Kruzifixe und Kopftücher (bei Lehrerinnen) raus aus Schulen

vom 26.04.2010, 22:05 Uhr

Die Debatte um Kruzifixe gab es zwar mehrfach in diesem Forum, allerdings finde ich die aktuelle Debatte durchaus interessant und diskutabel. In Niedersachsen wurde Aygül Özkan von Minister Präsident Wulf als Sozialministerin ernannt. Als türkische Migrantin zeigt die Bennung Özkans, dass die CDU ein offenes Bild von sich gibt und sich versucht als Volkspartei zu verstehen.

Kurz nach ihrer Ernennung schaffte es die Ministerin mit der Aussage Kruzifixe und Kopftücher gehören nicht in staatlichen Schulen in die Medien. Die Empörung in CDU und CSU ist groß. Viele halten sie für untragbar und fragen sich, warum sie Mitglied einer christlichen Partei sei. Selbst Ministerpräsident Wulf verwehrt ihr die Deckung und sagt, Kreuze seien als "Zeichen der Tolerant" in Schulen erwünscht.

In den meisten Artikeln rund um das Thema wird dabei jedoch eine Tatsache oftmals unterschlagen. Kruzifixe sind an staatlichen sowohl nach Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, als auch nach Urteil der europäischen Gerichtshofes nicht gestattet, da sie eindeutig christlich sind. Auch den angeblichen Charakter der Toleranzförderung erkennen die Gerichte nicht an. In Bayern wurde ein Gesetz erlassen, dass es ermöglicht die Kruzifixe in den Schulen hängen zu lassen - demnach werden diese so lange geduldet, bis sich ein Elternteil gegen diese ausspricht.

Mittlerweile ist selbst Özkan von ihrer Position zurück gewichen wegen des Drucks aus der Partei. Meiner Meinung zeigt die Angelegenheit sehr deutlich, wie offen die CDU sich darstellt und wie offen sie wirklich ist. Was haltet ihr von der Sache?

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» mich » Beiträge: 665 » Talkpoints: 2,91 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich finde es wirklich mutig von Frau Özkan, sich eine Partei gesucht zu haben, die das "Christlich" schon im Namen trägt. Ich glaube allerdings auch, dass sie bei allem was sie tut, als erstes betrachtet wird als Muslimin oder Türkin (wobei sie ja in Deutschland geboren ist), nicht als einfache CDU-Politikerin.

Aber worum es eigentlich geht ist ja, dass sie es tatsächlich wagt, die christlichen Kreuze mit den muslimischen Kopftüchern, die ja überhaupt nicht gern gesehen sind, vor allem nicht an Schulen, in einen Topf zu werfen. Und davor habe ich allergrößten Respekt.

Ich denke nicht, dass das derart große Wellen geschlagen hätte, wenn solche Aussagen von christlichen, deutschen Politikern gekommen wären. Aber weil dies eben von der Frau Özkan kommt, muss ihr sogleich der Mund verboten werden. Und das ist ja wohl einfach nur sowas von falsch (im Sinne von hinterfotzig). Die neue Ministerin soll sich zur Verfassung bekennen - bekennen, okay, aber sobald sie sich darauf beruft ist Schicht im Schacht? Denn das Bundesverfassungsgericht hat schon vor fünfzehn Jahren erklärt, dass es verfassungswidrig sei, in Klassenräumen Kruzifixe anzubringen.

Die CDU definiert sich viel zu sehr über ihr C als über ihr D. In Deutschland sind etwa 65% Christen, es stellt sich die Frage, wieviele davon wirklich glauben. Und sich dann so ignorant über diese eine Religion zu stellen, die alles darf, und alle anderen dürfen nichts - das ist einfach nur typisch! So leid es mir tut, das ist typisch christlich. Man schaue sich nur mal in der Geschichte um. Wann hat das Christentum schonmal glorreiche Taten zu Gunsten anderer Völker und Religionen vollbracht? Im Gegenteil - es überwiegen eindeutig die blutigen Gemetzel im Namen des Glaubens. Toleranz für Andersdenkende ist nie wirklich dagewesen und jetzt zeigt sich, dass sich am Gedankentum wohl nicht viel geändert hat. Solange Deutschland darauf besteht, Kreuze zuzulassen und alles andere in den Keller zu verbannen, kann niemand Deutschlands Willen zur Integration Andersgläubiger wirklich ernstnehmen. Das ist doch eine Lachnummer, ganz ehrlich, absoluter Zynismus.

