Frauenbild in Mädchenbüchern

vom 05.07.2008, 18:12 Uhr

Ich bin eben meine Jugendbuchsammlung mal wieder durchgegangen und da fiel mir "Pucksi Familienglück" von Magda Trott in die Hände. Dies Buch habe ich nur einmal gelesen, weil ich es relativ furchtbar fand. Die Protagonistin ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. Sie ist aber mitnichten gleichberechtigt mit ihrem Mann, sondern muss sich ihm unterordnen. Sie wird als unvollkommen und etwas einfältig dargestellt und macht deswegen viele Fehler. Ihr Mann hat das uneingeschränkte Recht sie zu kritisieren und nach seinen Wünschen zu erziehen und maßzuregeln, umgekehrte Kritik kommt eigentlich so gut wie gar nicht vor und wird dann auch meist als falsch und unbedacht kommentiert.

Zwar geschehen die Erziehungsmaßnahmen meist auf liebevolle, freundliche Art und Weise, dies verstärkte aber bei mir noch den Eindruck von dem dummen kleinen Mädchen, dass auf die freundliche Unterstützung ihres erwachsenen, perfekten Mannes angewiesen ist, der ihre Fehler ausbügelt und ihr zeigt, wie die Welt funktioniert. Berufstätig ist die Hauptfigur natürlich nicht, sie hat zwar einen Beruf gelernt, sieht es aber als ihre Lebensaufgabe Haus und Kind zu betüdeln und ihrem Mann zu Füßen zu liegen.

Man muss natürlich bedenken, dass dieses Buch während der Nazi-Zeit entstanden ist. Gemessen daran, was damals von Frauen verlangt wurde(Lebensbornheime, etc.) ist das Frauenbild in "Pucki" noch recht gemäßigt, trotzdem finde ich es einfach grauslich. Sowas kann man Mädchen heutzutage kaum guten Gewissens lesen lassen, allerhöchstens als abschreckendes Beispiel.

Es spricht zwar auch heute nichts dagegen nur Hausfrau und Mutter zu sein, wenn man damit glücklich ist, aber der Punkt ist, dass man die Wahl hat und es nicht von vorneherein nur diese eine Möglichkeit für einen Lebensweg gibt.
Vor allem aber sind Männer und Frauen gleichwertig, beide machen Fehler und können sich gegenseitig kritisieren wenn nötig. Den von Natur aus perfekten Ehemann, der seiner dummen Frau sagen muss, was sie tun und lassen soll, erstens weil er es besser weiss, und zweitens, weil das sein angeborenes Recht ist, gibt es heute nicht mehr. Ich finde es trotzdem sehr kritisch jungen Mädchen dieses Bild als Optimum zu präsentieren. Dahin wollen wir wohl kaum zurück!

Kennt ihr noch mehr solcher Bücher, in denen Mädchen und Frauen auf Hausfrau und Mutter ohne eigene Persönlichkeit reduziert werden und in denen suggeriert wird, dass Männer klüger sind als Frauen und diese deswegen wie Eigentum behandeln dürfen? Ich kenne gottseidank nur das eine, aber das reicht mir schon. Gruselig.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Hallo, ich habe alle Bücher von Pucki und ich mußte bei Deinem Beitrag schmunzeln. Ja, sie spielt die Frau die zu der Zeit noch zu spuren hatte. Irgendwie ist es aber doch bei Trotzkopf genauso. Ilse mußte auch lernen, daß man als Frau nicht rumräubern darf sondern brav sein muß und stricken und dem Mann eine gute Frau zu sein. Ihre Freundin Nelly hat ihr auch geholfen sowie das Internat auf den richtigen Weg zu kommen und sich zu einer rechtschaffenen Frau zu entwickeln. Früher war das so, Frau war daheim und für den Haushalt und die Kinder da.

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» MoneFö » Beiträge: 2938 » Talkpoints: -3,73 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Wow, den Trotzkopf hatte ich völlig ausgeblendet. Dabei habe ich das auch im Regal stehen und nicht nur einmal gelesen. Da ist es mir gar nicht so deutlich aufgefallen, aber eben fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die wilde Ilse, die ihren eigenen Kopf hat und ihn sich abgewöhnen muss, um ihrem Mann zu gefallen.

