häusliche Gewalt - Gibt es erste Anzeichen/ Vorboten?

vom 24.10.2011, 22:44 Uhr

Man hört ja immer wieder, dass Frauen von ihren Männern geschlagen werden oder Männer auch von ihren Frauen. Oft prügelt der schlagende Partner dann ja auch die Kinder. Ich frage mich nun, ob es vielleicht erste Anzeichen oder Vorboten dafür gibt, dass der Partner irgendwann zum Schläger wird. Ich kenne zum Glück niemanden, der Opfer oder sogar Täter von häuslicher Gewalt wurde und würde diese dann auch nur ungern fragen, ob es denn Vorzeichen gab.

Schlägt der Partner einfach irgendwann zu oder steigert sich seine Wut und Aggressivität erst langsam und es kommt dann irgendwann zur ersten Gewalthandlung? Sollte man dann nicht schon bei den ersten Anzeichen etwas unternehmen? Was denkt ihr darüber?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Ich kann jetzt nur aus meiner Erfahrung erzählen. Wenn die Hemmschwelle einmal überwunden ist, dann wird es immer passieren. Als ich meinen zweiten Mann geheiratet habe, war ich vorher 2 Jahre mit ihm zusammen und es war eine harmonische Beziehung. Sonst hätte ich ihn nicht geheiratet. Am Tag der Hochzeit habe ich meine erste Ohrfeige bekommen und dann war die Hemmschwelle überwunden. Es ging dann bei Kleinigkeiten weiter. Wenn eine Kartoffel auf seinem Teller ein wenig hart war, wurde der Teller nach mir geschmissen oder er zog mir an den Haaren. Wenn das Essen nicht pünktlich am Tisch stand, stand er schon hinter mir und wurde immer lauter und dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis er handgreiflich wurde.

Dann steigerte es sich. Er nahm nicht nur seine Hand, sondern auch Gegenstände. Er schubste auch und knallte mich gegen die Wand. Es wurde also immer härter und schlimmer. Aus meinem Umfeld hat es keiner (und ich meine wirklich keiner) mitbekommen. Ich habe mich geschämt und so konnte er immer weiter machen, bis ich dann die Schnauze voll hatte und auf einmal mich gewehrt habe. Ich habe mich einer Freundin anvertraut und mit ihrer Hilfe habe ich es geschafft. Aber erstmal hat mir keiner geglaubt, dass ich diese Ehe 2 Jahre aufrecht erhalten habe.

Ich kann also sagen, dass es sich steigert. Aber es gibt bestimmt auch Menschen, die sofort richtig draufschlagen. Aber oft ist es so, dass nur die Hemmschwelle einmal überwunden werden muss und wenn das erreicht ist, dann hört es nicht mehr auf.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


@Diamante, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es in zwei Jahren niemand mitbekommen hat, dass dein damaliger Mann so mit dir umgegangen ist. Du musst ja grün und blau gewesen sein. Die unmittelbaren Nachbarn müssen doch den Krach gehört haben und auch dich. Ich nehme doch an, du hast um Hilfe gerufen. Auch deine eigenen Freunde und Eltern müssen das doch gemerkt haben, auch wenn du es verdeckt hast. Aber deine bedrückte, ängstliche Stimmung alleine musste schon auffallen. Wie hast du das nur zwei Jahre ertragen können? Das ist ja ein Martyrium, das man niemandem wünschen würde. Wenn du am Hochzeitstag schon eine Ohrfeige bekommen hast, wäre die Ehe bestimmt annulliert worden, wolltest du das nicht? Meine Hochachtung, dass du den Mut gefunden hast, das hier zu schreiben.

Im Sinne des Threads hoffe ich nicht, dass viele Menschen so reagieren und dann am Hochzeitstag dem Partner gleich einen Vorgeschmack geben, was ihn in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren in der Ehe erwartet. Da sollte man so früh wie möglich die Reißleine ziehen und etwas unternehmen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



@Cid: Es hat keiner mitbekommen. Wenn man eine geschlagene Frau ist, weiß man es zu verbergen und "Hilfe" rufen kommt nicht in Frage, wenn man nicht noch mehr Prügel haben will. Ich denke, dass du selber es bei keiner Bekannten erlebt hast. Denn es ist wirklich so, dass man es verbergen kann. Sicher habe ich blaue Flecken gehabt. Aber wenn es ging, wurden sie verdeckt. Ich habe mich ziemlich zurückgezogen in der Zeit. Es ist wirklich so, dass der Mann es sogar so verbergen kann, dass er ein sehr liebevoller Mann ist, wenn Besuch da ist.

