H. P. Lovecraft - welches Buch eignet sich für Einsteiger?

vom 28.09.2010, 05:17 Uhr

Vom englischen Schriftsteller Howard Philipps Lovecraft, gemeinhin nur als "H. P. Lovecraft" bekannt, haben sicherlich schon viele Menschen gehört. Da ich mich sehr lange relativ eng mit der Gothic-Szene verbunden gefühlt habe, bin ich über den Namen sowieso sehr oft gestolpert, da sich in der präferierten Kunst doch sehr viel auf diesen Autor bezieht. Also es gibt diverse Musikstücke, die an H. P. Lovecrafts Werke angelehnt sind, Malereien mit dieser Thematik, und auch viele Horror-Filme und Horror-Romane sollen an Lovecraft mehr oder minder stark angelehnt sein.

Zugeben muss ich, dass ich bisher noch kein Werk von Lovecraft selbst gelesen habe. Ich habe allerdings einige Erzählungen über diese Werke gehört, und gelesen, dass Lovecraft sehr von Edgar Allen Poe inspiriert worden sein soll, den ich sehr gerne lese. Irgendwie interessiert mich Lovecraft also schon und ich würde mir doch gerne mal ein Buch von ihm vornehmen. Eine Frage stellt sich nun allerdings: Welches eignet sich für Leute, die vorher noch nie etwas von H. P. Lovecraft gelesen haben, am besten?

Ich suche etwas, was eindeutig dem Horror-Genre zuzuordnen ist, Fantasy-Elemente kann es gerne haben, Science Fiction mag ich eher weniger. Auch habe ich gelesen, dass Lovecraft zum Teil etwas rassistische Auffassungen, die durchaus dem Geist seiner Zeit zugehörig waren, besaß. Da muss ich mich natürlich von distanzieren, und es im historischen Gesamtkontext betrachten, dass damals einige Dinge als salonfähig galten, die man heute niemals mehr aussprechen sollte (was ich auch nicht falsch finde). Jedenfalls würde ich aber auch kein Werk von Lovecraft lesen wollen, in dem übermäßig auf irgendwelche Rassenideen eingegangen wird, da ich eine solche Ideologie verabscheue. Allerdings muss ich ja auch nicht Lovecraft als Person befürworten, mich interessiert bloß, was er im Horror-Bereich geschrieben hat. Der bekannte Maler Caravaggio ist ja auch ein Mörder und charakterlich absolut widerlich gewesen, was sein künstlerisches Können aber auch nicht schmälert. Das vielleicht, damit man begreift, wie ich zu diesen seltsamen Auffassungen von Lovecraft als Privatperson stehe.

Also, wie gesagt, es sollte sehr horrorhaft sein, möglicherweise ein wenig Fantasy, keine Science Fiction. Ich lege auf eine sehr dichte, düstere Atmosphäre wert. Es kann auch gerne Lyrik sein! Kurzgeschichten wären auch gut, etwas, wo Lovecraft schnell auf den Punkt kommt. Es sollte auch für seinen Stil typisch sein, denn diesen möchte ich ja kennen lernen. Auch deutliche Anspielungen auf Poe wären nicht störend. Und wie gesagt, nichts Rassistisches, bitte.

Hat jemand von euch einen Tipp für mich? Vielleicht tatsächlich ein Band nur mit Lovecrafts Lyrik? Wie lauten die Titel und wie viel darf ich dafür bezahlen? Es sollte bitte auch etwas sein, was man aktuell möglichst ohne große Schwierigkeiten im Handel bekommen kann, nichts, was man nur noch antiquarisch findet.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wawa666 hat geschrieben:Ich habe allerdings einige Erzählungen über diese Werke gehört, und gelesen, dass Lovecraft sehr von Edgar Allen Poe inspiriert worden sein soll, den ich sehr gerne lese.

