Postkarten an Häftlinge schreiben

vom 16.08.2009, 01:02 Uhr

Im Internet gibt es zahlreiche Aktionen wie beispielsweise "Cards for Inmates", also "Karten für Einsitzende". Das sind dann Websites, auf denen man die Adressen von Häftlingen, die meist in den USA einsitzen, anfordern kann, um ihnen einen Brief oder eine Postkarte zu schreiben. Bevorzugt werden dabei übrigens die Adressen von Häftlingen, Männern wie Frauen, veröffentlicht, die eine sehr lange Haftstrafe haben oder solche, denen die Todesstrafe bevorsteht. So kann man dann mit einem solchen Menschen eine Brieffreundschaft führen.

Auf diesen Websites ist manchmal neben der Adresse des Häftlings auch angegeben, was er für ein Verbrechen begangen hat, und auch, was er dazu zu sagen hat. Manchmal steht aber auch nichts Genaueres darüber auf der Website und man erfährt erst während des Briefkontaktes mehr über die Tat, wenn überhaupt. Viele Häftlinge möchten über so etwas nämlich nicht schreiben.

Helfen solche Aktionen den Häftlingen, falls sie denn nicht die Todesstrafe erwarten, bei der Resozialisation? Ist die Teilnahme für den Nicht-Insassen gefährlich, da der Häftling bei einer Brieffreundschaft ja die Adresse von einem erhält? Was spricht für, was gegen die Teilnahme an so einem Projekt?

Ich kenne persönlich einige Menschen, die schon Karten an Häftlinge geschrieben haben und manche führen auch richtige Brieffreundschaften, die sich schon mehrere Monate halten. Bisher hat sich keiner beklagt, wobei einige schon ein wenig skeptischer gegenüber dem Briefpartner geworden sind, nachdem sie erfahren haben, weshalb dieser einsitzt.

Da sind manchmal sehr grausame Dinge zu lesen gewesen. Beispielsweise weiß ich aus Erzählungen noch von einem, der eine ganze Familie unter Alkohol- und Drogeneinfluss gefoltert und hingerichtet hatte. Ich weiß gar nicht, ob man so etwas über seinen Gesprächspartner überhaupt wissen möchte. Ich denke, in den meisten Fällen beeinflusst das dann doch sehr, wie man einen Menschen sieht.

Ich persönlich habe nicht vor, an diesem Projekt teilzunehmen. Es ist zwar nicht so, dass ich um meine Sicherheit fürchten würde, aber ich wüsste nicht genau, was ich schreiben sollte. Hat von euch vielleicht einer schon einmal an so etwas teilgenommen oder hat es vor? Wie waren eure Erfahrungen damit?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Vor einigen Wochen hat bei Domian mal ein Mädchen angerufen, das auch genau sowas schon seit Jahren macht: Sie hat mit einem Einsitzenden, ihr eigentlich unbekannten Mann, angefangen zu schreiben. Ich meine sogar, dass sie gesagt hat, dass es mit einer Postkarte angefangen hat. Sie selbst erzählte, dass sie gar nicht wisse, was es IHR so bringen würde, aber sie fände es einfach schön, dass er erzählen würde was ihn so betrifft und was ihm wichtig ist. So ganz nachvollziehen konnte ich das irgendwie auch nicht.

Natürlich verschönert es Häftlingen die Strafe, wenn sie Postkarten bekommen und wenn sie mit anderen kommunizieren können, zumindest auf dem Papier, aber ich als jemand, der denen jetzt schreibt, wüsste auch gar nicht, was ich mitteilen sollte. Zumal ich mir sicher bin, dass ich den meisten dieser Leute eh nicht besonders viel zu sagen hätte und wenn, dann wären es vermutlich eher weniger nette Dinge.