Daran, dass man nicht immer seinen Willen kriegen muss, auch mal nachgeben und um Verzeihung bitten, ist ja was dran. Aber sich völlig unterzuordnen, nur weil der Mann es so will? Nein danke!

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich bin auch der Meinung, dass man solche "Literatur" immer im Kontext seiner Entstehungsgeschichte und -zeit sehen muss. Zur "Hitlerzeit" waren Frauen nunmal nicht komplett gleichberechtigt (was sie heute auch noch nicht sind), hatten garnicht die gleiche Möglichkeit wie der Mann zur Bildung etc., und war demnach auch generell ungebildeter. Ausserdem heirateten die Frauen damals schon mit 18 und nicht erst mit 28, wenn der Großteil des Entwicklungsprozesses schon abgeschlossen sein sollte.

Natürlich ist das keine Verteigung, aber Frauen sind halt auch noch heute "Statusobjekte", der reiche. kluge Mann mit der hübschen, [Intellekt egal] Frau. Einmal RTL einschalten, schon sieht man haufenweise davon.

Ich kenne noch ein passendes Buch zu dem Thema: die Bibel.

» Jessi86 » Beiträge: 3 » Talkpoints: 1,44 »



Ich habe gerade heute mit ein paar Freundinnen über dieses Thema diskutiert. Da haben wir die ganzen alten Schinken aufgezählt, die so in den 50ern und 60ern populär waren. Da gab es zum Beispiel die Bummi-Bücher. Auch so eine Serie über ein kleines Mädchen, die sich vom "Wildfang" zur reifen jungen Frau entwickelt und dann einsieht, dass man sich als Frau eben gesellschaftskonform und "vernünftig" zu benehmen hat.

Genauso fragwürdig finde ich die Hanni und Nanni Bücher. Im Prinzip spielen sie ja alle eine heile Welt vor, wo die "Backfische" sich zwar mit ein paar harmlosen Streichen mal amüsieren dürfen, am Ende aber eben ganz gesittete Damen werden.

Was mir auch noch einfällt ist das "Nesthäkchen" das hat doch einen ähnlichen Hintergrund.

» gubbelgubbel » Beiträge: 123 » Talkpoints: 1,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Tja da hätten wir doch mal ein par schöne Beispiele für Frauen & Mädchenliteratur, bei der sich nicht alles um die Liebe dreht. Jedenfalls nicht solange die Mädchen noch klein sind. Solche Bücher waren mal groß in Mode, damit die kleinen Mädchen nicht nur was zu lesen hatten, sondern auch damit sie das "richtige" lasen. Und nicht etwa aufrührerisches Zeugs.

Wobei es ganz interessant ist, das nicht alle Bücher aus älteren Tagen die thematisch kleine Mädchen im Mittelpunkt haben total grottig sein müssen. Gutes Beispiel: "Kleine Prinzessin Sara" von Frances Hodgson Burnett. Die Geschichte ist total auf Mädchen zugeschnitten, aber sie ist trotzdem nicht so klischeetriefend wie beispielsweise Nesthäckchen, was auch daran liegen mag, das nicht die moralische Belehrung wie sich eine Frau verhält im Mittelpunkt steht, sondern die moralische Frage, wie sich ein Mensch verhalten sollte.

Auch überraschend lesbar (auch heute noch) sind die Bücher von Laura Ingells Wilder (bekannter als TV Serie "Unser kleine Farm") -man darf sich allerdings nicht an typischer Pionier-Gottesfiurcht stören und diese einfach als Bestandteil der damaligen Zeit nehmen und man bekommt etliche Bände unglaublich guter Mädchen und später Frauengeschichten, die ein realistisches und positiv geprägtes Frauenbild vermitteln, in dem nicht die Erziheung zur Unterordnung die Hauptrolle spielt. (Inhaltlich gehen die bücher und die Serie ziemlich unterschiedliche Wege, wenn man die Serie mochte hat man also auch noch Spaß an den Büchern)

Ergo: Nicht alle Mädchenbücher aus der Vergangenheit sind zwangsläufig ein Fall für den Kompost auch wenn ein Blick auf Puckie und Nesthäkchen durchaus was anderes vermuten lässt.

