1 Jahr Praktikum - Ausbeuterei?

vom 25.09.2011, 13:22 Uhr

Eine Bekannte von mir hat letztes Jahr ein einjähriges Praktikum gemacht. Ihr wurde dabei gesagt, dass wenn sie sich gut anstellt sie in diesem Betrieb eine Ausbildung machen kann. Das Praktikum wurde nicht bezahlt. Sie hat dem Betrieb also ein Jahr lang als kostenlose Mitarbeiterin gedient.

Am Ende des Jahres hat sie immer häufiger unentschuldigt gefehlt. Deshalb wurde sie natürlich gemahnt, dass so etwas auf keinen Fall häufiger vorkommen darf. Also ist sie dann auch wieder regelmäßig hingegangen. Am Ende wurde ihr dann gesagt, dass sie aufgrund zu vieler Fehltage sich für jemand anderen entschieden haben. Als Arbeitgeber verstehe ich das vollkommen, dass man niemanden einstellen möchte, der ständig fehlt und dann auch noch unentschuldigt.

Aber ein Jahr lang arbeiten ohne irgendeine Bezahlung? Findet ihr nicht auch, dass es sich hier um Ausbeuterei handelt? Meiner Meinung nach sollte man solchen Praktikanten wenigstens ein kleines Taschengeld geben.

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» hennessy221 » Beiträge: 5132 » Talkpoints: -1,94 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ein Jahr ist schon eine lange Zeit für ein Praktikum. Als Ausbeuterei kann man das natürlich grundsätzlich nicht ansehen. Es gibt auch Betriebe die so einen Einsatz sehr schätzen und bei gutem Abschneiden eben auch eine Ausbildung anhängen oder gar eine Festanstellung. Natürlich gibt es auch die Firmen, die nur darauf aus sind einen auszunutzen weil man nichts kostet. Über diesen Zeitraum gesehen kann man das wirklich richtig als "ausbeute" betrachten aber wie gesagt, man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Man wird ja oft mit leeren Versprechungen gelockt und später dann doch fallen gelassen. Das ist natürlich sehr hart aber gehört einfach dazu.

Das es für deine Bekannte nicht gereicht hat nicht gereicht hat ist natürlich schade. Allerdings ist der Grund schon sehr schwerwiegend. Das ist ein absolutes "No-Go". So etwas sollte nun wirklich nicht sein. Aber warum hat sie sich so am Ende gehen lassen? Hat ihr die Arbeit keinen Spaß mehr gemacht oder war abzusehen, dass es mit der Ausbildung nicht klappen wird? Denn gerade am Ende hätte ich noch einmal richtig Dampf gemacht um zu beweisen, dass man der oder die richtige für den Betrieb ist und sich so noch einmal ins rechte Licht rückt. Es ist natürlich leicht gesagt, dass man eine konstante Arbeitsmoral und Fleiß über ein Jahr vorweisen soll aber genau das ist doch wichtig. Man sollte schon einen gewissen Ehrgeiz und Ausdauer mitbringen. So etwas ist für einen Arbeitgeber sehr wichtig.

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» Zohan » Beiträge: 4398 » Talkpoints: 16,33 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich finde es einfach nur unverschämt, ein Jahr Praktikum zu verlangen ohne jegliche Bezahlung. Das fand ich schon im Krankenhaus zur Ausbildung von Krankenschwestern schlecht, aber noch schlimmer ist es, wenn nun andere Firmen ebenfalls dazu übergehen. Für mich ist das eine moderne Piraterie. Die Praktikanten müssen schließlich von irgendetwas leben. Oder bekommen sie dann auch vom Arbeitsamt Unterstützung für ein Jahr? Macht ein Arbeitgeber das mit ein bis drei Praktikanten im Jahr, hat er immer Arbeitskräfte, die ihm helfen, seinen Gewinn durch weniger Ausgaben zu steigern.Werden sie dann nicht übernommen, muss anderweitig wieder ein neues Praktikum gemacht werden. Und wieder kein Geld!

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich würde ebenfalls behaupten, dass dies ein wenig unverschämt ist. Schließlich ist es ja wahrlich so, dass man die Leute nicht einfach so ausbeuten kann. Wenn man mal zwei Wochen lang oder 10 Tage lang in einen Beruf herein schnuppert, dann sehe ich persönlich da noch nicht das Problem. Aber gleich ein ganzes Jahr, da würde ich mich dann schon fragen, was man in dieser Zeit nicht alles an Geld hätte verdienen können. Demnach würde ich es zurecht als Ausbeutung bezeichnen. Vor allem, weil man am Ende ja auch noch komplett mit leeren Händen da steht.

