Demokratie vor Gericht?

vom 10.07.2012, 19:07 Uhr

Heute verhandelt ja das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die eingereichten Eilanträge, die sich gegen den Euro-Krisenfonds ESM und den Fiskalpakt richten. Ein völlig normaler Vorgang in einer Demokratie. Es wird übrigens noch nicht über die Hauptsache verhandelt.

Und es war so klar, dass Teile der Politik, Medien und Interessenvertreter anfangen werden öffentlich gegen das Verfassungsgericht zu schießen, bevor die überhaupt angefangen haben. Vor allem Alexander Graf Lambsdorff (FDP) stieß mir sauer auf. Er zweifelte gestern die Kompetenz des Gerichts in europäischen Fragen an. Er baut einen Popanz auf, dass die Richter mit den Vorgängen in Europa nicht ausreichend vertraut seien und aus Unkenntnis Fehlentscheidungen treffen würden. Wegen ihnen sieht er einen schweren Schlag für Europa und eine Bauchlandung für die Bundesregierung kommen. Und auch Schäuble hat heute Morgen noch mehr oder weniger vor einer Einmischung des Bundesverfassungsgerichtes gewarnt.

Im Grunde stellen sich also angebliche Demokraten dort hin und warnen das Verfassungsgericht vor einer Entscheidung darüber, ob das Grundgesetz eingehalten werden soll oder nicht - bizarr. In meine Augen eine Unverschämtheit, sich so gegenüber einem Verfassungsgericht zu äußern und zu versuchen, auf diese Weise Einfluss zu nehmen. Auf die Weise untergräbt man natürlich die Kompetenz des höchsten Gerichts. Man nutzt die Medien, um hier Druck auf das Gericht und natürlich auch den unbedarften Zuschauer, auszuüben - praktisch also eigentlich ein Tritt in den Hintern des Souveräns - und der sind wir. Ihr dürft zwar wählen, aber wenn es darauf ankommt, dann fragen wir euch nicht.

Nicht dass ich die Kläger Schachtschneider (war mal Prof. von mir) und die Berufsquerulanten Gauweiler und Starbatty besonders mögen würde - die bewegen sich mir manchmal in zu seltsamen, rechtskonservativen Kreisen. Dafür erschien mir Frau Däubler-Gmelin immer ganz vernünftig und geerdet. Aber in der Sache ist das alles vollkommen unterstützenswert.

Wie empfindet ihr den Umgang unserer führenden politischen Klasse mit der Demokratie? Kennt ihr den Begriff der "Postdemokratie"? Nehmt ihr deren Einflussversuche über die Medien als solche wahr? Empört euch das überhaupt noch, oder rauscht das alles nur noch an euch vorbei? Was ich gut verstehen könnte, im Angesicht der Information und Desinformation, was die Banken- und Finanzkrise angeht.

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Wieso nimmt sich Alexander Graf Lambsdorff das Recht heraus, die Richter des Bundesverfassungsgerichtes so zu entwerten? Warum spricht er der Presse gegenüber von Fehleinschätzungen aus Unkenntnis der Richter? Mich würde interessieren, was Alexander Graf Lambsdorff persönlich für sich befürchtet, weil er aus der Angst heraus, die Richter könnten den Fiskalpakt einschließlich ESM stoppen, so über die Richter spricht? Auch Wolfgang Schäuble befürchtet allgemeine Verunsicherungen und warnte.

Unter den gegebenen Voraussetzungen dürfte und kann Bundespräsident Gauck die Verträge doch nicht unterzeichnen. Für eine gründliche Überprüfung der Verträge, ob sie einen Verstoß gegen das Grundgesetz bedeuten, muss genügend Zeit da sein. Und diese Zeit muss den Richtern am Bundesverfassungsgericht zugestanden werden. Ich hoffe, dass der Druck der Medien, den Graf Lambsdorff auf das Gericht ausbaut, nicht ausreicht, um die Richter zu beeinflussen. Wenn sie das zuließen, wären sie fehl am Platz. Graf Lambsdorff hatte ich schon in Talkshows gesehen. Wie er redete und überzeugt von sich war, kann ich nicht glauben, dass er Sympathie erntet.

Was hier läuft, hat wahrlich kaum noch etwas mit Demokratie zu tun. Wir werden total verschaukelt. Sind die Deutschen eigentlich nicht in der Lage, gemeinsam mal einen Aufstand gegen unsere Politiker und deren Politik zu machen? Müssen wir immer so lange warten, bis die nächste Wahl kommt? Es ist viel schiefgelaufen in den letzten Jahren. Wenn man sich jedes Mal aufregt, wird man krank. Deshalb werden wohl auch die meisten auf Durchzug schalten.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Tja, in knapp 1 Tag (12.09.) entscheidet der BGH darüber ob der ESM Verfassungswidrig ist und ich weiß nicht mal genau was in Karlsruhe heraus gekommen ist. :roll: Wobei das wohl relativ egal sein dürfte, denn auch wenn Deutschland den ESM nicht unterschreibt wird der Karren gegen die Wand fahren.