Inspiriert ist gut ;), im Grunde weiterentwickelt, wobei Lovecraft im Grunde nichts mehr mit dunkler Romantik zu tun hat. Poe und Lovecraft sind im Grunde 2 verschiedene Welten. Wenn Du "Der Untergang des Hauses Usher" kennst: Das ist ungefähr die Basis, auf die Lovecraft aufbaut und noch einmal ein paar Schippen drauflegt. Lovecraft ist meiner Meinung nach im Vergleich zu Edgar Allen Poe aber schwieriger zu lesen, da sein Stil noch antiquierter wirkt, was mit Lovecrafts Auffassung von anspruchsvoller Literatur zusammenhängt. Gerade im Englischen ist das teilweise schwer zu verstehen.

Wawa666 hat geschrieben:Irgendwie interessiert mich Lovecraft also schon und ich würde mir doch gerne mal ein Buch von ihm vornehmen. Eine Frage stellt sich nun allerdings: Welches eignet sich für Leute, die vorher noch nie etwas von H. P. Lovecraft gelesen haben, am besten?

Es gibt kein "Buch" von Lovecraft - die meisten Bücher die es gibt, sind nur verschiedene Kompendien, die verschiedene Geschichten von ihm beinhalten. Als Empfehlung ins Blaue: Irgendeine Geschichte aus dem Ctulhu Mythos oder z. B. "Die Musik des Erich Zann". Das gehört mit zu dem populärsten was er verfasst hat und nicht ohne Grund.

Science Fiction ist bei Lovecraft eher kaum vertreten, denn im Grunde ist der Dreh- und Angelpunkt immer das "uralte Böse", also dunkle Mächte und "Gestalten" (jetzt allgemein gesagt), die aus den Urzeiten wieder nach oben dringen und in das Handeln der Menschen eingreifen.

Wawa666 hat geschrieben:Auch habe ich gelesen, dass Lovecraft zum Teil etwas rassistische Auffassungen, die durchaus dem Geist seiner Zeit zugehörig waren, besaß. Da muss ich mich natürlich von distanzieren, und es im historischen Gesamtkontext betrachten, dass damals einige Dinge als salonfähig galten,

Naja, das hat eher mit der Biographie von Lovecraft zu tun, dass er eben aus einer "alteingesessenen" Familie Neuenglands stammt und es mehr mit einem "Herrenmenschen" Rassismus gegen Immigranten Thema zu tun hat. Klassisch "rassistisch" ist hier halt das Motiv, dass eine edle Rasse sich mit einer minderwertigen mischt und so im "Wert" (Moral, edle Eigenschaften usw.) verliert. Dann solltest Du einen Bogen um die "Innsmouth" Geschichten sowie Reanimator (obwohl sich das wieder gegen Rassismus richtet) machen - jedoch kann man das nie ganz ausklammern, da sich dieses Motiv eben durch viele Geschichten zieht, z. B. auch durch den Ctulhu Zyklus, wo jedoch die Menschen eher an sich minderwertig gegenüber den "großen Alten" sind.

Ich würde das Thema allerdings nicht überbewerten, denn nur mal als Gegenbeispiel: "Herr der Ringe" ist dann auch rassistisch, da die "edlen Elben" nichts mit Menschen und Zwergen zu schaffen haben möchten bzw. dass die ihren sich mit ihnen verbinden (Halbelben). Der einzige Unterschied dazu ist, dass es bei Lovecraft teilweise deutlicher rüberkommt.

Wawa666 hat geschrieben:Kurzgeschichten wären auch gut, etwas, wo Lovecraft schnell auf den Punkt kommt.

Lovecraft und schnell auf den Punkt kommen ist fast so wahrscheinlich wie Kleist und keine Schachtelsätze :D. Es ist typisch für Lovecraft, dass er langsam und mit viel "Palaver" seine Geschichten aufbaut.

