiten suchen. Deshalb halte ich einen "negativen Placebo Effekt" für unwahrscheinlich.

Selbst wenn sich viele Menschen eine psychische Krankheit nur einbilden würden, dann gibt es immer noch die echten Fälle, die ganz sicher keine Einbildung sind. Es ist sogar eher so, dass viele Menschen eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung haben, aber nicht in Behandlung gehen, weil sie sich schämen oder es einfach nicht wahr haben wollen, dass sie Hilfe brauchen. Die psychische Erkrankung kann dann so weit fortschreiten, dass die Betroffenen nicht mehr essen und trinken und völlig antriebslos werden. Meine Meinung ist somit, dass Psychotherapie zu wenig in Anspruch genommen wird. Eine Therapie bei psychischen Erkrankungen ist sehr wichtig und alles andere als überflüssig. Ich sage das deshalb, weil ich einige Fälle von psychischen Erkrankungen in meinem Umkreis hautnah mitbekommen habe. Ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn diese Menschen keine professionelle Hilfe bekommen hätten.

Ich bin aber nicht der Meinung, dass man wegen jedem Verdacht einer möglichen psychischen Erkrankung gleich zum Psychater rennen soll. Oft wäre es hilfreich, wenn wir uns gegenseitig etwas mehr Zeit füreinander nehmen und über unsere Probleme reden würden. Außerdem kann jeder darauf achten, fair, respektvoll und hilfsbereit mit seinen Mitmenschen umzugehen. Dann wäre so manche Psychotherapie nicht notwendig.

» kengi » Beiträge: 886 » Talkpoints: 17,93 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Was großartig neues ist das aber nicht. Natürlich trifft das nicht auf alle physischen Erkrankungen zu, ich denke es handelt sich hier wirklich nur um einen Bruchteil der Erkrankten, die wirklich auf diese Art krank werden und diese werden vermutlich dann vom Therapeuten auch leicht ''enttarnt'', wenn sie denn seine Hilfe in Anspruch nehmen. Und das sie es tun ist dann vermutlich in ihrer Situation wahrscheinlicher, als dass es Menschen tun, die wirklich erkrankt ist, so stelle ich mir das zumindest vor.

Es handelt sich hierbei nicht um eine psychische Erkrankung, aber ich hatte erst kürzlich auch einen recht interessanten Fall in meinem Bekanntenkreis. Eine Bekannte fährt mit ihren Eltern in den Urlaub. Trotz Warnungen des Gynäkologen nimmt sie vorher kein Kondom zur Verhütung, obwohl sie bei der Pille häufiger Zwischenblutungen hat. Im Urlaub dann befällt sie leicht Übelkeit und Appetitlosigkeit, eine Recherche im Internet ergibt unter anderem auch, dass es sich um eine Schwangerschaft handeln könnte.

Da sie daraufhin aus Angst vor ihren Eltern keinen Frauenarzt oder eine Apotheke aufsucht, um sich zu vergewissern, steigert sie sich beim Lesen von Schwangerschaftsblogs und Berichten immer mehr und mehr in die Situation hinein und erreicht mich schließlich per SMS, in der sie mir schreibt, ich solle mich bei einer anderen Bekannten darüber informieren, wie es mit der finanziellen Unterstützung als Schüler, nach einer Schwangerschaft so aussieht, dass solle ich bitte möglichst schnell tun, sie wäre nämlich schon im dritten Monat.

Vom Urlaub wieder gekehrt, begleite ich sie zum Notfalltermin beim Frauenarzt, an ihrer Figur hat sich rein gar nichts getan, nach der Übelkeit nach eigener Aussage keine weiteren Symptome. Im dritten Monat noch keinen Ansatz an Bauch zu haben, ist schon ziemlich interessant. Der Frauenarzt nimmt sie nicht ernst und bestätigt nach einer Blutprobe, dass sie nicht schwanger ist.

Auch wenn es sich hier nicht direkt um eine psychische Erkrankung handelt, so dürfte es wohl in gewisser Weise, dass Wiederspiegeln, was du in deinem Beitrag meinst. Ich kann mir vorstellen, dass das auf den einen oder anderen in unserer Gesellschaft zutrifft, aber wie viele werden das schon sein? Und wie viele werden, nachdem sie im Internet gegoogelt haben und ihre Sympome unter Depression oder Burnout gefunden haben, sich da hineinsteigern, anstatt zu sagen, hey, schau ich mal, was ich dagegen tun kann und wer mir helfen könnte? Vielleicht lässt sich ein kleiner Bruchteil dieser Erkrankungen so erklären, aber hält ein Mensch diese Einbildung wirklich länger durch, ohne etwas zu bemerken? Ich glaube ein Therapeut der tagtäglich mit kranken Menschen zu tun hat, wird bemerken, wann es sich um etwas eingebildetes handelt und wird auch dementsprechend reagieren.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Wenn jemand sich unwohl fühlt und dann nach den Symptomen googelt und dabei über Depressionen stolpert, dann ist da in meinen Augen durchaus was dran. Ob es nun wirklich eine Depression ist oder nur eine depressive Verstimmung ist dann ja im Endeffekt egal. Sinnvoll ist es trotzdem dagegen was zu tun. Den aus einer depressiven Verstimmung kann auch eine Depression werden. Sollte ein solcher Zustand länger anhalten, würde ich trotzdem mit einem Arzt darüber sprechen. Oft helfen gerade bei Depressionen schon Kleinigkeiten um den Zustand ein wenig zu verbessern.

