Helft der SPD bei ihrem Programm

vom 12.06.2009, 08:32 Uhr

Scheinbar ungeachtet aller Klimadiskussionen steht bei der SPD ein Punkt an, der womöglich sogar durchkommt auf ihrem Parteitag. Es sollen neben den bereits neun im Bau befindlichen Kohlkraftwerken insgesamt 21 weitere Kraftwerke hinzukommen.

Wirkliche Gründe gibt es übrigens dafür keine: umweltpolitisch ist das die reinste Katastrophe, an Innovationskraft in den Bereichen Wind-, Wasser- und Sonnenenergie dürften wir in Deutschland damit noch weiter verlieren und Arbeitsplätze bringt es leider auch keine. In einem Kohlekraftwerk arbeiten gerademal rund 80 Mitarbeiter. Die meisten Arbeitsplätze entstehen in den Kohleminen Südafrikas und in Russland, also genau dort, wo unter menschenunwürdigen Bedingungen Kohle gefördert wird. Als eine Partei, die für Arbeitnehmerrechte kämpft eine besonders zynische Entscheidung.

Stimmt ab, sagt der SPD, dass sie damit auf dem falschen Weg ist. Vielleicht weiß sie es ja selbst schon nach dem Wahldebakel, aber ich Zweifel ein wenig daran. Hier gehts zum Protestschreiben: Klick.

Und falls jemand ein Argument - EIN ARGUMENT - keine Sprüche der Lobbyisten hat, der möge sich hier gerne dazu äussern.

Benutzeravatar

» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Dieses Thema ist leider nicht so einfach, wie es zunächst den Anschein hat. Dazu muss man sich aber etwas tiefer mit den Grundlagen der Stromversorgung beschäftigen. Der Strom kommt nunmal nicht einfach aus der Steckdose, da steckt eine ganze WIssenschaft dahinter.

Das Problem fängt damit an, dass man sämtliche Atomkraftwerke in den nächsten Jahren abschalten möchte. Dabei ist zu beachten, dass Atomkraftwerke Grundlaststrom erzeugen. Und dieser Grundlaststrom kann eigentlich nur wirtschaftlich durch Atomkraft, Kohlekraft und Wasserkraft erzeugt werden. Das Potential der Wasserkraft ist in Deutschland völlig ausgeschöpft. Also bleibt eigentlich nur die Kohlekraft übrig, wenn man die Atommeiler dicht macht.

Die alternativen Energiequellen haben eben das große Problem, dass sie nicht immer verfügbar sind. Die Verfügbarkeit ist zwar aufgrund von Wetterprognosen sehr gut planbar, aber solange sich der Verbraucher nicht danach richtet, hilft das auch recht wenig. Hier gibt es natürlich Konzepte wie intelligente Stromzähler, die eine Anpassung ermöglichen.

Außerdem gibt es interessante Konzepte, bei denen eine dezentrale Stromversorgung mit vielen kleinen, vernetzten Kraftwerken ermöglich wird. Da wird also beispielsweise ein Blockheizkraftwerk mit Biogas, eine Windkraftanlage und eine Solaranlage so gekoppelt, dass immer die benötigte Energiemenge bereitgestellt wird. So etwas funktioniert im Kleinen ganz gut, man müsste das ganze halt nur weiter ausbauen.

Daneben gibt es natürlich noch die Möglichkeit Energie zwischenzuspeichern. Hierfür haben wir in Deutschland ja auch schon einige Pumpspeicherkraftwerke im Einsatz, aber auch hier haben wir kein weiteres Potential. Daneben gibt es noch einige weitere Projekte, bei denen man in Zukunft per Gasdruck Energie speichern möchte. Eine weitere Möglichkeit in ferner Zukunft wäre, dass man Elektroautos zur Energiespeicherung nutzt. Aber bis da eine nennenswerte Energiemenge gespeichert werden kann, müssen erst viele Millionen Elektroautos verkauft werden.

Ich bin auch nicht begeistert von der Idee, weitere Kohlekraftwerke zu bauen. Ich fände es besser, wenn man die Atomkraftwerke lieber noch einige Jahre länger betreibt und solange das Geld in die Forschung von intelligenten Stromnetzen und dezentraler Stromversorgung steckt.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Naja, Kohlekraftwerke sind trotz allem besser als ihr Ruf da hier keine wie in Hinterchina gebaut werden sondern Kraftwerke, die in der CO² Gesamtbilanz sogar besser als Atomkraftwerke (!) abschneiden. Und bei Kohle ist im Gegensatz zu Uran in den nächsten Jahrzehnten nicht mit einem starken Preisanstieg aufgrund der Verknappung der Vorräte zu rechnen.

Und was die Umwelttechnologien angeht kann ich mich hier Weasel_ anschließen: Deutschland hat überhaupt nicht die Möglichkeiten nur im Ansatz all seine Energie so zu erzeugen - wenn wir irgendwann einmal in 100 Jahren aufgrund verbesserter Technologien und hier an die 50 % Marke stoßen können wir uns glücklich schätzen, je nach Prognose liegt die Messlatte auch deutlich tiefer. Und wer dann kein AKW will, der muss eben mit dem Kohlekraftwerk vorlieb nehmen das heute wie gesagt besser ist als sein Ruf.

Dass die SPD schon lange nicht mehr die Politik macht für die sie steht und vor dem Risiko von einer Volkspartei zu einer der kleinen zu werden ist ja auch nichts Neues. Meiner Meinung nach gibt es in der SPD trotz der Abspaltung eines Teils zur Linkspartei (und dummerweise eben gerade des Flügels, der in den Augen vieler im Grunde das Image der SPD "darstellt") immernoch zuviele Strömungen die alle auf einen Nenner gebracht werden müssen - und wie soll man das erreichen, wenn hier Meinungen aufeinander prallen, die sich nicht in Feinheiten, sondern grundlegend voneinander unterscheiden und unvereinbar sind? Die SPD an sich stet per se überhaupt nicht mehr geschlossen hinter dem Umweltgedanken oder den Arbeitnehmerrechten, sondern nur der eine oder der andere Flügel.

P.S.: Meiner Meinung nach eben auch ein Grund, warum die SPD soviel an Rückhalt verloren hat - ihr fehlt immer mehr das klare Profil, das selbst Spaßparteien wie die FDP oder NPD haben.

P.P.S.: Wenn es einen so sehr stört - einfach in die SPD eintreten und dort Stimmung machen! Druck von außen auf parteiinterne Prozesse ist solange es nicht um einen rufschädigenden Skandel geht (was hier nicht der Fall ist) immer recht bedeutungslos bis zum entscheidenden Urnengang. Das weiß ich zumindest aus meiner jahrelangen Mitgliedschaft heraus.

Benutzeravatar

» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^