Welche Zustände derzeit als sozial ungerecht einstufen?

vom 29.02.2012, 15:30 Uhr

In der Politik läuft nicht immer alles so, wie sich das Volk es vorstellt und wenn man selber in der Politik was zu sagen hätte, dann würde man vielleicht auch einiges ändern. Gibt es Dinge bzw. Zustände, die ihr zur Zeit als sozial völlig ungerecht empfindet und die ihr ändern würdet, wenn ihr es könntet? Was würdet ihr ändern und wie würdet ihr es ändern? Denkt ihr, dass manche Politiker sich es zu einfach machen und nicht richtig nachdenken, wenn sie was beschließen?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Es geht eigentlich gar nicht um Gerecht oder Ungerecht. Das sind Kategorien, in denen genau so objektiv gedacht werden kann, wie wenn man den "gesunden Menschenverstand" als Maßstab ansetzt. Viel einfacher wäre die Vorstellung, dass jeder so entscheiden müsste, als wäre er dann im Anschluss der Betroffene! Ich könnte mir vorstellen, dass die Regelsätze zu Hartz IV anders ausgefallen wären. Ebenso wie Befugnisse der Sachbearbeiter und auch die jeweilige Beweispflicht wäre sicher anders geregelt. Um mal einfach ganz auffällige Dinge zu nennen.

Was sicher sehr fragwürdig ist, ist auch die Tatsache der Lastenverteilung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass es den Unternehmen und Konzernen (im Ganzen betrachtet, keine Einzelfälle) in den vergangenen 40 Jahren im Verhältnis zur Lohnentwicklung immer schlechter gegangen ist. Aber die Lastenverteilung hat sich massiv zu Ungunsten der abhängig Beschäftigten verändert. Der Staat trägt sich eben immer mehr durch die Einkommenssteuern.

Genau genommen ist es eigentlich so, dass die Politiker sehr genau wissen, wem sie was zu verdanken haben und sehr wohl überlegt handeln. So kommt der Wandel hin zu mehr "Eigenverantwortung" der Bürger durch Abbau staatlicher Sozialsysteme dadurch zustande, dass natürlich die Unternehmenssteuern wegfallen (durch Vergünstigungen und Steuersenkungen) was weniger Geld in die Kasse spült und zum anderen dass Unternehmen maximal profitieren, wenn Bürger sich selbst "versichern" müssen. Ganz gleich ob Rente oder Krankenkasse - es ist ein enormes Geschäft für Unternehmen - und Federführend bei Planung der Gesetze sowie der Umsetzung sind dann große Namen, die auch jetzt immer wieder irgendwie fallen, ohne das es zu Konsequenzen führt.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich würde sofort den Bildungsetat um einige Milliarden aufstocken, denn die Zukunft unseres Landes sollten die Kinder sein und mit einer guten Ausbildung kann jedes Kind auch seine Chancen verbessern. Doch leider kann sich nicht jeder ein Studium leisten, weil die Studiengebühren einfach zu hoch sind. Und 8 Stunden am Tag arbeiten und parallel noch ein Studium machen, ist leider nicht möglich.

» kowalski6 » Beiträge: 3399 » Talkpoints: 154,43 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



kowalski6 hat geschrieben:Ich würde sofort den Bildungsetat um einige Milliarden aufstocken, denn die Zukunft unseres Landes sollten die Kinder sein und mit einer guten Ausbildung kann jedes Kind auch seine Chancen verbessern. Doch leider kann sich nicht jeder ein Studium leisten, weil die Studiengebühren einfach zu hoch sind. Und 8 Stunden am Tag arbeiten und parallel noch ein Studium machen, ist leider nicht möglich.

Dann rate ich dir dich einmal zu informieren, denn es gibt Bundesländer in denen es keine Semestergebühren gibt. Zum anderen sollte man auch einmal darüber nachdenken und vergleichen wie es in anderen Ländern auf der Welt zugeht in Sachen Bildung. Lange war es in Deutschland so, dass die Bildung kostenlos angeboten worden ist und dadurch gab es eine absolute Chancengleichheit für jeden. Trotzdem haben nicht alle Kinder studiert. Heute kostet es Semestergebühren die im internationalen Vergleich ein absoluter Witz sind und ebenfalls noch gefördert werden können durch diverse Maßnahmen wie Bildungsgutschein, Studienkredit, Stipendien etc. und trotzdem nimmt die Zahl der Studenten seither stetig zu. Nach dem was du schreibst, müssten allerdings die Studentenzahlen rückläufig sein seit die Semestergebühren eingeführt worden sind. Insgesamt werden die Gelder die durch die Studiengebühren eingenommen werden auch wieder in die Bildung umgesetzt, denn dadurch werden momentan einige Universitäten modernisiert und auch neue Dinge für diese Angeschafft und weitere qualifizierte Dozenten eingestellt. Durch diese Maßnahmen wird die Bildung bereits verbessert!

