Kind bewusst bis zur Schule kindergartenfrei leben lassen?

vom 23.03.2023, 10:25 Uhr

Ich höre derzeit immer mehr vom Konzept "kindergartenfrei". Die Kinder sollen dabei eben nicht in den Kindergarten und auch nicht zur Tagesmutter oder sonst wohin zur Fremdbetreuung gehen. Stattdessen lässt man sie zu Hause und betreut sie selbst, bis sie dann in die Schule kommen. Die Kinder selbst zu betreuen, kann eine Menge Vorteile haben. So kann man ganz individuell auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen und diese auch individuell fördern.

Natürlich sollte man darauf achten, dass gerade ältere Kinder genügend Kontakt zu anderen Kindern haben. Solange man aber regelmäßig auf den Spielplatz geht, an Spielegruppen teilnimmt und beispielsweise auch Besuch von befreundeten Kindern hat, soll das überhaupt kein Problem sein. Dass ein Kind rund um die Uhr von anderen Kindern umgeben ist, wie es im Kindergarten der Fall ist, soll gar nicht notwendig sein.

Habt ihr euch selbst schon einmal näher mit dem Konzept auseinandergesetzt? Ich glaube, dass es den meisten Eltern gar nicht möglich sein wird, ihr Kind bis zur Schule selbst zu betreuen. Schließlich können es sich die wenigsten leisten, so lange zu Hause zu bleiben. Was haltet ihr von dem Konzept, völlig unabhängig von der Vereinbarkeit mit dem Job? Würdet ihr euer Kind selbst kindergartenfrei leben lassen und denkt ihr, dass es dadurch tatsächlich so sehr profitieren kann?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich glaube schon, dass das einigen Kindern gut tun würde, wenn man ihr Leben freier gestalten könnte, aber sind wir mal ehrlich, da sind wir in Deutschland oftmals noch nicht so weit. Wenn man das Kind zu Hause lässt, dass ist man irgendwie automatisch ein komischer Kauz, ohne das man sich Gedanken darüber macht, warum das vielleicht so entschieden wurde.

Ich habe schon einige Kinder im Kindergarten erlebt, bei denen ich mir wirklich denke, dass sie zu Hause besser aufgehoben wären. Das sind dann Kinder, die gerne ihre Ruhe haben und einzeln sein wollen, aber auch Kinder, die einfach noch sehr an den Eltern hängen.

Im letzten Monat hatte meine Tochter zu ihrem Geburtstag ein Kind da, welches mir traurig erzählte, dass Mama und Papa so wenig da wären, weil sie immer arbeiten müssen. Das sind nette Menschen, aber das Kind leidet darunter, dass es ständig im Kindergarten ist. Es ist einfach noch nicht so weit. Die Eltern haben aber auch keine Wahl, weil sie laufende Kosten haben und beide arbeiten gehen müssen.

Das ist aber generell eine Sache, die ich in anderen Ländern besser gelöst finde, wo man dann auch Freilerner sein kann und nicht in die Schule muss. Das ist gerade für Autisten oder auch anders eingeschränkte Kinder eine gute Sache, weil sie an normalen Schulen einfach oft überfordert sind und natürlich ist das kein Konzept für alle, aber dem gegenüber ist man hier auch nicht so offen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Im Kindergarten ist ein Kind ja nun nicht rund um die Uhr von anderen Kindern umgehen. Aber es lernt dort eben auch, wie man sich in eine Gruppe einfügt. Und da komme ich gleich mal zu den Nachteilen, wenn man das Kind ohne Kindergarten leben lässt. Es kommt dann ja irgendwann zur Schule. Dort kommt es quasi als fremdes Kind und steht allein da, weil die anderen Kinder schon zusammen im Kindergarten waren und somit Freundschaften gewachsen sind. Das Kind ist also erst mal der Außenseiter. Will man das wirklich für sein Kind?

