Selbstkritik und Selbstreflektion eine Frage des Alters?
Ich habe kürzlich die Aussage gelesen, dass Selbstkritik für Teenager doch sehr ungewöhnlich wäre und daher kaum vorkommen würde. Die Aussage war so formuliert, dass man unweigerlich zu der Annahme gekommen ist, dass jeder Mensch ab einem gewissen Alter die Fähigkeit zu Selbstkritik und Selbstreflektion entwickeln würde, nur eben als Teenager wäre das noch zu früh.
Ich kann das so ehrlich gesagt nicht unterschreiben. Denn ich kenne auch Menschen jenseits der 30, die keinen Funken Selbstreflektion und Selbstkritik haben und daher ziemlich naiv rüberkommen und da grundsätzlich immer die anderen Schuld sind, wenn mal was nicht so läuft wie sie gerne hätten. Wie seht ihr das? Ist Selbstkritik eine Frage des Alters oder haltet ihr eine derartige Aussage für wenig glaubwürdig? Wie sind eure Erfahrungen und Beobachtungen zu diesem Thema?
So etwas muss sich sicherlich entwickeln. Kein Baby wird auf dem Wickeltisch liegen und darüber nachdenken, was es heute gut gemacht oder was es schlecht gemacht hat. So sind es durchaus Erfahrungen die wir machen oder auch Gedanken, die wir uns machen, die sich aber erst entwickeln, weil wir es bei anderen mitbekommen oder geistig einfach etwas reifer sind.
Ich denke auch, dass eher wenige Teenager sich abends hinsetzen und über den Tag nachdenken, das eigene Verhalten und was man besser machen kann. Man ist ja auch irgendwie im hormonellen Chaos und dennoch wird es wohl welche geben, bei denen das so ist und die dann auch reflektiert handeln können. Das hat aber durchaus auch etwas mit geistiger Reife zu tun und wie sehr man sich auch mit sich auseinander setzen möchte, wie selbstbewusst man vielleicht auch ist.
Natürlich ist Selbstkritik auch eine Frage des Alters, aber eben nicht nur. Dass Kinder und Teenager, deren Selbst, wenn man so will, erst im Werden ist, noch nicht in dem Maße zur Selbstreflexion fähig sind, sondern sich eher auf egozentrische Art für den Mittelpunkt der Welt halten, ist in meinen Augen wohl kaum zu vermeiden. Und manche Leute entwachsen dieser Weltsicht, weil sie müssen, während andere auch ohne Selbstkritik ein entspanntes Leben führen können.
Auch wenn die Fähigkeit zur Selbstreflexion auch meiner Ansicht nach zu einer reifen Persönlichkeit dazugehört, so ist es doch nicht immer angenehm, sich mit seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten, seiner inneren Leere und seinen nicht immer salonfähigen Empfindungen und Gedanken auseinanderzusetzen. Wer das nicht nötig hat, kommt sicher auch sehr gut ohne aus. Das hat dann aber weniger etwas mit dem biologischen Alter einer Person zu tun, sondern eher mit dem Umfeld und auch den Interessen und der geistigen Beweglichkeit. Wo Selbstkritik und -reflexion nicht gefördert werden, wird sich kaum jemand spaßeshalber Gedanken zu diesem Thema machen.
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