Könnt ihr schon richtig gendern? Wie gendert ihr?

vom 12.11.2021, 09:50 Uhr

Ich hatte so meine Bedenken, was das gendern anbelangt. Ich habe mich lange dagegen gesträubt, weil ich der Ansicht war, dass das Gendern nichts bringt, dass es im wirklichen Leben keine Veränderung verursacht. Mittlerweile bin ich in einem Meinungsänderungsprozess, nachdem ein Gast in einer Talkshow Studien vorgestellt hat, dass sich Mädchen tatsächlich eher angesprochen fühlen, wenn ihr Geschlecht explizit vorkommt. Sie fühlen sich in Westdeutschland anscheinend nicht mitgemeint, wenn von Baggerführer die Rede ist. In anderen Ländern oder in der ehemaligen sogenanten DDR ist oder war das wohl anders.

Ich versuche es immer wieder. Aber so ganz gelingt mir das Gendern noch nicht. Gerade hatte ich wieder so einen Satz, der mir Probleme bereitete. "Es kommt auf die FinanzbeamtIn (den FinanzbeamtIn?) an, wie streng diese*r (dieseR?) ist". Ich würde wahrscheinlich schreiben: Es kommt auf den Finanzbeamten oder die Finanzbeamtin an, wie streng dieser oder diese ist. Aber wo bleiben da die Diversen? Manche wechseln in den Texten auch satzweise zwischen der männlichen oder der weiblichen Form.

Macht euch das Gendern Probleme oder ist euch das schon in Fleisch und Blut übergegangen? Gibt es seitens des Dudens schon Regelungen?

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Das Ding bei ganz vielen Studien, die beweisen sollen, dass das sinnvoll ist, ist, dass es sich dabei um Stellenbeschreibungen und ähnliche Geschichten handelt. Aber gerade in dem Bereich ist es doch seit Ewigkeiten absolut üblich alle angesprochenen Geschlechter explizit anzugeben. Schau dir eine Zeitung an, da steht sehr wahrscheinlich "Baggerführer (m/w/d)". Wenn da die Baggerführerin nicht rafft, dass sie sich bewerben kann, ist ihr Problem wahrscheinlich nicht die nicht ausreichend gegenderte Stellenausschreibung.

Was ich damit sagen will ist, muss ich krampfhaft meine Sprache im Alltag verändern wegen etwas, das sich eventuell in schriftlich formulierten Stellenanzeigen als wirkungsvoll erwiesen hat? Für mich hat das nichts miteinander zu tun und es wäre dringend mal nötig darüber zu reden, wie sehr man mit so einer Sprache auch Menschen ausgrenzen kann. Menschen mit Migrationshintergrund, alte Menschen, hörgeschädigte Menschen, lernbehinderte Menschen und so weiter.

Wenn ich mich für eine Version entscheiden müsste, würde ich mich wohl für deine Version entscheiden. Das klingt natürlich und ist denke ich, für jeden (m/w/d) verständlich. Aber wirklich relevant finde ich das nicht, da ich keine Stelle für Finanzbeamte oder Finanzbeamtinnen ausschreibe. Wenn ich eine Stelle ausschreiben müsste, würde ich wohl die weibliche Form wählen, also "Finanzbeamtin (m/w/d)". So was habe ich vor Kurzem in der Zeitung gelesen und mir ist diese Anzeige genau deshalb aufgefallen. Und genau das will man ja mit einer Stellenanzeige erreichen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt "richtiges Gendern" gibt, weil es sich ja um einen aktuellen Prozess der Veränderung von Sprache und ihrer Wahrnehmung gibt, und das ist wahrhaftig nichts Neues. Manche Veränderungen bleiben haften und werden irgendwann zur Norm, andere versinken sang- und klanglos wieder aus dem allgemeinen Gebrauch. Meine Oma hat noch "gebenedeit unter den Weibern" gebetet. Da ist mittlerweile sogar die katholische Kirche zu "Frauen" umgeschwenkt, und wer weiß heute schon, was "benedeien" heißt? Und so sehe ich auch das Gendern.

Der Dudenverlag hat, was ich weiß, auch Ratschläge zur geschlechtersensiblen Sprache parat, aber anders als bei der Rechtschreibung sind die Regeln eben nicht in Beton gegossen. Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich, aber wer in seiner Hauspost die ganze Belegschaft als "Mitarbeiter" anredet, macht ja nichts "richtig" oder "falsch", wenn 80 Prozent Frauen darunter sind, sondern entscheidet sich für das generische Maskulin mit all seinen Vor- und Nachteilen. Und wir leben eben in einer Zeit, in der die Nachteile allmählich ins Bewusstsein rücken und Nicht-Männer nicht immer "mitgemeint" sein wollen.

Ich selber halte Gendern durchaus für sinnvoll, weil Sprache eben auch das Bewusstsein prägt und gesellschaftlichen Wandel begleiten und nachvollziehen kann. Deswegen stellt es mir auch die Zehennägel auf, wenn von "Ärzten und Schwestern" die Rede ist. Außerdem habe ich Spaß an der Kreativität und Wandelbarkeit von Sprache. Es gibt so viele Alternativen zum generischen Maskulin, bei denen niemand ausgeschlossen wird, dass es sich durchaus lohnt, zu experimentieren. Wenn man denn Sinn für sprachliche Finessen hat und nicht nur raunzt: Ich suche eineN Mechatroniker, bei uns brauchen sich Weiber gar nicht erst zu bewerben, die bluten nur ins Motoröl!

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Zum Glück gibt es beim Gendern außerhalb des Berufes keinen Zwang und auch wenig richtig oder falsch. Ich persönlich lasse es in den meisten Fällen oder schreibe maximal auch mal die weibliche Form. Wenn ich aber doch in einigen Gelegenheiten die Geschlechter betonen will, weil ich das wichtig finde, schreibe ich beide Formen aus. Erst letztens wieder: "Er hat ja noch andere Freunde und Freundinnen." Hier war es mir inhaltlich wichtig, dass Frauen explizit mit erwähnt werden.

Sowohl beim Lesen als auch Hören stört mich die Sache mit dem Doppelpunkt immer noch gewaltig. Also "Finanzbeamt:innen". Dann als kleineres Übel für mich lieber die "FinanzbeamtInnen" und in Audio-Medien bitte keine Pause oder gleich die herkömmliche Form. Wenn es unbedingt sein muss, dann auch beide Formen ausgeschrieben vorlesen. Und ja, ich gebe es zu, ich fühle mich bei Bürgern, Kunden, Patienten usw. inkludiert.

In dem besagten Beispiel hätte ich mich, wenn ich unbedingt gendern wollte, eines kleinen Tricks bedient und geschrieben "es kommt auf die Strenge der FinanzbeamtInnen an" oder "es kommt auf die Strenge der Finanzbeamten und Beamtinnen an."

» Verbena » Beiträge: 4780 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



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