Man kann sich das vielleicht nicht vorstellen. Aber ich hoffe, dass es nicht viele so mitgemacht haben und es mitmachen "müssen" Man kommt auch schwer davon los. Denn man hofft jeden Tag, dass es wieder besser wird.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ja, Diamante, ich kann mir vorstellen, dass es ein immerwährendes Hoffen ist, nur leider immer umsonst. Wenn man da nicht selbst etwas gegen macht, passiert nichts. Was du erdulden musstest, tut mir wirklich leid und dann noch mit zwei (?) Kindern. Haben die auch mitbekommen, wie dein Mann wirklich war?

Nein, bei einer Bekannten habe ich es nicht erlebt, dafür aber bei meiner Nachbarin. Ich habe mich immer über ihr verquollenes Gesicht und teilweise blaue Flecken, auch an den Beinen gewundert. Sie erzählte mir dann, wenn ich gefragt habe immer, dass sie gefallen war. Aber so oft kann man nicht fallen. Als dann neben unserer Wohnung ein fürchterliches Poltern war, habe ich dort geschellt und gerufen, aber alles war total still. Tage später hörte ich dann wieder das Poltern und eine laute Schreierei und Hilfeschreie. Ich habe solange geschellt und geklopft, bis der Mann aufmachte. Er stand in Freizeithose mit einem weißen Achselhemd mitten in der Tür und fragte nach meinem Wunsch. Ehrlich gesagt, kannte ich ihn nur höflich, freundlich und adrett. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich unbedingt seine Frau sprechen möchte. Seine Antwort war, dass sie sich hingelegt hätte. Dann habe ich laut in die Wohnung ihren Namen gerufen und ob sie Hilfe brauche, sie solle doch bitte zur Tür kommen. Sie verneinte das und wünschte mir einen schönen Abend. Ich bin dann gegangen und habe auch nichts mehr gehört.

Den nächsten Tag trug sie eine Sonnenbrille. Ihr Mann war zur Arbeit. Ich habe sie angesprochen und sie zeigte mir ihr blaues Auge. Dann zog sie die Hosenbeine hoch und ich konnte sehen, dass beide Beine total schlimm aussahen. Völlig mit Beulen und blauen Flecken übersäht. Sie konnte kaum stehen und wollte zum Arzt. Ihr Mann hatte mit seinen Füßen ihre Beine bearbeitet. Niemals hätte ich diesem Mann – groß und kräftig – so etwas zugetraut. Ähnliches hatte sie schon seit Jahren ertragen und war trotz Zuredens von Mutter, Schwester und Verwandten nicht bereit, ihn alleine zu lassen. Es stimmt, das konnte ich nicht verstehen. Das war wohl auch der Grund, warum sie zur Alkoholikerin wurde, wie ich sie kennen gelernt hatte.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Also mir sind schon so einige Paare begegnet, wo es mich nicht wundern würde, wenn daheim richtig die Fetzen fliegen. Wer es in der Öffentlichkeit schon schafft, sämtliche Blicke und Reaktionen auf sich zu ziehen und das teilweise noch wegen absoluten Kleinigkeiten, wird zu Hause selten lammfromm und ruhig sein. Auch wenn Eltern ihren Kindern laut die Zahlen bis drei vorzählen, frage ich mich manchmal, was wohl passiert, wenn keine Fremden dabei sind.

"Es muss doch jemand etwas mitbekommen haben" lässt sich leicht sagen im Nachhinein. Ich möchte meine Nachbarn nicht ständig in meinem Leben haben, ehrlich gesagt. Und aus eigener Erfahrung (auch wenn es dabei weniger um häusliche Gewalt ging) weiß ich, dass es auch nicht so leicht ist, quasi bei jemanden Fremden zu klingeln, weil man vermutet, dass etwas passiert, was nicht passieren sollte.