Was ich allerdings nicht so ganz verstehe, ist die Tatsache, dass die Kollegin einfach mal ein paar Tage nicht gekommen ist. Denn wenn sie krank gewesen ist, dann kann man ihr das doch eigentlich nicht sonderlich schlecht in der Bewertung anrechnen, oder? Natürlich konnte sie in dieser Zeit nichts arbeiten, aber dennoch finde ich, dass so etwas total unverständlich ist. Wenn man ein ganzes Jahr komplett ohne Entgelt aus seinem Beruf über die Runden kommen muss, dann ist das doch sehr, sehr strittig und hart für einen jungen Menschen. Ich hätte aber auch dieses Angebot eines einjährigen Praktikums nie im Leben angenommen.

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» fcbtill » Beiträge: 4713 » Talkpoints: 21,47 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Du hast vollkommen recht, ein Jahr lang ein Praktikum zu absolvieren ist definitiv reine Ausbeutung. Es entbehrt doch jeglicher Logik, dass ein Unternehmen sich einen potentiellen Auszubildenden 365 Tage lang begutachten muss, um dann zu entscheiden, ob man ihm einen Ausbildungsplatz geben möchte (das Gleiche gilt natürlich auch dann, wenn es sich um einen Arbeitsplatz handelt). Wozu gibt es denn die Probezeit? Und dann ein Jahr lang noch nicht ein Mal auch nur einen Euro zu bezahlen, ist einfach heftig.

Ich wundere mich, dass deine Bekannte das solange hat mit sich machen lassen, anstatt sich nach etwas anderem umzusehen. Mir wurde in einem Vorstellungsgespräch mal gesagt (als es um ein Volontariat ging), dass alles was bei einem Praktikum über sechs Monate hinaus geht, nur noch ein Ausnutzen des Praktikanten darstellt. Denn man lernt dann eigentlich nicht mehr wirklich viel, sondern dient als billige Arbeitskraft.

Dass deine Bekannte dann so abgefertigt wurde, indem man es auf ihre Fehltage geschoben hat, ist mehr als dreist und verdeutlicht eigentlich auch nur, dass das Unternehmen nur Geld einsparen wollte und wahrscheinlich nicht vor hatte, deiner Bekannten einen Ausbildungsplatz anzubieten. Im gleichen Atemzug fällt mir ein Fall ein, wo eine Praktikantin eine Firma im Nachhinein auf volles Gehalt erfolgreich verklagen konnte, da sie volle Arbeit geleistet hatte aber nicht entsprechend entlohnt wurde, vielleicht wäre das was für deine Bekannte, sich gegen diese Ausbeute doch noch zur Wehr zusetzen. Verdient hätten es solche miesen Firmen allemal.

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» Yazz » Beiträge: 1325 » Talkpoints: 10,38 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Es kommt einfach darauf an, wie die Situation ist in der man sich befindet. Wenn man keine Chance auf eine Ausbildung hat - und so etwas kommt eben auch vor -dann sollte man schon jede Chance ergreifen, die sich einem bietet. Und da ist es an und für sich ganz verlockend, wenn man einen Ausbildungsplatz angeboten bekommt, wenn man vorher ein einjähriges Praktikum absolviert. In der Zeit kann man sich einarbeiten lassen und weiß dann auch mit Sicherheit, ob man darin eine Ausbildung machen will oder nicht.

Ich verstehe nur gar nicht, wieso die Bekannte - wenn sie es schon fast geschafft hat - dann nicht durchgezogen hat. Sicherlich ist ein Jahr eine wirklich lange Zeit für ein Praktikum. Vor allem dann natürlich, wenn man es nicht einmal bezahlt bekommt. Aber dann fehle ich doch die letzte Zeit nicht unentschuldigt und riskiere damit den Ausbildungsplatz. Auf der anderen Seite muss man es sich auch erst einmal leisten können, ein Jahr lang kein Geld zu bekommen. Bist du sicher, dass sie dafür dann kein Harz IV oder etwas in der Art bekommen hat?