Dieses ach das hast du dir angelesen etc.pp., halte ich persönlich für heikel. Mir ging es viele Jahre psychisch nicht gut und ich habe nie was unternommen. Eben auch wegen der dummen Sprüche ala stell dich nicht so an und so weiter. Ich habe vor Jahren zufällig was über Borderline gelesen und dachte nur so, kommt mir bekannt vor. Ich sprach damals auch mit einem Freund darüber. Der meinte nur, das sei nicht so. Ich habe mir aber dann auch sonst weniger Gedanken darum gemacht. Einen Facharzt oder Therapeuten aufsuchen kam für mich zu der Zeit eh nicht in Frage. Unter Anderem wegen der Sprüche, die ich bereits nannte.

Irgendwann suchte ich doch einen Facharzt auf. Klare Diagnose gab es keine, wurde auch von meiner Seite aus nicht nach gefragt, gebe ich zu. Alles lief im Endeffekt auf Depressionen hinaus. Trotzdem wurde ich vom Umfeld noch als Simulant hingestellt. Auch nach dem ich eine Krankschreibung hatte. Irgendwann landete ich in einer teilstationären Behandlung. Diagnose Borderline. Den ganzen Weg hätte ich mir sparen können. Und wenn das Umfeld, beziehungsweise die Gesellschaft generell, mit dem Thema anders umgehen würde, wäre ich den Weg vielleicht auch viel früher gegangen.

Generell halte ich nichts davon nach Symptomen zu googeln. Die wenigsten Menschen schaffen es dabei sachlich zu bleiben und sich nicht irgendwas an zu lesen oder über zu dramatisieren. Egal um was es geht. Besonders gefährlich finde ich das Googeln, wenn man vorher schon weiß, egal was raus kommt, man lässt sich eh nicht behandeln. Sorry aber dann braucht man auch nicht nach einer Diagnose suchen.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Dass es Menschen gibt, die sich in vermeintliche Krankheiten, die sie zu haben glauben, hineinsteigern, ist sicherlich eine Tatsache. Auch, dass man für selbsterfüllende negative Prophezeiungen sorgen kann, wurde schon ein paarmal thematisiert. Dennoch würde ich behaupten wollen, dass jemand, der bei sich selbst eine Depression diagnostiziert, nicht wirklich auch an einer solchen erkrankt. Vielmehr kenne ich den einen oder anderen Fall, in dem jemand bei sich selbst eine oder mehrere Krankheiten diagnostiziert, die er dann zu haben glaubt, womit er auch nicht selten hausieren geht. Sobald sich derjenige aber in eine Therapie begibt, stellt sich heraus, dass diese Krankheit bei ihm nicht vorhanden ist – und diesen Fall habe ich nun bei zwei verschiedenen Menschen miterlebt. Allerdings wäre Deine These damit widerlegt, jedenfalls in Bezug auf diese beiden Fälle, die ich kenne.

Ich sehe es allerdings aber auch gleichzeitig so, dass allein dieser Umgang mit Selbstdiagnosen schon recht kritisch zu sehen ist. So kenne ich einen Menschen, der bei sich selbst regelrecht nach Krankheiten sucht und sie auch entsprechend selbst diagnostiziert, daraufhin alle möglichen Maßnahmen ergreift, die er sich selbst verordnet und die gegen diese angeblichen Krankheiten helfen sollen, bis sich eben herausstellt, dass er diese Krankheiten gar nicht hat. Und bis es soweit kommt, dass eine fachmännische Diagnose erfolgt, vergehen bei diesem Menschen teilweise wirklich Jahre, in denen er allen möglichen Menschen, denen er begegnet, von seinen Krankheiten erzählt, die er zu haben glaubt – allerdings äußert er seine Erkrankungen als Tatsache und nicht als Vermutung seinerseits. Mir kommt es in diesem Fall wirklich so vor als wollte diese Person um jeden Preis irgendeine Krankheit haben wollen, um Aufmerksamkeit zu erzielen, die sie auch bekommt, solange sie irgendetwas zu haben glaubt und das eben jedem auf die Nase bindet. Ist das so gesund?

Mir scheint das nicht wirklich psychisch einwandfrei zu sein, denn normalerweise will wohl kein Mensch krank sein, sollte man meinen. Wenn ich mir vor Augen halte, was dieser Mensch in all den Jahren, die ich ihn nun kenne, bereits gehabt haben will, dann grenzt es wirklich an ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben ist und dass sein Leben von den Einschränkungen abgesehen, die er sich selbst als „Therapie“ auferlegt, wirklich ohne weitere Zwischenfälle verläuft, jedenfalls gesundheitlicher Art. Dass hier also psychisch irgendetwas vorliegen muss, das behandlungswürdig wäre, kann ich mir fast nicht ausreden, denn es scheint mir mehr als naheliegend. Ich frage mich also in Bezug auf Deine These doch eher, ob nicht ein Großteil dieser von Dir beschriebenen Menschen schon insofern eine psychische Problematik aufweist als er sich lieber selbst diagnostiziert und mit dieser selbst gestellten Diagnose lebt, anstatt sich in fachmännische Hände zu begeben und vielleicht die gute Nachricht zu erhalten, dass er gar nicht krank ist.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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