Ich würde niemanden erklären wollen, was andere nichts angeht. Auch gehe ich nicht davon aus, dass ich die Situation "häusliche Gewalt" zwischen Treppenhaus und Türe lösen könnte. Wenn jemand Hilfe möchte, wird er/sie Wege finden. Aber es gibt sogar Frauen, die aus dem Frauenhaus oder einer anderen gesicherten Unterkunft zurück zu ihrem schlagenden Partner gehen. In solchen Fällen kann man nur darauf achten Kinder dort rauszuholen, jeder Erwachsene ist für sich selbst verantwortlich.

Wenn ich Diamantes Worte lese, ist mein erster Gedanke, dass ich die Ehe sofort annulliert hätte. Wenn es wirklich nur ein Ausrutscher gewesen wäre, dann würde ich eine weitere Partnerschaft nicht ausschließen, aber es wäre ein Neubeginn, wo man schaut, ob das Vertrauen wieder entstehen kann.

Ebenso brauche ich keinen Menschen an meiner Seite, der mich beleidigt oder beschimpft, unabhängig davon, ob dies nun der Normalzustand ist oder erste Vorboten für einen gewalttätigen Partner. Wobei meiner Meinung nach auch Worte durchaus Gewaltpotential haben können. Andere Anzeichen die Beziehung zu überdenken sind für mich das Herumwerfen von Gegenständen, bzw. allgemein aggressivere Handlungen. Wer ständig gereizt ist, findet vielleicht irgendwann nur noch durch Gewalt ein Ventil. Aber selbst wenn sich jemand "nur" ständig aufregt, würde ich mit ihm nicht zusammen leben wollen. In einer Beziehung möchte ich Liebe, Harmonie, Vertrauen, Wärme und Bestätigung, was nicht bedeutet, dass man nicht auch streiten kann, aber dann sollte der Streit zu einer Lösung führen und nicht nur als Ventil für angestaute Aggressionen gelten.

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» Trisa » Beiträge: 3169 » Talkpoints: 61,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich denke auch dass sich das alles steigert. Zuerst ist nichts und dann wird es immer extremer. Ich habe das alles bei einer Nachbarin erlebt. Zuerst hatten sie auch eine sehr schöne, harmonische Beziehung und dann wurde es immer mehr. Zuerst war der Mann noch darauf bedacht das er sie so schlägt das man nichts sieht, also Bauch, Beine und ähnliches. Wenn man sie zusammen gesehen hat hatte man den Eindruck dass es ein glückliches Paar ist. Dann sah man plötzlich immer mehr und erst da haben wir es mitbekommen. Auffällig wurde es als die Frau im Sommer mit langen Ärmeln und Rollkragenpullover aus dem Haus ging und irgendwann dann hatte sie blaue Augen und ähnliches. Also so gesagt es wurde immer schlimmer.

Sie hätte von allen Seiten Hilfe bekommen, von uns, von ihrem Vermieter, doch leider konnte man nichts machen. Sie ist dann sogar ausgezogen und hatte eine eigene Wohnung, doch mittlerweile wohnt der Mann wieder bei ihr und ich vermute dass es gleich weiter geht. Ich sehe die beiden jetzt nicht mehr weil sie in einem anderen Ort leben.

Ich sage jetzt mal dass ich es persönlich nicht aushalten würde, doch ich vermute das man die richtige Reaktion die man hat, erst sagen kann wenn man wirklich in der Situation ist. Natürlich sollte man bei den ersten Anzeichen etwas unternehmen, doch merkt man es oder will man es überhaupt. Ich hoffe ich komme nie in die Situation, aber ich kann auch nicht sagen wie lange ich es mitmachen würde. Vor allem weil ich mich vermutlich schämen würde.

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» torka » Beiträge: 4369 » Talkpoints: 5,93 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



In einer Partnerschaft sollte es auf keinen Fall zu häuslicher Gewalt kommen. Es kann immer mal vorkommen, dass einem die Hand ausrutscht, aber dann sollte man auch den Mut haben, sich zu entschuldigen. Und Gewalt gegen Kinder sollte sich auf keinen Fall aufstauen. Kinder können am wenigsten dafür, dass jemand handgreiflich wird. Ich möchte jedenfalls mein Kind niemals schlagen. Mit netten aber auch energischen Worten kann man das gleiche erreichen. Und wenn die eigenen Kinder oder auch der Partner einmal geschlagen werden, wird dies immer wieder passieren und aus dieser Zwickmühle kommt man so schnell nicht wieder raus. Meist ist aber auch Alkohol im Spiel und dann sollte man schleunigst sehen, dass man von diesem Alkohol wegkommt.