Denke einmal nach wovon du mehr profitierst ein kostenloses Studium bei zu wenig Platz, dass man während der Lesung mehrere Stunden stehen muss, man keinen Termin bei seinem Dozent bekommt da dieser nur einmal in der Woche eine Stunde dafür einrichtet dann aber 200 Studenten ebenfalls etwas von ihm wollen. Oder du bezahlst einen im internationalen Vergleich lächerlichen Betrag dafür, dass du auch einen Sitzplatz in den Lesungen bekommst, der Dozent jeden Tag eine Stunde Zeit hat für auftretende Fragen und auch die Heizung im Hörsaal funktioniert. Denn das ist etwas das ist keine absolute Selbstverständlichkeit und ich selbst habe mir mehrere Semester lang den Hintern abgefroren in einem kalten Hörsaal in dem die Heizung kaputt war, es durch die Fenster zieht da das Gebäude ein Altbau ist oder in den Abendveranstaltungen oftmals keinen Sitzplatz mehr bekommen habe da der Saal für 1000 Leute ausgelegt war aber regelmäßig 1400 Studenten anwesend waren. Stehst du regelmäßig 2-4 Stunden in einem überfüllten Saal und verstehst kein Wort vom Dozenten, dann würdest du ebenfalls bereit sein für die eigene Bildung Geld zu investieren.

Um auch ein paar Zahlen zu nennen, in Deutschland zahlt man im Schnitt 500 Euro pro Semester. Für ein Studium welches 8 Semester umfasst, kommt also eine Summe von 4000 Euro zusammen. Studiert man länger und landet bei 12 Semestern sind das 6000 Euro. Vergleicht man diesen geringen Betrag mit anderen Ländern wie Amerika, dann wird man feststellen das man dort kein Studium unter 25000 Euro bekommt. Wirf auch bitte einmal einen Blick in die anderen umliegenden Länder, denn auch dort gibt es seit Jahren Gebühren für die Bildung und wenn man diese heran zieht, dann ist Deutschland nach wie vor ein echtes Schnäppchenland. Bildung ist das höchste gut welches man sich aneignen kann warum sollte man selbst dann dafür nichts investieren müssen, immerhin kann man nicht erwarten das einem alles geschenkt wird.

Dazu möchte ich ebenfalls widerlegen, dass es angeblich nicht möglich sein soll 8 Stunden am Tag zu arbeiten und dann zu studieren. Denn das geht sehr wohl wenn man genug Ehrgeiz und Einsatz mitbringt. Das diese Variante nicht der leichteste Weg ist, sollte klar sein aber meiner Meinung nach ist das eine sinnvolle Erfahrung. Denn so lernt man direkt wie es im Berufsleben zugeht, man kann praktische Erfahrungen direkt mit theoretischem Wissen welches man vermittelt kommt verbinden und kann so auf längere Zeit gesehen mit einer umfassenderen Berufs- und Lebenserfahrung aufwarten als jemand, der das ganze der Reihe nach hintereinander macht. Zudem haben ebenfalls Studien erwiesen, dass Mitarbeiter die parallel zum Beruf studieren auch auf ihrem Arbeitsplatz eine deutlich bessere Leistung erbringen und Motivierter an übertragene Aufgaben herangehen. Mit einer solchen Einstellung stehen die Chancen auch besser in höhere Positionen zu gelangen mit allen damit verbundenen Annehmlichkeiten wie einem steigenden Gehalt. Damit hat man die Semestergebühren dann mehrfach wieder heraus geholt. Ich selbst habe diesen Weg des Studiums gewählt und spreche somit aus meiner eigenen Erfahrung.

Zum Thema selbst, Politik ist ein umfassendes Thema das man nicht auf eine Stelle beschränken kann da auch immer die inneren und äußeren Umstände dazu führen wie etwas abläuft und was gefördert wird. Ungerecht in dem Sinne ist demnach sehr vieles vor allem das immer weiter eingespart wird an Punkten die alle Betreffen auch wenn man sich darüber wenig Gedanken macht. So ist das Gesundheitssystem immer weiter am Absteigen was sich dadurch bemerkbar macht, dass man immer weniger Leistung als Kassenleistung finanziert bekommt und dadurch als Bundesbürger dieses selbst finanzieren muss. Da die Löhne selbst nicht überall ansteigen um das zu kompensieren und auch die Inflation ausgleichen zu können, können sich immer weniger die entsprechende Maßnahme überhaupt leisten. Was sich dann natürlich auch auf die Lebensdauer und die Lebensqualität auswirkt. Dieses betrifft jedoch nicht immer nur einen Menschen, denn es gibt Familien in denen es nur einen Alleinverdiener gibt, trifft es dieses Person dann hat die ganze Familie die Konsequenzen zu tragen.