Benutzeravatar

» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Bei suhrkamp werden erfreulich regelmäßig seine Geschichten in der Reihe "Phantastische Bibliothek" neu aufgelegt, die mit so um die 9 - 10 Euro auch bezahlbar sind. Als Einstieg kann ich dir da "Cthulhu: Geistergeschichten" ans Herz legen, wo die Einzelgeschichten

Pickmans Modell
Die Ratten im Gemäuer
Die Musik des Erich Zann
Das Grauen von Dunwich
Der leuchtende Trapezoeder
Cthulhus Ruf

vertreten sind, für einen Lovecraft Anfänger nicht die schlechteste Mischung, welche einen guten Einstieg in seine Horrorgeschichten bietet. (Pickmanns Modell lohnt sich alleine schon wegen dem frustierten Ausruf "Oh ihr zartrosa Lämmerhirne!", eine Formulierung die eine gewisse Zeitlosigkeit an sich hat)

Als jemand, der Lovecraft über die Gothicszene kennenlernte, eine wichtige Warnung vorweg: Er ist weitaus weniger schwarz-romantisch als Poe. Mit Lovecraft beginnt der moderne Horrorroman, auch wenn er sich sehr "älteren und besseren Zeiten" zugehörig fühlte. Seine Schrecken sind oft wirklich nicht von dieser Welt und seine Vorstellung über den "Schrecken der von den Sternen herabsickerte" ist oft dichter an "Alien", als an Annabel Lee dran. Was aber nicht misszuerstehen ist, die einzige echte SF Geschichte die er schrieb (zusammen mit Kenneth Sterling) war "In den Mauern von Eryx". Selbst "Die Farbe aus dem All" ist eine Horrorgeschichte, also nichts mit SF. Dafür mit sehr lang nachhallenden Unbehagen. :-)

Dafür könnten dir die Traumgeschichten, besonders "Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath" könnten dir sehr gut gefallen. Hier ist der Horroranteil etwas runtergefahren, dafür der Phantastikanteil umso höher und die Traumbilder welche er beschreibt haben es in sich. Auf die schöne Weise in dem Fall mal.

Und da du auf dem Thema Rassismus ja recht flächendeckend rumgeritten bist: Lovecraft war fest von der "edlen englischen Rasse" überzeugt. Und zählte Menschen aus aller Herrn Länder und jeglichen Schattierungen zu seinen Freunden und war mit einer ukrainischen Jüdin in New York verehelicht. Kurzum: So richtig konsequent hat er das nicht mit dem Rassismus durchgezogen. Einiges in seiner New Yorker Zeit muß ihn aber sehr erschreckt haben, besonders die Slumviertel müssen ihn schockiert haben.Thematisieren tut er dies jedoch eher selten, eher als Nebensatz. Ausgerechnet "Schatten über Innsmouth" (was in der Hinsicht "Rassismus" gerne zitiert wird) wartet eigentlich mit einer Überraschung auf, welche in meinen Augen den Vorwurf, er schreibe da rassistisch, ziemlich entkräftet.

Benutzeravatar

» Nephele » Beiträge: 1047 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich bin Fan des Synchronsprechers David Nathan. Er ist die deutsche Synchronstimme von Johnny Depp. Alles was er liest wird zum Erlebnis und verspricht Gänsehaut pur. Über David Nathan bin ich dann zu H.P. Lovecraft gekommen. Er vertont dessen Geschichten.

Wenn es dir um guten Grusel und Gänsehaut geht, dann würde ich dir die folgenden Hörbücher empfehlen:
- Jäger der Finsternis
- Der Fall Charles Dexter Ward
- Der Schatten aus der Zeit
- Necronomicon
- Der Cthulhu Mythos
- Berge des Wahnsinns
- Der Flüsterer im Dunkeln.

Was auch noch ganz toll ist und die selbe Richtung geht, sind die Hörbücher von Gabriel Burns.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Mittlerweile ist es über ein Jahr her, dass ich diesen Beitrag hier eröffnet hatte. Und im Jahr 2011 bin ich dann doch dazu gekommen, einige Dinge von Lovecraft zu lesen. Da kann ich ja gleich mal schildern, wie sie bei mir als "Neueinsteiger" angekommen sind.

