Inwieweit hat Toleranz was mit dem Alter zu tun?

vom 06.09.2019, 12:24 Uhr

Ich würde mich als tolerant bezeichnen. Mir ist es egal, was andere machen, welche Abstammung sie haben und welche sexuelle Orientierung. Ich mache mir selber ein Bild von einer Person und ich beurteile sie nicht nach dem, was sie sind, wie sie aussehen und welche Orientierung sie haben.

Am Wochenende saßen wir mit ein paar Leuten zusammen und irgendwie kam das Thema auf homosexuelle Kinder und auch auf Ausländer zu sprechen. Eine Bekannte meinte, dass ich für mein Alter sehr tolerant wäre. Mir war und ist aber nicht klar, warum Toleranz was mit dem Alter zu tun haben soll. Sie meinte nur, weil ältere Menschen eben meist Schwule und auch Ausländer nicht akzeptieren. Was denkt ihr, wie viel das Alter mit Toleranz zu tun hat?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Toleranz erfordert wahrscheinlich eine gewisse Flexibilität im Denken, damit man zum Beispiel in der Lage ist Vorurteile zu hinterfragen oder sich auf neue Situationen einzulassen. Und ich denke schon, dass diese Flexibilität mit der Zeit nachlässt.

Nehmen wir mal Homosexualität. Es gibt Menschen, die in einer Zeit aufgewachsen sind, in der homosexuelle Beziehungen als Straftat galten. Im Prinzip war Homophobie also das gleiche wie wenn ich heute sage, dass ich Einbrecher oder Autodiebe grundsätzlich Scheiße finde. Da muss man sich gedanklich schon umstellen wenn man Menschen, die man früher als Verbrecher betrachten sollte, als gleichwertig und gleichberechtigt anerkennen will.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich denke, dass unterschiedliche Faktoren etwas damit zu tun haben, wie "tolerant" Menschen sind, wobei Selbsteinschätzung und Außenwirkung ebenso auseinander klaffen wie die Definition von "Toleranz" an sich.

Manche Leute halten sich beispielsweise schon für wunder wie tolerant, wenn sie sich im Bus tapfer sitzen bleiben, wenn sich eine Frau mit Kopftuch oder ein dunkelhäutiger Typ neben sie setzt oder weil sie das schwule Ehepaar von nebenan zwar niemals zum Grillen einladen würden, aber immerhin noch mit einem Kopfnicken grüßen. Für mich bedeutet Toleranz dagegen schon mehr als der Verzicht auf Beschimpfungen aufgrund von Vorurteilen.

Ich denke daher, dass die allgemeine Lebenserfahrung mehr zur Entwicklung von Toleranz oder Intoleranz beiträgt als das reine biologische Alter. Wer beispielsweise sein Leben in einem Kaff zugebracht hat, wo alle weiß und katholisch sind und sich garantiert niemand als trans oder was auch immer outet, wird mit Abweichlern und Randgruppen sicher mehr Schwierigkeiten haben als mondäne Großstadtmenschen und Weltenbummler. Und zwar mit Dreißig ebenso wie mit Achtzig.

Man darf auch beispielsweise nicht vergessen, dass die Leute, die uns die sexuelle Befreiung in den Sechzigern gebracht haben oder in Woodstock völlig zugedröhnt im Schlamm gefeiert haben, mittlerweile auch schon um die Siebzig sind. Von daher würde ich beispielsweise eher soziale und geografische Herkunft, Bildungsstand und allgemeine Charaktereigenschaften als entscheidend für "Toleranz" sehen als ausgerechnet das biologische Alter.

Persönlich habe ich auch eher die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen unter Vierzig stocksteife, latent panische Spießbürger sind, während Ältere schon zu viel gesehen und erlebt haben, um sich an Homosexualität oder Ausländern künstlich zu erregen. Sogar meine Oma kannte vor dem Krieg einen Transmann und hatte absolut kein Problem damit.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde schon, dass viele Menschen im Alter sehr engstirnig sind und da ist es eben die Frage was einem vorgelebt wurde und was man dann noch dazu gewonnen hat, aber letztendlich habe ich wenige Menschen erlebt, die nach 50 noch von einer anderen Meinung zu überzeugen sind.

Für ein paar Menschen scheint es wirklich schon tolerant zu sein, mit einer Person im selben Raum zu sein, die aus dem Ausland kommt oder nicht Weiß ist, was auch immer. Ich sehe das nicht so und zeige das meinen Kindern auch. Was will man den vor anderen Menschen Angst haben oder sie anders behandeln? Das macht keinen Sinn. Das muss man ja auch vorleben, wenn man tolerante Menschen großziehen will.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Tendenziell halte ich alte Leute für toleranter als junge, weil sie schon mehr erlebt haben. Insbesondere viele Menschen der 68-iger Generation waren doch wesentlich freizügiger als viele Individuen der heutigen Jugend. Die Gesetze waren in dieser Zeit natürlich strenger, insbesondere, was die Rechte der Frauen und die Homosexualität betrifft. Aber dagegen hat diese Generation ja gekämpft.

Aber das ist natürlich individuell verschieden. Es gibt intolerante alte Menschen und intolerante junge. Zur Intoleranz gehört natürlich auch die Intoleranz gegenüber Spießern, alten Frauen, die beim Einkaufen lange in ihrem Portemonnaie herumkramen, und Intoleranz gegenüber Kindern. Oft wird unter Intoleranz nur die Intoleranz gegenüber Menschen, die anders aussehen als der Durchschnitt der Bevölkerung, verstanden.

Ein großes Problem sehe ich in der Intoleranz bestimmter Religionen gegenüber der sexuellen Orientierung an, insbesondere bei jungen Männern. Hier muss entschieden entgegengehalten werden.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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