Vorboten für häusliche Gewalt sind meistens nicht erkennbar, aber wenn man das erste Mal gewalttätig wird, sollte man sehr schnell miteinander reden und die Konflikte aus dem Weg räumen. Wenn es aber immer wieder passiert, helfen auch freundliche Worte nicht mehr und dann muss man eben die Konsequenzen ziehen und sich voneinander trennen.

» kowalski6 » Beiträge: 3399 » Talkpoints: 154,43 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich kann aus den Erfahrungen meiner Freundin berichten. Sie war insgesamt 7 Jahre mit einem Türken zusammen. Anfangs war er der liebste Mann, hat sich sehr um sich gekümmert, war liebevoll und all das. Irgendwann sind sie dann zusammen gezogen und dann fing es an. Er hat angefangen ihr Vorschriften zu machen, wollte, dass sie sich verhüllt, hat sie geschlagen, wenn sie nicht gemacht hat was er ihr gesagt hat und betrogen hat er sie und letzten Endes auch vergewaltigt. Dazu kam, dass er arbeitslos war und sie ging neben der Schule damals noch abends bei Mc Donald's arbeiten. Dafür hat er sie dann auch runter gemacht, weil sie ja dumm in seinen Augen war, weil sie so viel gearbeitet hat.

Ich habe das all die Jahre nicht gemerkt, bis sie es irgendwann nicht mehr ausgehalten hat und mir sagte was er tut. Ich war schockiert. Man hat ihr niemals etwas angesehen, denn er hat sie so geschlagen, dass man es nicht auf den ersten Blick sah. Ab dem Zeitpunkt habe ich alles versucht, um sie vor ihm zu schützen und habe es dann auch geschafft, dass sie ihn verlassen hat und heute geht es ihr wieder sehr gut.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, ob so etwas schleichend passiert oder nicht. Manche Männer sind gleich so, manche erst später. In meinem Beispiel war es ja auch erst später dann so schlimm, anfangs war alles in Ordnung. Ich weiß auch nicht, ob man immer dazu in der Lage ist, sich gleich zu wehren oder etwas zu unternehmen. Viele Frauen sind sicherlich verängstigt oder schämen sich und unternehmen erst einmal gar nichts. Ich würde mich nicht schlagen lassen, nach den Erfahrungen die ich mit meiner Freundin mitmachen musste. Ich habe dann auch erlebt, wie er war, wenn er aggressiv war und das reicht mir. So etwas würde ich niemandem wünschen und mich deshalb auch wehren. Ich denke, heute muss man sich für so etwas nicht mehr schämen, denn eine Frau hat so eine Behandlung absolut nicht verdient.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Die Aussage, dass einem ja immer mal die Hand ausrutschen kann und man dann den Mut haben sollte, sich wenigstens zu entschuldigen, finde ich ja mal völlig daneben. In der Partnerschaft hat niemandem die Hand auszurutschen. Ich käme nie auf die Idee, meinen Partner zu schlagen. Der Streit kann noch so heftig sein, eine Ohrfeige oder ähnliches, käme für mich nie in Frage. Worte sind schon verletzend genug.

@Diamante: Es tut mir sehr leid, was du da erleben musstest. Aber es wird anderen sicher Mut machen, wenn sie deinen Beitrag hier lesen, die auch unter häuslicher Gewalt leiden. Du hast einen Ausweg gefunden und so sehen andere Betroffene nun, dass es einen gibt und sich nicht stillhalten und schweigen müssen. Es ist immer schwer vorstellbar, dass es niemand im Umfeld mitbekommt, wenn jemand geschlagen oder misshandelt wird. Aber man kann Paaren im Freundeskreis auch nur vor den Kopf gucken und man weiß nicht, wie es dort zugeht, wenn sie alleine sind. Häusliche Gewalt wird ja nicht offen nach draußen getragen, sondern bleibt in den Vierwänden. Wie Diamante schon schrieb, wissen die meisten Opfer gut, wie sie die Blutergüsse und anderen Verletzungen verstecken können.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


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