Die EZB hat ja schon offiziell ausgerufen das die Gelddruckmaschinen wohl bald auf Vollgas laufen werden - Natürlich nicht ganz so direkt. Von daher wird die lautlose Enteignung von Volkseigentum so oder so kommen. Wenn man sich dazu noch unser paradoxes Geldsystem anschaut, kann man eh schon abschätzen was auf uns zu kommt und vor allem ob (- was ich lustig finde da offiziell suggeriert wird als wenn dies noch nicht ganz sicher wäre :lol:). Die Frage ist nur wie heftig und lange man das Volk dafür büßen und bluten lässt.

Die Indizien sehen leider reichlich blutig aus. Immerhin ist ja alles ach so "Alternativlos", wie Merkel immer von sich gegeben hat. Solange das Volk hierzulande NOCH gar nichts von der Krise gespürt hat, wird es für uns wohl auch Alternativlos sein, denn mir scheint die Angelegenheit ist beschlossene Sache. Wie unsere Bundeskanzel-Volksverräterin mal in einem Interview meinte: Der Bürger braucht nicht gefragt werden.

Wundert mich das noch keiner im Inland mit der Nazikeule kam und die s.g. Alternativlosigkeit damit unterstrichen hat das wir doch Faschisten wären, wenn wir nicht noch ne Ecke schneller auf die Wand zu fahren, damit sie mit etwas Glück evtl. aus dem Weg geht. Vielleicht hab ich es auch einfach nur verpasst oder ignoriert.

Wie empfindet ihr den Umgang unserer führenden politischen Klasse mit der Demokratie?

Welche Demokratie? Die parlamentarische indirekte kleine Pseudo-Demokratie, in der inzwischen auch schon langsam die Opposition ausgehebelt oder übergangen wird?! Keine Ahnung ob meine Informationen diesbezüglich wirklich 100% korrekt sind, aber ich würde ihnen definitiv mehr Glauben schenken als den Mainstream Medien allgemein.

Da wir uns immer mehr von einer (direkten) Demokratie entfernen und ich mich noch nicht allzu lange für dieses Themengebiet interessiere (aber dafür umso intensiver), würde ich mir eigentlich noch nichts in Richtung Diktatur, Danistakratie, oder wohin die lustige Reise (voller Bullshit) auch immer hin gehen wird - genauer ansehen wollen. Die Zeiten an denen Volksvertreter ihren Namen auch gerecht wurden sind wohl vorbei und warum sollte ein eben solcher, schwierige Entscheidungen fällen, wenn er doch auch vorgefertigte Entwürfe absegnen kann und seinem hoch bezahlten Job (nach dem Amt) nichts mehr im Wege steht. Eigentlich lustig wenn man bedenkt das viele Bürger die Diäten als gut bezahlt ansehen dürften.

Umso weniger man die Demokratie erahnen kann, umso eher ist Zeit für Veränderungen!

Ich hasse diesen Spruch, aber leider scheint er wohl wahr zu sein: Uns gehts einfach noch zu gut! Wobei man vielen Menschen auch nicht wirklich Vorwürfe machen kann, da die meinungsmachenden Medien und unser heruntergewirtschaftetes System einfach verdammt gute Arbeit zusammen leisten.

Glücklicherweise habe ich einen Denkanstoß bekommen und sehe es als meine Pflicht, anderen Menschen auch einen zu verpassen. ;) Denn ich denke es gibt da so einige Missstände die leicht und effektiv (zum Wohle der Allgemeinheit) behoben werden könnten, aber die meisten einfach nicht Bescheid darüber wissen oder auf unsere Machthaber vertrauen.

Mir hat die ganze Euro Geschichte bisher gezeigt das die EU an erster Stelle steht und ich bisher leider noch nicht herausfinden konnte an welcher der Mensch, der Bürger, das Volk. Die EU stellt momentan genau das Gegenteil dar was eigentlich erreicht werden sollte und wenn man nicht mit irgendwelchen Geld- und Volksvermögensverbrennungen stupide gegen Windmühlen kämpfen würde, wäre der Zerfall der EU/ Euro sicherlich besser sichtbar.

Daher auch der unkontrollierbare Geldverbrennungsofen ESM oder notfalls die "Spenden" der EZB. Anstatt den Versuch, meinetwegen auch nur fürs erste, als gescheitert abzubrechen, hält man weiter an dieser netten aber schlecht umgesetzte Idee mit allen Mitteln fest, obwohl ein Ausstieg (durch mehrfachen Vertragsbruch) sogar gerechtfertigt wäre. Viele, befürchte ich, haben noch gar nicht wirklich realisiert das sie für schädlichen Fanatismus ala "Brüssel muss die Obereinsatz Zentrale werden" abgezockt und freiheitlich immer mehr eingeschränkt werden. Aber letzteres ist ja eher wegen Terrorismus ... heißt es.

Benutzeravatar

» otsego » Beiträge: 1009 » Talkpoints: -2,08 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^