Es klingt auch gut, dass man dann sein Kind den Bedürfnissen entsprechend fördern kann. Aber wie schnell ist das Kind dann schon wesentlich weiter als die gleichaltrigen Mitschüler? Die Gefahr, dass man dem Kind schon zu viel beibringt, weil man als Eltern denkt, dass es das Kind so möchte, ist enorm groß. Kommt es dann zur Schule, kann es viele Dinge schon. Schnell langweilt sich so ein Kind und es verpasst dann sehr schnell den Anschluss an den Lernstoff.

Also insgesamt klingt das Konzept erst mal gut, wenn man sein Kind zu Hause lässt. Aber die Nachteile, die sich dann erst in der Zukunft wirklich zeigen werden, sind eben einfach auch vorhanden und die sollte man dabei mit berücksichtigen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich persönlich finde das Konzept "kindergartenfrei" sehr interessant und kann durchaus verstehen, warum einige Eltern sich dafür entscheiden. Es ist sicherlich schön, wenn man die Möglichkeit hat, sein Kind selbst zu betreuen und auf seine individuellen Bedürfnisse einzugehen. Wenn man Zeit, Geduld und die entsprechende Energie hat, kann das sicherlich eine sehr schöne und wertvolle Erfahrung für die ganze Familie sein.

Allerdings denke ich auch, dass es nicht für jeden geeignet ist. Es ist eine große Herausforderung, ein Kind rund um die Uhr zu betreuen und zu beschäftigen, insbesondere wenn es noch Geschwisterkinder gibt oder man auch noch beruflich tätig ist. Es kann schnell anstrengend und belastend werden, wenn man keine Auszeit hat und immer für das Kind da sein muss.

Außerdem glaube ich, dass es für die soziale Entwicklung der Kinder wichtig ist, dass sie frühzeitig Kontakt zu anderen Kindern haben und lernen, in Gruppen zu agieren und Konflikte zu lösen. Gerade im Kindergarten können sie auch von anderen Erwachsenen lernen und von deren Erfahrungen und Fähigkeiten profitieren.

Letztendlich hängt es wohl auch stark von den individuellen Umständen ab, ob das Konzept "kindergartenfrei" für eine Familie passend ist oder nicht. Jede Familie muss für sich entscheiden, was am besten funktioniert und welche Prioritäten sie setzen möchte. Ich denke, es ist wichtig, sich bewusst mit den Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen, die für alle Beteiligten gut ist.

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Prinzessin_90 hat geschrieben:Ich höre derzeit immer mehr vom Konzept "kindergartenfrei". Die Kinder sollen dabei eben nicht in den Kindergarten und auch nicht zur Tagesmutter oder sonst wohin zur Fremdbetreuung gehen. Stattdessen lässt man sie zu Hause und betreut sie selbst, bis sie dann in die Schule kommen.

Gibt es wirklich so viele Menschen, die es sich leisten können wenn ein Einkommen für sechs Jahre komplett weg fällt? Das erstaunt mich schon etwas, wo doch immer gejammert wird, dass alles teurer wird und man sich überhaupt nichts mehr leisten kann. Du bist wohl in eher privilegierten Kreisen unterwegs.

Und wie soll das dann weiter gehen in der Schule? Nachmittagsbetreuung ist ja wohl erst mal auch nicht drin für ein Kind, das nicht gelernt hat sich in eine Gruppe zu integrieren und den ganzen Tag von zu Hause weg zu sein. Also kann Frau - denn Männer trifft das immer noch recht selten - sich auf weitere Jahre in der Arbeitslosigkeit einstellen. Und mit jedem Jahr wird der Wiedereinstieg in den Beruf schwieriger. Also direkt Hausfrau und Mutti für den Rest des Lebens. Willkommen im Jahr 2023. :lol:

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich war fast zehn Jahre lang zu Hause und habe die Kinder trotzdem mit drei Jahren in den Kindergarten gegeben, weil ich ihnen nicht alles bieten konnte, was der Kindergarten so bietet, vor allen Dingen die Interaktion mit anderen Kindern. Sie waren aber nur halbtags dort.