Aber wenn jemand so ein gutes Herz hat, dass er selbst dafür Zeit findet, dann finde ich das trotzdem schön. Ich bin dafür aber eher nicht so der Typ und Leute, die mal 10 Jahre in Haft sind oder denen die Todesstrafe bevorsteht, sind eher welche, die ich weniger verstehen kann und denen ich ungern einen Gefallen tun möchte. Dennoch ist es eigentlich schön, dass es auch Leute gibt, die das tun.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich habe noch nie mit einem Inhaftierten kommuniziert. Solche Initiativen, die Brieffreundschaften zwischen inhaftierten Straftätern und interessierten Leuten vermitteln. Ich persönlich könnte mir allerdings nicht vorstellen, einen solchen Briefwechsel zu führen.

Ich denke, dass ein Gefangener natürlich von einem solchen Briefwechsel profitiert. Zum einen hat der Insasse dadurch einen gewissen Kontakt zur Außenwelt, der sicher besonders in den Fällen wertvoll sein kann, wenn kein Kontakt zu anderen Leuten, wie Familienangehörigen oder Freunden, mehr besteht. Desweiteren verschafft so ein Kontakt dem Häftling natürlich auch etwas Abwechslung vom öden Gefängnisalltag.

Auch für denjenigen, der von außen Kontakt zu einem Häftling aufnimmt, kann ein solcher Kontakt natürlich interessant sein. Aus psychologischer Sicht mag es interessant sein, mit einem Straftäter zu kommunizieren und die Taten für sich persönlich zu analysieren. Aus purem Altruismus würde ich jedoch keinen solchen Kontakt aufbauen. Einem Häftling einfach etwas Gutes zu tun, liegt nicht in meinem persönlichen Interesse. Die Menschen, die im Gefängnis sitzen, sind ja nicht umsonst dort und sind in meinen Augen keine bemitleidenswerte Geschöpfe.

Mit Sicherheit kann sich zwischen einem Außenstehenden und einem Häftling ein intensiver Kontakt aufbauen. Allerdings denke ich, dass die meisten dieser Kontakte doch recht oberflächlich bleiben. Ich glaube nicht, dass mich ein solcher Smalltalk-Kontakt bereichern würde. Selbst wenn sich ein tiefergehender Kontakt entwickelt, sollte man sich die Frage stellen, ob man wirklich interessiert und stark genug ist, einen solchen Kontakt zu führen. Manchmal können sich dabei menschliche Abgründe auftun, die man vielleicht nicht so genau ergründen möchte.

Ein weiterer Punkt, den ich persönlich als absolutes Ausschlusskriterium für einen solchen Briefkontakt sehe, ist mein persönliches Unverständnis für Straftaten. Ich glaube nicht, dass ich mit jemandem kommunizieren könnte, der schwere Straftaten begangen hat und vielleicht unendliches Leid über andere Menschen gebracht hat. Für solche Menschen kann ich weder Mitleid noch Verständnis aufbringen und ich könnte nicht vorurteilsfrei mit so jemandem schreiben.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Also ich hatte sehr lange Zeit Kontakt zu einem Inhaftieren Mann in den USA, wir haben uns sehr lange Briefe geschrieben und die Brieffreundschaft war super. Er saß 11 Jahre ein wegen Drogenmissbrauch und hatte eine Familie. Als er jedoch entlassen wurde haben wir den Kontakt beide abgebrochen, das war auch völlig ok, er hatte seine Familie und Kinder wieder und hatte neue Aufgaben. Es hat ihm jedoch ungemein geholfen sich mit jemanden von draußen auszutauschen und oft wenn es ihm schlecht ging konnte er schreiben.

Ich würde so was jeder zeit wieder machen, es gibt ja genug Webseiten wo man die direkten Adressen der Straftäter findet , wo in deren Profilen auch drin steht wieso sie einsitzen und wie lange das noch dauert. Es gibt ja auch jede Menge weibliche inhaftierte, die Kontakte suchen. Ich kann mir auch vorstellen das es denen Hoffnung gibt, wenn sie Postkarten bekommen, so sehen sie auch mal was anderes als nur den Knast Alltag. So können sie sicher auch viel neue Kraft sammeln um die Haftstrafe zu überstehen.