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» Nephele » Beiträge: 1047 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich habe neulich alte Pferdebücher aus meiner Kindheit in der Hand gehabt und sie auch mal wieder aus nostalgischen Gründen gelesen. Bille & Zottel, Petra und ihr Traumpferd, Britta und Silber und wie sie alle hießen, dazu noch eine Portion Dolly und Hanni und Nanni - also das, was man so in den 70ern und frühen 80ern las. Ziemlich bitter, kommen die Mütter der Hauptfiguren eigentlich nur in Ausübung hausfraulicher Tätigkeiten vor, Dollys Mutter z.B. kommt nur vor, um Koffer zu packen, ihre Tochter zu ermahnen und Fresskörbe mit auf die Fahrt zu geben, wohingegen Dollys Vater eine maßgebliche Rolle spielt, er ist Herzchirurg oder sowas ähnliches und wird als typisch dominante Männerfigur dargestellt.

In Bille und Zottel darf die ursprünglich verwitwete Mutter von Bille sogar einen kleinen eigenen Laden betreiben, aber sie scheitert damit natürlich letztlich und gibt das alles in die Hände des neues Stiefvaters von Bille, dem sie ab diesem Zeitpunkt als Hauptverkaufskraft in seinem Supermarkt zu Verfügung steht, worauf es ihr natürlich SOFORT total viel besser geht, weil die böse böse Verantwortung ja nun auf den Schultern des Mannes ruht. Fortan kommt sie vorwiegend in hausfraulichen Tätigkeiten zum Vorschein und dazu, ihre Tochter zurechtzuweisen.

Mich erinnert das immer so an die Fernsehwerbung für Toffifee, in der stets nur die Stimme der Mutter aus dem Off kam und bestenfalls ihre Hand zu sehen war, dieaus Verantwortlichkeit der Familie gegenüber ihren beiden wohlgeratenen Kindern und ihrem Mann, der mit den Kindern irgendwelchen Quatsch macht, liebevoll und nachsichtig (typisch mein Mann!) die Schokodinger an reicht.

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» Karen 1 » Beiträge: 1344 » Talkpoints: 0,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich muss zugeben nicht verstehen zu können, wie man sagen kann etwa die "Pucki"-Bücher in der heutigen Zeit nur noch als abschreckendes Beispiel zu lesen geben zu wollen.

Ich habe die Bücher im Alter von acht Jahren geschenkt bekommen, mittlerweile bin ich 19 und habe die gesamten Bände seither vermutlich um die zwanzig Mal gelesen und würde nicht sagen, dass es mir geschadet hat. Schließlich handelt es sich immer noch um fiktionale Literatur, noch dazu aus einer gänzlich anderen Zeit und kann somit im Gegenteil zum Verständnis des ehemaligen Zeitgeschehens beitragen.

Bücher wie "Pucki" sind gewiss weniger eine Bedrohung für das heutige Frauenbild als die Reden der guten Eva Herman (und die schreibt schließlich unter heutigen Bedingungen, nicht aus der Sicht der Vierziger Jahre) und solange man seine Kinder mit einem gesunden Bewusstsein für die Gleichberechtigung erzieht, können die Bücher Magda Trotts da gewiss kein Unheil anrichten.

Im Gegenteil halte ich "Pucki" sogar für sehr emfehlens- und lesenswert. Auch heute noch. Wenn man sich nämlich nicht auf den Aspekt versteift, dass da eine Frau ist die jung heiratet und von ihrem Mann dann und wann etwas gegängelt wird, kann man sich auch voll und ganz darauf einlassen, dass da eigentlich eine wirklich liebenswerte Geschichte erzählt wird. Von Nächstenliebe und Liebe zur Natur und das ist etwas, was in heutigen Kinderbüchern viel zu wenig heraus kommt.

» Wetterhexe » Beiträge: 17 » Talkpoints: 0,12 »


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