Ich habe allergrößten Respekt vor dieser Frau, die endlich das ausgesprochen hat, was ich schon lange dachte - wenn Kopftücher verboten werden, dann auch Kreuze, Gebetsketten und sonstige religiöse Äußerlichkeiten. Und wenn dann die CDU kommt und sagt, das Kreuz sei ein Symbol für Toleranz gegenüber anderer Religionen und deshalb sei Frau Özkans Äußerung nicht akzeptabel - also bitte! Das KREUZ Symbol für Toleranz? Das hat doch schon damals bei Jesus angefangen, besonders gut kann man es an den Kreuzzügen sehen - Toleranz. Das Kreuz. Symbol für. Also ganz ehrlich, aber wie ignorant und selbstverherrlichend kann man denn bitte sein?

Ich kann nur hoffen, dass die Menschen eines Tages einsehen, dass keine Religion etwas in irgendeiner Schule verloren hat - oder entweder alle oder keine - denn gleiches Recht muss für alle gelten, das ist es doch, was Religionsfreiheit bedeutet. Mit Frau Özkan haben wir endlich eine Sozialministerin, die eben dieses erkannt hat und ich kann nur hoffen, dass sie ihren Mut nicht verliert und sich ihren Mund nicht verbieten lässt. Vielleicht hat ja allein dieser "Skandal" schon einigen die Augen geöffnet. Schön wärs jedenfalls.

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» koeniglich » Beiträge: 370 » Talkpoints: 0,50 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Aygül Özkan hat meiner Meinung nach 2 Probleme:
- Sie hat Recht, dass religiöse Symbole nichts in Schulen zu suchen haben, nur sie ist in einer Partei, die bei dieser Frage die Verfassung und BVG Urteile gerne verdreht.
- Deutschland ist im Gegensatz zu vielen anderen westlichen Staaten kein säkularer oder religionsneutraler Staat - sprich: Kirche und Staat waren und sind in Deutschland noch nie getrennt gewesen.

Wenn ich mich nun also in einer Partei befinde, die die Verfassung mehr als Empfehlung statt als echtes Grundgesetz aufgreift (sowie Urteile des Verfassungsgerichts), deren Schwesterpartei eine noch stärkere Verfassungsbrecherin ist, und in einem Land lebe, in dem die Kirche weiterhin ihre Minderheitenmeinung der Mehrheit aufzwingen kann und so etwas äußere, dann
- bin ich entweder sehr mutig und couragiert sein oder
- ich muss kurz Presse machen und bin geistig neben der Spur.

Was auf Aygül Özkan zutrifft ist momentan noch schwer zu beurteilen, aber ihr duckmäuserischer Rückzieher und ihr Einknicken lassen nicht auf ersteres schließen. Auch ihre lustigen Kommentare zu den Spitzen, dass sie mit solche "radikalen" Ideen wohl in der falschen Partei sei fand ich sehr amüsant, vor allem den, dass sie in der CDU ist, da die CDU eine Wertegemeinschaft darstellt. Wertegemeinschaft und CDU, das ist so wie ein Teilzeit-veganischer Metzger. Die Werte, die mir bei der CDU/CSU einfallen - sind denn jetzt alle wieder so bekloppt, dass man die christlich-kriminellen-national(sozialen) Skandale mal eben wieder vergessen hat?