Interessant wäre auch, ob die Firma wirklich ernsthaft in Erwägung gezogen hat, ihr den Ausbildungsplatz zu geben oder ob das von vorne herein eher nur dazu gedient hat, sie als Arbeitskraft zu locken. In dem Falle wäre das natürlich einfach nur unfassbar unverschämt. Auf den Gedanken, jemanden ein Jahr lang für nichts arbeiten zu lassen, muss man auch erst einmal kommen.

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» winny2311 » Beiträge: 14987 » Talkpoints: 4,75 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Man kann jede Sache sowohl von der positiven als auch von der negativen Seite betrachten. Ich finde Praktika sind eine gute Chance. Man kann mithilfe von Praktika Erfahrungen im Beruf sammeln und die persönliche Entwicklung vorantreiben. Langzeitpraktika sind besonders hilfreich um eine Anstellung oder Ausbildungsstelle zu bekommen, da man sich in so langer Zeit sehr gut präsentieren kann. Natürlich ist es von Nachteil, Leistung zu erbringen und keinen Verdienst zu erzielen. Aber im Großen und Ganzen finde ich Praktika sehr vorteilhaft.

In meinem Fall ist ein Praktikum sogar sehr wichtig. Ich mache eine schulische Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin für Fremdsprachen, kann also, bis auf das dreimonatige Pflichtpraktikum, in den 3 Jahren keine praktischen Erfahrungen sammeln. Und in diesen drei Monaten kann ich versuchen, mich so gut wie möglich zu präsentieren. In dieser Zeit würde ich dann, auch trotz unbezahlter Leistung, versuchen die Fehlzeiten gering zu halten.

» abnormality » Beiträge: 134 » Talkpoints: 2,12 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich finde das ziemlich unverschämt, vor allem hat sie sich von dem Praktikum ja auch viel erhofft und wollte dort dann ihre Ausbildung machen. Ich würde mich auf so etwas ehrlich gesagt nicht einlassen, da ich es auch gar nicht einsehe eine so lange Zeit unbezahlt arbeiten zu gehen. Das ist meiner Meinung nach auf jeden Fall Ausbeuterei. Ich verstehe zwar auch den Arbeitgeber, dass er jemanden mit vielen Fehlstunden nicht behalten will, aber mal ehrlich, selbst wenn man von einem Jahr unbezahlter Arbeit mal zwei Wochen nicht da ist, wo ist dann das Problem? Die sollen froh sein, dass sie überhaupt jemanden gefunden haben, den sie so ausnehmen können.

Eine Bekannte von mir hatte mal etwas ähnliches. Sie hat in einem Supermarkt gearbeitet, der sie eben nur als Praktikantin vorerst beschäftigen wollte, da sie noch einen Azubi hatten und sie sollte dann im nächsten Jahr diese Stelle übernehmen. Sie hat auch ordentlich gearbeitet, aber nach knapp zehn Monaten wurde sie entlassen, warum weiß ich gar nicht mehr genau. Sie ist damals auch dagegen vorgegangen, weil das wohl ziemlich unbegründet war und sie eben umsonst geschuftet hat.

Ich finde auch nicht, dass so ein langes Praktikum Vorteile hat. Da würde ich lieber in verschiedene Berufe hinein schnuppern anstatt ein Jahr lang dasselbe zu machen, was mir am Ende nicht einmal etwas wirkliches bringt.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ein einjähriges und unbezahltes Praktikum hätte ich erst gar nicht eingegangen. Dass man eventuell drei Monate vor Vergabe einer Ausbildung in den Betrieb hineinschauen kann, dort mitarbeitet und man dann eine Zusage erhält, klingt für mich einfach seriöser. Immerhin muss man sich ja dann doch nach etwas anderem umsehen und kann sich nicht unbedingt auf die Fairness des Betriebes verlassen.

Im Grunde ist Deine Bekannte schon ein wenig selbst Schuld daran, dass sie naiv an die Sache herangegangen ist. Denn ein Jahr Praktikum ist wirklich eine lange Zeit und wenn sie gerade zum Ende hin dann doch eher unzuverlässig wird, war alles für die Katz. Außer Spesen ist da nun mal nichts gewesen und so traurig es ist, hoffentlich war es für Deine Bekannte eine Lehre, dass man eben nicht allzu viel Zeit in ein Praktikum, welches unbezahlt stattfindet, investieren soll.