Ich selbst denke generell, dass die Gelder die Deutschland zur Verfügung stehen in falsche Sparten gesteckt werden. So werden die großen Konzerne und Unternehmen mit Millionen Euros gefördert, die durchaus in der Lage wären sich selbst zu finanzieren und an anderer Stelle immer weiter gespart wie ich oben geschrieben habe und das Gesundheitssystem als ein Beispiel unter vielen angeführt habe. Die Semestergebühren innerhalb des Bildungsystems sehe ich jedoch als gerechtfertigt an, auch wenn dort auch immer wieder finanzielle Kürzungen stattfinden.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Es gibt sehr viele Dinge, die ich als sozial ungerecht empfinde.

Ein Arbeitnehmer, der jahrzehntelang gearbeitet hat und in das Sozialversicherungssystem eingezahlt hat, bekommt nach unverschuldeter Arbeitslosigkeit nach einem Jahr kein Arbeitslosengeld mehr, sondern Hartz IV. Er muss also sein Vermögen, was er sich erarbeitet hat, erst einmal bis auf bestimmte Freibeträge aufbrauchen. Dies empfinde ich als extrem ungerecht, dieser Mensch steht dann genauso schlecht da, wie jemand, der vielleicht in eigener Verantwortung nie gearbeitet hat und von der Gesellschaft immer finanziell unterstützt wurde, aber selber keinen finanziellen Beitrag für die Gesellschaft geleistet hat. Dies muss dringend geändert werden.

Sozial ungerecht ist die geringe oder fehlende Besteuerung von Erbschaften bei nahen Verwandten. Die Chancen, sich im Leben etwas aufbauen zu können, sind dadurch sehr unterschiedlich.

Ungerecht ist es, dass man für Kindergärten etwas zahlen muss. Die Gesellschaft möchte ja Einfluss auf die Kindererziehung nehmen, also sollte das die Allgemeinheit auch zahlen. Kindergärten sollten wie Schulen umsonst sein. Universitäten ebenso. Ich bin aber auch dafür, dass z. B. die Ausbildungen zum Krankenpfleger oder Altenpfleger nichts kosten. Auch diese Berufe braucht die Gesellschaft dringend. Hier sollte auch die Allgemeinheit die Kosten übernehmen.

Ungerecht ist es, dass es keinen Mindestlohn gibt. Wer 8 Stunden am Tag arbeitet, sollte seine Miete, seine Nebenkosten, seine Nahrung und Freizeitaktivitäten und ab und zu einen Restaurantbesuch davon zahlen können und auch davon eine Familie ernähren können.

Sozial ungerecht ist es, dass Alleinerziehende Steuerklasse 2 haben, also fast so viel Steuern wie Steuerklasse 1 zahlen, Verheiratete aber Steuerklasse 3, was sehr viel günstiger ist. Man sagt immer, dass die Eheleute die Verpflichtung haben sich gegenseitig zu unterstützen, dadurch dem Staat nicht zur Last fallen und deswegen steuerlich begünstigt werden. Aber mittlerweile werden so viele Ehen geschieden, dass dieses Argument nicht mehr zieht. Für Kinder übernimmt man ja auch das ganze Leben Verantwortung und von Kindern kann man sich nicht scheiden lassen.

Es gibt noch viel mehr Dinge, die sozial ungerecht nicht. Eines möchte ich noch anführen: Menschen, die eigentlich für sich selber sorgen könnten, wenn sie denn wollten, würde ich viel weniger unterstützen, auch bei Jugendlichen würde ich sehr viel härter eingreifen. Es gibt Jugendliche, die eine eigene Wohnung bezahlt bekommen, Geld vom Amt, aber überhaupt nicht willens sind, der Gesellschaft eine Gegenleistung dafür zu bringen. Mein Sohn würde auch gerne ausziehen, hat das Geld aber nicht dafür. Neben seinem Lernen für die Schule jobbt er noch nebenher, um sich ab und zu etwas leisten zu können. Und das ist auch gut so. Selbstverständlich gibt es psychisch kranke Jugendliche, die sonst nicht klarkommen, aber ich glaube nicht, dass es die Mehrheit ist.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


anlupa hat geschrieben:Eines möchte ich noch anführen: Menschen, die eigentlich für sich selber sorgen könnten, wenn sie denn wollten, würde ich viel weniger unterstützen, auch bei Jugendlichen würde ich sehr viel härter eingreifen

Woran machst du fest, dass Menschen nicht wollen? Haben sie einen Post-It mit "Will nicht" auf der Stirn und die meisten Menschen versuchen bloß angestrengt, ihn zu ignorieren?