Die erste Erzählung, die ich von H. P. Lovecraft gelesen hatte, war tatsächlich, ohne, dass ich diesen Thread hier zu dem Zeitpunkt noch im Blick hatte, "Die Musik des Erich Zann" von 1922. Einfach grandios! Ich empfand die Entwicklung der Stimmung als gar nicht so langatmig, sondern absolut als angemessen. Die Atmosphäre war wirklich sehr schön "unheimlich", und das Ende entsprach auch meinem Geschmack. Ich würde sagen, da es auch eine sehr kurzweilige Unterhaltung ist und auch keines der längsten Werke Lovecrafts, wäre "Die Musik des Erich Zann" tatsächlich eine ideale Erzählung für Lovecraft-Einsteiger. Da kann ich also den Vorrednern zustimmen.

Danach hatte ich einige sehr kurze Kurzgeschichten gelesen, zuerst "The Outsider" von 1921, danach das Prosagedicht "Ex Oblivione" aus demselben Jahr. Ich habe beide in englischer Originalsprache gelesen und kam damit problemlos zurecht, andererseits habe ich auch mehrere Jahre am Gymnasium einen Englisch-Leistungskurs besucht, immer mit einer Eins bestanden, und schließlich auch mein Abitur in Englisch mit einer 1 bestanden gehabt. Also, sehr gute Englischkenntnisse sind bei mir schon vorhanden. Da kann man Lovecraft durchaus auch originalsprachlich lesen, auch, wenn man kein Englisch-Muttersprachler ist. "Ex Oblivione" war ganz okay, einen größeren Eindruck auf mich hatte allerdings "The Outsider" gemacht. Die Atmosphäre empfand ich als sehr angenehm und gelungen. Und der Schluss war auch wirklich der passendste, der einem da hätte einfallen könne. Diese Erkenntnis am Ende war einfach toll. Für jemanden, der wirklich nur einen kurzen Anblick zu Beginn gewinnen möchte, würde ich "The Outsider" also durchaus empfehlen. Ob die deutsche Übersetzung, falls es eine geläufige gibt, zu empfehlen ist, kann ich allerdings in diesem Fall nicht sagen, da ich da wirklich nur die englischsprachige kenne.

Dann schließlich habe ich auch noch "The Festival" von 1923 gelesen, ebenfalls eine Kurzgeschichte, und wohl eine der ersten aus dem Cthulhu-Mythos. Diese empfand ich ebenfalls als sehr angenehm zu lesen, allerdings wirkte sie auf mich dann doch nicht so beeindruckend, wie zum Beispiel "The Outsider" im Vergleich.

Und das längste Werk, was ich bis dato dann noch gelesen hatte, war "Das Tor des Verderbens", was ja aber hauptsächlich von August Derleth aus Fragmenten, die Lovecraft nach seinem Tod hinterlassen hatte, zusammengefügt und ergänzt hatte. Dennoch eine gelungene Geschichte, mit langsamen Spannungsaufbau, der allerdings dennoch nicht langweilig wird. Auf jeden Fall auch sehr zu empfehlen.

Des Weiteren habe ich mir vor kurzer Zeit noch eine Sammlung verschiedener Lovecraft-Geschichten zugelegt. Diese beinhaltet, unter Anderem, "Cthulhus Ruf", "Der Fall Charles Dexter Ward", "Die Farbe aus dem All", "Die Berge des Wahnsinns", "Die Stadt ohne Namen", "Die Ratten im Gemäuer" und, was ich mir sowieso schon länger zuzulegen plante, "Schatten über Innsmouth". Das Buch hat bloß etwa zehn Euro gekostet, was ich doch sehr preisgünstig finde. Genauer darin gelesen habe ich allerdings noch nicht, daher kann ich über die Qualität der Übersetzungen ins Deutsche leider noch nichts sagen. Aber das Buch liegt schon auf meinem Lesestapel direkt hier auf dem Tisch. Ich werde es also sicher innerhalb der nächsten paar Tage zur Hand nehmen und beginnen, darin zu lesen. Ich denke mal doch, dass ich bei dem günstigen Preis einen guten Griff gemacht habe.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^