Ein kleines Taschengeld wäre nur gerecht gewesen, auch zwischendurch Gespräche mit der Praktikantin seitens der Anleiter, die sie bestimmt hatte. Nur sind viele Betriebe da nicht mehr dafür, sondern nutzen Praktikanten mehr als eine mehr als günstige Arbeitskraft. Dass dies hier der Fall war, kann man meiner Meinung schon an der Dauer des Praktikums erkennen, und weil sie eben selbst nichts davon hat, worauf sie nun eigentlich aufbauen kann.

Etwas merkwürdig finde ich, dass man sich dann für eine andere Person entschieden hat. Hat diese Person auch in dem Betrieb ein Praktikum gemacht oder wurde diese Einstellung ohne eine Arbeitserprobung vorgenommen? Da wäre ich wahrscheinlich als relativ ruhige Person wirklich auf die Barrikaden gegangen, vor allem, wenn man mir immer wieder Versprechungen gemacht hätte.

Ich weiß, dass es bei uns damals, wenn ich es gewollt hätte, die Fachhochschulreife im Bereich "Wirtschaft und Verwaltung" hätte absolvieren können. Dort war dann auch die Rede, im zweiten Schuljahr ein Praktikum parallel zur Schulzeit zu absolvieren. Man wäre drei Tage zur Arbeit, zwei Tage zur Schule gegangen. Da ich aber dann die Möglichkeit hatte, eine andere Ausbildung zu machen, bin ich da nicht weiter mehr auf dem Laufenden gehalten worden. Ich denke, da wäre es aber etwas anderes gewesen, wenn ich dort ein unbezahltes Praktikum in der Dauer von einem Jahr gemacht hätte.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


In der heutigen Zeit hat man so das Gefühl, dass manche Betriebe sich nur noch mit Praktikanten umgeben. Das ist ja auch sehr praktisch. Man hat so gut wie keine Kosten, keinerlei Verantwortung und man braucht auch keine Angst zu haben, dass man die Leute danach einstellen muss. Das sind viele Vorteile. Und ein Jahr ist natürlich eine sehr lange Zeit für ein Praktikum. Klar dauert es eine gewisse Zeit, bis man sich alle Arbeitsabläufe in einem Betrieb angeeignet hat. Aber ein Jahr halte ich für maßlos übertrieben.

Wenn es nach mir ginge, würde es keine unbezahlten Praktika geben. Den Praktikanten entstehen ja durchaus auch Lebenshaltungskosten, die sie bestreiten müssen. Klar kann man begleitend vielleicht Hartz 4 bekommen. aber da stellt sich mir die Frage, ob die Jobcenter und Argen da ein einjähriges Praktikum genehmigen würden, denn eigentlich ist das ja nicht im sinne des Erfinders. Während der Zeit des Praktikums steht der Praktikant ja nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und hat kaum Chancen, seine Hilfebedürftigkeit zu beenden. Insofern hat meine Arbeitsvermittlerin beim Jobcenter mir mal gesagt, dass sie Praktika nur bis zu einer Länge von maximal 8 Wochen unterstützt.

Insofern wäre es doch absolut sinnvoll, wenn unsere Regierung die Dauer von Praktika auf sagen wir mal 2 bis 3 Monate per Gesetz begrenzen würde, damit dem Staat weniger Schaden entsteht. auch wären die Firmen, die Praktikanten einstellen, dann im Zugzwang. Alle 3 Monate neue Praktikanten einarbeiten zu müssen, würde sie vielleicht davon abhalten, immer wieder neue Praktikanten zu suchen und zu beschäftigen. Dann würden vielleicht auch mehr Praktikanten nach dem Praktikum übernommen werden. Damit würde dann die Zahl der Arbeitslosen reduzieren.

Daher kann ich es gut verstehen, dass deine Bekannte am Ende des Praktikums immer mehr Fehlzeiten hatte. Letztendlich hat sie wohl selbst schon ahnen können, dass sie nicht übernommen wird. Ohne Finanzierung des Praktikums dürfte es ihr auch immer schwerer gefallen sein, finanziell über die Runden zu kommen. Vielleicht hat sie ja während der Fehlzeiten nach einem Job gesucht? Das wäre nur zu verständlich. Ich kann deiner Bekannten nur viel Glück bei der weiteren Jobsuche wünschen.

» bigfoot11de » Beiträge: 575 » Talkpoints: 3,11 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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