Zu den Kreuzen: Meiner Meinung nach hat kein einziges religiöses Symbol etwas in einer staatlichen Schule zu suchen! Religion ist Privatsache und der Staat hat neutral zu sein - gestern wurde dazu ja lang und breit bei Maybritt Illner seitens der Union herumlamentiert, dass das unmöglich sei. Komisch, dass es gerade Staaten mit schon fast fundamentalistischer Bevölkerung wie etwa die USA trotzdem schaffen! Im Grunde ist es lächerlich und die einzigen, die sich ernsthaft über so etwas aufregen sind die, die als einzige davon einen Schaden davontragen würden: die Kirche(n) und ihre Klientelpartei CDU/CSU - dem größten Teil der Bevölkerung würde das doch hinten und vorn vorbeigehen...

Ich frage mich jedesmal, was es da zu diskutieren gibt, solange man nicht unter der Fuchtel der Kirche steht - es gibt kein Argument für ein religiöses Symbol in einem öffentlichen-staatlich kontrollierten Raum.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das Problem ist auch, dass ich selbst überhaupt nicht weiß was es überhaupt zu diskutieren gibt. Für mich ist die Sache total klar: Keine Form der Religion hat etwas in einer Schule zu suchen (von christlichen oder muslimischen Schulen jetzt mal abgesehen, die eben auch gerade durch ihren Glauben und ihren Umgang damit bekannt sind. Es ist logisch, dass eine kathollische Mädchenschule es in ihrem Falle sicherlich für nötig hält, ihre Religionen in ihren Räumen zu verbreiten. Aber darauf kann man sich einstellen und wählt das ja auch bewusst so.) - Gerade in öffentlichen Schule kann man einfach niemandem zumuten, dass er mit Religionen belästigt wird. Für mich war das als Kind immer eine Zumutung, dass überall Kruzifixe herumhingen, weil ich nicht gläubig war und mich das einfach genervt hat und ich das nicht sehen wollte.

Das ist und bleibt eben Privatsache und so etwas kann man gerne für sich selbst ausleben; aber das gehört eben nicht in den beruflichen oder schulischen Alltag. Ich halte das Verbot für total angemessen und glaube nicht, dass es darüber noch etwas zu diskutieren gibt.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Bevor ich etwas zum Thema sage kurz die Frage, ob jemand denn einen Link zu dem kompletten Interview hat. Ich habe auf die Schnelle nichts gefunden. Denn ich finde es immer ein bisschen problematisch, wenn eine Aussage aus dem Zusammenhang genommen und isoliert betrachtet wird. Ich glaube zwar nicht, dass das hier viel an der Tatsache ändern würde, aber ich hätte trotzdem gerne gewusst, in welchem Zusammenhang diese Aussage überhaupt gemacht wurde.

Zum Thema selber, nun, ich denke, als CDU Mitglied muss man damit rechnen, dass man mit so einer Aussage weder bei der eigenen Partei noch bei der Zeilgruppe dieser Partei gut ankommt. Wenn jemand dann trotzdem so eine Aussage macht, finde ich das zunächst einmal mutig und begrüßenswert. Wenn diese Person ihre Aussage dann aber zurückzieht entsteht doch entweder der Eindruck von totaler Inkompetenz - losgeplappert ohne nachzudenken - oder von jemandem, der sich von anderen einschüchtern lässt und lieber auf eine eigene Meinung als auf Macht verzichtet.

Natürlich habe religiöse Symbole, egal welcher Art, in Schulen nichts zu suchen und da braucht mir auch niemand mit Wertevermittlung und mit Toleranz kommen. Die Toleranz sehe ich nämlich nicht, wenn nur ein einziges Symbol an der Wand hängt, und zum Vermitteln von humanistischen Werten braucht man keine Religion.

Aber solange die christliche Kirche den Staat als Eintreiber für seine Mitgliedsbeiträge eingestellt hat und solange wir von "christlichen" Parteien regiert werden und so weiter, sehe ich eh keine klare Trennung zwischen Kirche und Staat. Da ist ein Kreuz gar nicht so schlecht, als kleine Erinnerung daran, dass wir in einem Staat leben, in dem "freedom of religion" nicht gleich "freedom from religion" bedeutet.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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