Ich denke, man darf in dem Punkt nicht einmal denen trauen, die sagen, dass sie etwas nicht wollen. Erst einmal können zum Beispiel Vergewaltigungopfer viele Dinge nicht wollen, weil sie davon ausgehen, dass sie die Strafe durch Vergewaltigung verdient haben und damit auch jede weitere Strafe, die ihnen weniger grausam erscheint (worunter dann im Grunde alle Strafen fallen).

Sagt man dann: "Aber die wurden ja vergewaltigt, das sind Ausnahmen"? Auch das ist nicht einfach. Besonders in unteren sozialen Schichten wird niemand jemals herausfinden, dass sie vergewaltigt wurden. Sie selbst verdrängen es aus Selbstschutz (reflexhaft, nicht bewusst) und können es folglich auch niemandem erzählen. Weiter wissen sie, dass mit ihnen was nicht stimmt, wissen aber nicht warum und kommen zu dem Schluss, dass auch das wieder nur an ihnen läge.

Wenn jemand tatsächlich nicht wollte, nur einfach deshalb, weil er nicht will, sollte man ihm jede Unterstützung verwehren. Aber zum einen gibt es Zweifel daran, dass überhaupt irgendein Mensch tatsächlich einfach nicht will und zum anderen könnten wir das Wollen oder Nichtwollen nicht einfach herausfinden. Gibt es solche Regulierung, trifft sie, wie mein Beispiel zeigt, auch diejenigen, die nach unser aller Moralempfinden dies am wenigsten verdienen.

Allgemein zum Thema: Sozial ungerecht finde ich, dass man Bafög bei einem Versäumnis nach dem Grundstudium nicht schon bekommt, wenn man das Versäumnis nachgeholt hat, sondern erst, nachdem die Ablehnung des zuvor gestellten Antrags ausgelaufen ist (was, wenn man Pech hat, ein Jahr dauert). Allerdings sind andere Dinge zugegebenermaßen weitaus ungerechter. Und ob das tatsächlich soziale Ungerechtigkeit ist, weiß ich auch nicht.

» DieBewusstheit » Beiträge: 66 » Talkpoints: 44,47 »


MissMarple hat geschrieben:In der Politik läuft nicht immer alles so, wie sich das Volk es vorstellt und wenn man selber in der Politik was zu sagen hätte, dann würde man vielleicht auch einiges ändern.

Immer dieses alberne Gewäsch, dass man angeblich nichts zu sagen hätte und nichts ändern könnte. Wenn man in der Politik was ändern will, dann kann man das auch. Aber da die Wählerzahlen meist gering sind und sich der Großteil der Bevölkerung nicht politisch engagiert, sondern nur jammert, da kann sich auch nichts verändern. Aber es wird immer schön ein Schwachsinn geredet, dass man ja angeblich nichts verändern könnte. Dabei ist das Unsinn, denn jeder kann was ändern und sich beispielsweise politisch engagieren. Aber jammern ist natürlich einfacher als selber aktiv zu werden. Aber da ist "das Volk" dann zum Teil mit Schuld dran.

Gibt es Dinge bzw. Zustände, die ihr zur Zeit als sozial völlig ungerecht empfindet und die ihr ändern würdet, wenn ihr es könntet? Was würdet ihr ändern und wie würdet ihr es ändern? Denkt ihr, dass manche Politiker sich es zu einfach machen und nicht richtig nachdenken, wenn sie was beschließen?

Ich muss sagen, dass ich Deutschland eigentlich für sehr sozial und sehr gerecht halte, verglichen mit anderen Ländern. Wenn man mal bedenkt, wie viel Geld hier beispielsweise Arbeitslose bekommen und wie das dagegen in anderen Ländern aussieht. Ich denke eher, dass man großflächig etwas in Sachen Kinderbetreuung unternehmen sollte (d.h. mehr Betreuungsmöglichkeiten und möglichst geringe Gebühren dafür). Aber ansonsten finde ich schon, dass die Politiker genug nachdenken - sie denken meiner Meinung nach sogar sehr viel mehr nach als die ewig meckernden und jaulenden Leute.

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» pepsi-light » Beiträge: 6018 » Talkpoints: 2,14 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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