Mir war es wichtig, dass auch pädagogisch ausgebildete Fachkräfte einen Blick auf meine Kinder hatten. Als Eltern bemerkt man ja nicht alles. Mein ältester Sohn konnte zum Beispiel schlecht sprechen. Ich habe das aber gar nicht gemerkt, obwohl ich auch mit anderen Müttern in einer Spielgruppe war. Die Kindergärtnerin hat mich darauf aufmerksam gemacht, aber gemeint, dass eine spezielle Förderung nicht nötig sei, Hauptsache sei, dass er viel redet.

Mein Zweitältester war immer schon schwierig und ich fand es gut, dass er im Kindergarten auch seine Strafen bekam. Ich war da zu nachgiebig und er hätte vielleicht beim Schuleintritt Probleme bekommen. Natürlich hatte ich das mittlerweile seltene Privileg, zu Hause bleiben zu können, aber nach zehn Jahren fiel mir auch die Decke auf den Kopf und ich war froh, ganz kurzfristig wieder eine gute Stelle, wenn auch nur Teilzeit zu bekommen.

Wegen der Schule würde ich mir keine Gedanken machen. Es kommen ja nicht alle Kindergartenkinder normalerweise in eine Klasse. Bei uns war es zumindest nicht so. Die meisten Kinder in der ersten Klasse waren nicht in derselben Kindergartengruppe oder aus demselben Kindergarten.

Auch darüber, dass ein Kind dann zu viel weiß, würde ich mir keine Sorgen machen. Mein Zweitältester konnte schon mit vierstelligen Zahlen rechnen, als er in die Schule kam, und seine Kindergartenfreundin konnte schon sehr flüssig lesen. Trotzdem hat zum Beispiel diese Freundin einmal ganz stolz erzählt, dass sie heute das F gelernt hätten. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun.

Ich bezweifle auch, dass Eltern die besten Förderer für ihre Kinder sind. Manchmal bildet man sich ein, dass die Kinder irgendetwas können sollten oder besonders gut können und irrt sich gewaltig. Man sollte den Kindern viele Angebote machen und das konnte ich natürlich nicht, zum Beispiel, was Musik betrifft oder Theaterspielen oder Tanzen und so weiter.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich bin im Westen groß geworden und meine Kindheit fand zum Teil noch zu der Zeit statt, als Frauen hier ohne das Einverständnis des Ehemannes nicht arbeiten durften und Kinder und Haushalt rechtlich gesehen in den Aufgabenbereich der Frau fielen. Kinderbetreuung, um arbeiten zu gehen, war also nicht wirklich vorgesehen.

Meine Mutter hat allerdings sofort nach den acht Wochen Mutterschutz und dem Jahresurlaub wieder voll gearbeitet. Daher hatte ich eine Tagesmutter. Die hat dann neben ihren eigenen Kindern nur mich betreut und wurde zur zweiten Mutter. Man lief anders als heute heute ganz normal in der Familie mit.

Und weil das so war und man nur die Nachbarskinder zum Spielen hatte, wurde man in den Kindergarten geschickt. Da ging es nicht darum, die Betreuung zu sichern. Man lernte, stundenweise von der gewohnten Umgebung und den Eltern getrennt zu sein. Man lernte, neue Bezugspersonen zu akzeptieren und mit fremden Kindern zu interagieren. Man spielte anders und mit anderen, man übte auch mal ruhig und aufmerksam zu sein.

Das Ganze wurde als Vorbereitung auf die Schule gesehen. Und das hat sehr gut funktioniert. Ohne diese Erfahrungen ist der Start in der Grundschule für viele Kinder sicherlich schwerer.

Meine Kinder sind unterschiedlich betreut worden. Nummer eins ging schnell in die Betreuung im Unternehmen und dann in einem Kindergarten dort. Das war eben zur Betreuung bei arbeitenden Eltern gedacht. Die nächsten gingen nicht in einen klassischen Kindergarten, weil wir im Ausland waren. Aber da wurde in allen Ländern mit vier Jahren eingeschult. Die Zeiten waren kurz und es gab beispielsweise ein Klettergerüst in der Klasse. :D Man sieht, es war staatlich vorgesehene langsame Eingewöhnung.

» cooper75 » Beiträge: 13337 » Talkpoints: 500,43 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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