» Kathie1401 » Beiträge: 593 » Talkpoints: 0,41 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ja von solchen Projekten habe ich bereits gehört und ich finde es sehr spannend, obwohl ich eher gespaltener Meinung darüber bin. Einerseits finde ich die Idee gut, dem Insassen damit zu helfen. Doch dann frage ich mich wieder, ob sie denn diese Hilfe wirklich verdient haben!?

Die Angst spielt bei meinen Überlegungen natürlich auch eine Rolle, denn was ist, wenn der Häftling eines Tages nach seiner Entlassung vor deiner Tür auftaucht? Das ist zwar eher unwahrscheinlich, aber man kann ja nicht in die Menschen reinschauen und in einem Brief kann man alles mögliche schreiben, ob es nun wahr ist, dass steht auf einem anderen Blatt.

Also ich persönlich möchte nicht mit einem Mörder schreiben. Einerseits weil ich finde, dass dieser Menschen wirklich dafür büßen sollten, was sie getan haben, und anderer seits, weil ich mich nicht unbedingt mit deren Gedankengängen beschäftigen möchte. Das mag zwar etwas egoistisch klingen, aber ich bin nicht sehr geistig belastbar und darum würde mich eine derartige Auseinandersetzung doch etwas aus der Bahn werfen.

Mir ist durchaus bewusst, dass es auch viele Gefangene gibt die eine zweite Chance bekommen und verdient haben, oder die gar unschuldig verurteilt wurden, aber wie gesagt kann man ja nicht in die Menschen hineinschauen und feststellen, ob deren Reue echt oder gespielt ist.

Meiner Meinung nach gibt es andere Möglichkeiten Menschen zu helfen, ohne sich selbst mit möglichen Dingen zu konfrontieren, mit denen man nicht umgehen kann (ich beziehe mich hierbei auf den poster über mir, der das mit der ermordeten Familie erzählt hat). Wenn ich so etwas in einem Brief lesen würde, hätte ich wochenlang Albträume und würde versuchen mich in eine derartige Situation hineinzudenken, ob ich das nun will oder nicht.

Vielleicht bin ich auch noch zu jung für eine derartige Auseinandersetzung mit Gefangenen und noch nicht erfahren genug um die Reichweite eines solchen Briefaustauschs zu begreifen, aber ich persönlich würde davon Abstand nehmen. Wenn man an Brieffreundschaften interessiert ist gibt es auch andere Möglichkeiten, ich zum Beispiel habe längere Zeit eine afrikanische Brieffreundschaft gehabt, was ein sehr interessanter Austausch war.

» ~blackswan~ » Beiträge: 2 » Talkpoints: -1,88 »


Mich hat dieses Thema schon als Teenager interessiert. Vor sicherlich mehr als zehn Jahren habe ich dann bei sternTV eine Dame mit ihrem aus dem Todestrakt freigesprochenen Brieffreund gesehen und fand es total faszinierend, wie sie sich über Jahre für ihn eingesetzt hat. Dass solche Geschichten sicherlich die absolute Ausnahme sind, war mir damals schon bewusst.

Doch auch wenn jemand Schuld auf sich geladen hat, verdient er es meiner Meinung nach dennoch menschlich behandelt zu werden. Außerdem verändern sich Menschen. Niemand wird als Straftäter geboren, sondern entwickelt sich im Laufe seines Lebens dazu. Ebenso ist Entwicklung in die andere Richtung möglich.

Ich habe nun erstmal die Gefängnis-Adresse eines zum Tode verurteilten Menschen. Es ist eigenartig. Sicherlich wird es noch eigenartiger, wenn ich einen ersten Brief von ihm (die meisten Insassen sind männlich, es gibt einige wenige Frauen in den Todeszellen der amerikanischen Staaten) erhalten werden. Ich denke, dass solcher Briefkontakt für beide Seite sehr bereichend sein kann.

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» Trisa » Beiträge: 3169 » Talkpoints: 61,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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